Solarkraftwerk "Noor":Sonne nonstop

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Das Solarkraftwerk Noor in Marokko soll das größte der Welt werden. (Foto: Marc Engelhardt/epd)

In Marokko geht ein neuartiges Mega-Solarkraftwerk in Betrieb, das mit Sonnenstrahlen extreme Hitze erzeugt. "Noor" könnte zu einem Vorbild für die Branche werden.

Von Hubert Filser

Es ist ein Megaprojekt, das derzeit am Rande der Sahara entsteht, nahe der marokkanischen Stadt Ouarzazate. Die Solaranalage Noor 1 erstreckt sich auf einer Fläche, die so groß ist wie 2100 Fußballfelder. Sie soll Ende des Jahres in Betrieb gehen und 160 Megawatt an Leistung liefern. Sie ist nur der erste Teil eines riesigen Komplexes mehrerer Solarkraftwerke. 2020 sollen die Abschnitte Noor 2 und Noor 3 fertiggestellt werden, die Anlage wäre dann das größte solarthermische Kraftwerk der Welt. Es würde genug Strom liefern, um die Region um Marokkos Hauptstadt Rabat mit ihren 1,2 Millionen Einwohnern zu versorgen.

Das gut acht Milliarden Euro teure Projekt Noor führt in einer kleineren Dimension eine Idee fort, die die ambitionierte Desertec-Kooperation vor zwei Jahren begraben musste. Der Strom aus Marokko wird zwar nicht Europa erreichen. Aber eine Vielzahl von Anlagen nach dem Vorbild von Noor an verschiedenen Standorten könnte in Zukunft auch für Europa interessant werden.

Die Lage ist perfekt: Ständig scheint die Sonne, und die Berge halten Sandstürme fern

537 000 gewaltige, sieben Meter hohe Parabolspiegel stehen bereits jetzt bei Noor 1. Sie sind in insgesamt 400 Reihen von je 300 Metern Länge angeordnet. Das Prinzip der Anlage ist einfach. Die speziell beschichteten, von der bayerischen Firma Flabeg gebauten Parabolspiegel bündeln Sonnenstrahlen auf die Edelstahlleitungen im Zentrum der Rinne und erhitzen das darin fließende, synthetische Ölgemisch auf Temperaturen von bis zu 393 Grad. Damit die Energieausbeute optimal bleibt, folgen die Spiegel dem Lauf der Sonne, alle paar Minuten wird ihre Position computergesteuert nachjustiert. Immer wieder müssen die Spiegel des Parabolrinnen-Kraftwerks mit riesigen Bürsten vom Saharastaub befreit werden, sonst sinkt das Reflexionsvermögen.

Es ist also keine herkömmliche Photovoltaik-Anlage, wie sie in nördlichen Regionen verbreitet ist. Die Parabolrinnen-Technik funktioniert nur an Standorten mit dauerhaft hoher Sonneneinstrahlung. Das Ölgemisch muss das Rohrsystem ständig durchströmen, seine Temperatur sollte zwischen 293 und 393 Grad Celsius liegen. Genau das ermöglichen die klimatischen Bedingungen rund um die Provinzhauptstadt Ouarzazate, die 1500 Meter über dem Meeresspiegel liegt. Die Lage ist noch aus einem anderen Grund vorteilhaft: Die lang gezogene Hochebene, auf der das Kraftwerk steht, ist von Bergen des Hohen Atlas und schroffen Felsschluchten umgeben und so gegen Sahara-Stürme geschützt.

An diesem Ort am Rand der Sahara sind schon Blockbuster entstanden, zum Beispiel "Lawrence von Arabien", "Die Mumie" oder jüngst Teile der Serie "Game of Thrones". Die Sonne scheint hier praktisch 365 Tage im Jahr, täglich mindestens neuneinhalb Stunden lang, meist sogar länger. Die Sonnenstrahlung liefert so jährlich 2600 Kilowattstunden pro Quadratmeter, das ist etwa zweieinhalb Mal so viel wie in Deutschland. Und so klappt es, dass das Ölgemisch am Ende des Rohrsystems über einen Wärmetauscher Wasser erhitzt. Dadurch entsteht Wasserdampf, der eine konventionelle Dampfturbine der Firma Siemens antreibt. Sie liefert den Strom.

Ein zusätzlicher Vorteil der Technologie ist, dass sich die über die Parabolspiegel erzeugte Wärmeenergie eine Weile lang speichern lässt. Bei Photovoltaik-Anlagen geht dies nur indirekt. In einem Wärmespeicher der Parabolrinnen-Anlage geht es einfacher. Die Wärme fließt dort in flüssiges Salz, einer Mischung aus Natrium- und Kaliumnitrat, und kann dort mehrere Stunden lang zwischenlagern. Wie lange genau, ist vor allem von der Größe der Wärmespeicher abhängig.

Die Speichermöglichkeit ist für den Einsatz in Marokko sehr wichtig. Am meisten Strom wird dort in der Zeit von 18 bis 19 Uhr verbraucht, wenn die Sonne nur noch wenig Strom liefert. Das Ziel der Betreiber des Kraftwerks - das unter anderem der saudischen Firma Acwa Power und dem spanischen Baukonzern Aries Ingeniería y Sistemas gehört - ist, auf Speicherzeiten von acht oder neun Stunden zu kommen. So könnte die Anlage durchgehend Strom ins Netz speisen.

Der Nobelpreisträger Carlo Rubbia hat unlängst eine Möglichkeit vorgeschlagen, wie sich Solarkraftwerke weiter verbessern ließen. Er schlägt vor, das synthetische Ölgemisch durch eine Lösung aus geschmolzenem Salz zu ersetzen, das sich auf bis zu 550 Grad erhitzen ließe. Die Ausbeute der Anlage würde entsprechend steigen. Zudem könnte man auf die Wärmetauscher zwischen Öl und Speicher-Salzlösung verzichten, ein technischer Vorteil. Ölgemische erfordern einen höheren Aufwand, da sie leicht entzündlich sind. "Das Öl ist zudem toxisch", sagt Manfred Fischedick, Vizepräsident des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt, Energie. "Der Einsatz von Flüssigsalz wäre also aus verschiedenen Gründen vorteilhaft."

Mit den noch geplanten Ausbauten soll Noor auf eine Leistung von 560 Megawatt kommen. Unter anderem ist eine Photovoltaik-Anlage geplant, und ein 240 Meter hoher Solarturm, auf den die Sonnenstrahlen gebündelt werden. Damit seien "nochmals höhere Betriebstemperaturen" möglich, sagt Fischedick. Die Anlage Noor würde also nochmals effizienter. Wenn der Ausbau gelingt, lässt sich die Desertec-Vision also vielleicht doch noch weiterverfolgen - allerdings mit vielen mittelgroßen Anlagen wie Noor statt mit einem großen Standort.

© SZ vom 06.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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