Wer mitten im Meer Windstrom erzeugen will, hat einige echte Herausforderungen zu meistern. Die riesigen Rotoren müssen mit viel Aufwand auf hohe See transportiert und dann in mehreren Dutzend Metern Tiefe sicher am Meeresgrund verankert werden. Da die salzige Luft der teuren Technik kräftig zusetzt, geht es nicht ohne eine sorgfältige Wartung. Für all diese Mühen haben die Betreiber lange eine üppige Förderung bekommen. Aber das soll sich gründlich ändern. Die Betreiber mehrerer geplanter Windparks in der Nordsee wollen in Zukunft ganz ohne Subventionen auskommen. Ihnen reichen die Erlöse durch den Verkauf des Stroms an der Börse, heute sind das wenige Cent pro Kilowattstunde. Der Preisverfall in der Windkraft ist spektakulär, und dahinter steht vor allem eine technische Neuerung: Die Anlagen werden immer größer.
Die Branche ist zur Bescheidenheit gezwungen, weil Windkraftprojekte seit diesem Jahr ausgeschrieben werden. Der Bieter, der die geringste Förderung verlangt, setzt sich durch. In der ersten Runde waren das die Energieversorger EnBW sowie Dong/Ørsted aus Dänemark; bei drei ihrer vier Offshore-Kraftwerke verzichten sie ganz auf Subventionen. Als die Bundesnetzagentur dieses Ausschreibungsergebnis im vergangenen Frühjahr bekannt gab, war das Erstaunen darüber groß.
Zwar dürften auch strategische Erwägungen ein Grund für die Zurückhaltung der Anbieter sein: "Wenn man im Offshore-Geschäft erfolgreich sein will, braucht man kontinuierlich Projekte, etwa um die Lieferketten aufrechtzuerhalten", sagt Andreas Reuter, Leiter des Fraunhofer Instituts für Windenergie und Energiesystemtechnik (IWES). Zudem gehen die Unternehmen davon aus, dass der Preis an der Strombörse steigen und die Logistik für die Errichtung der Anlagen effizienter wird. Vor allem aber setzen die Bieter auf die Weiterentwicklung der Anlagentechnik. Sie haben einen Spielraum von mehreren Jahren, um die Windparks auf See zu bauen - genug Zeit für die Hersteller der Anlagen, die Kosten so weit zu senken, dass die Windpark-Betreiber auch mit deutlich geringerer oder gar ganz ohne Förderung Geld verdienen können.
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Dabei konzentrieren sich die Hersteller in erster Linie darauf, Größe und Leistung der Windräder zu steigern. "Während neue Offshore-Anlagen heute einen Rotordurchmesser von maximal 150 Metern und eine Leistung von etwa sechs Megawatt haben, werden wir in einigen Jahren Durchmesser von bis zu 200 Metern und eine Leistung von zehn Megawatt sehen", sagt Reuter. In der Folge sinken die Kosten pro Kilowattstunde, weil größere Anlagen deutlich mehr Strom bei nur moderat steigendem Aufwand für Logistik, Installation und Betrieb liefern.
Eine Strategie, die genauso die Entwicklung der Windenergie an Land prägt. "Auch die Hersteller von Onshore-Anlagen arbeiten an immer größeren Rotoren", sagt Reuter. Bereits heute bieten Unternehmen für windschwache Standorte Anlagen mit einem Durchmesser von 150 Metern und mehr an. Die Länge der einzelnen Flügel, Rotorblätter genannt, entspricht etwa der Spannweite eines Airbus A380.
Bei den Anwohnern dürfte das stete Wachstum der Windräder nicht gerade auf Begeisterung stoßen. Der Bau neuer Anlagen ist ohnehin schon vielerorts sehr umstritten. "Je größer eine Anlage ist, desto stärker prägt sie natürlich das Landschaftsbild", sagt Po-Wen Cheng, Inhaber des Lehrstuhls für Windenergie der Universität Stuttgart. Die Anlagen haben nur dann eine Chance, realisiert zu werden, wenn sie von den Menschen in der Region angenommen werden.
Cheng sieht daher die Windbranche in der Pflicht, diesem Thema mehr Aufmerksamkeit zu widmen. "Wir haben die Aufgabe, uns intensiver mit Fragen der Akzeptanz in der Bevölkerung zu befassen, etwa durch das Hinzuziehen von Sozialwissenschaftlern, Landschaftsarchitekten, Psychologen und anderen Experten", sagt der Wissenschaftler.
Doch auch in technischer Hinsicht gibt es einiges zu tun, wenn die Windräder noch weiter in die Höhe schießen sollen. Eine der Baustellen ist die Regelung der Rotorblätter. Bei starken Winden sind sie enormen Belastungen ausgesetzt. Stürmt es zu sehr, werden die Flügel aus dem Wind gedreht, sodass sie nicht beschädigt werden.
Tückischer sind einzelne Böen, die die Windräder umso häufiger treffen, je länger die Rotorblätter sind. Dabei belasten die Windstöße mitunter gar nur einen Teil des Flügels. Experten des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR), Fraunhofer IWES und das Forschungszentrum ForWind entwickeln daher derzeit neuartige Rotorblätter, die selbständig auf solche Böen reagieren können: Sie sind in der Lage, sich an einzelnen Stellen zu verformen, sodass sie dem Windstoß weniger Angriffsfläche bieten. "Das geschieht über einen speziellen Blattaufbau, der dafür sorgt, dass sie sich nach hinten biegen und zugleich verdrillen, also um die eigene Achse drehen", sagt Jan Teßmer, Koordinator der Windenergieforschung des DLR.
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Darüber hinaus befassen sich die Wissenschaftler damit, ein Konzept aus dem Flugzeugbau zu kopieren: So wie dort Klappen in den Tragflächen die Luftströme beeinflussen, sollen kleine, regelbare Bauteile in den Rotorblättern lokal die Belastung mindern. "Mit solchen Stellgliedern kann man sehr schnell und gezielt auch auf kurzfristige Böen reagieren", sagt Teßmer. Von der Flugzeugindustrie könnten die Windrad-Hersteller auch bei der Fertigung der Anlagen lernen. Bislang werden die Rotorblätter in weiten Teilen per Hand produziert. Das ist teuer und zudem fehleranfällig. "Mit einer Automatisierung der Prozesse lässt sich bei der Fertigung viel Geld einsparen", sagt Teßmer. Es gebe eine Reihe von Verfahren aus der Flugzeugindustrie, welche die Windradhersteller in angepasster Form übernehmen könnten.
Neben den Rotorblättern sieht die Windbranche auch in den Generatoren - die ähnlich wie ein Fahrraddynamo die Drehbewegung der Rotoren in Strom umwandeln - einen Hebel, um die Kosten zu senken. Die größten Hoffnungen liegen dabei auf sogenannten supraleitenden Generatoren, die deutlich leichter und kompakter gebaut werden können als konventionelle Stromerzeuger. Außerdem weisen sie einen höheren Wirkungsgrad auf, sodass weniger Energie bei der Umwandlung verloren geht. "Die Krux dabei ist allerdings, dass sie auf minus 200 Grad und tiefer gekühlt werden müssen. Das kostet Energie", sagt Po-Weng Cheng von der Uni Stuttgart.
Dazu komme ein großes Temperaturgefälle zwischen dem Äußeren und Inneren des Bauteils, das beherrscht werden müsse. Er ist jedoch optimistisch, dass diese Herausforderungen in absehbarer Zeit in den Griff zu bekommen sind. "Forscher arbeiten derzeit intensiv an der Technologie, weil das wirtschaftliche Potenzial groß ist", sagt Cheng. Allerdings eignet sie sich nur für die Großanlagen auf hoher See: Für Windräder an Land ist sie zu teuer.