Ende des Universums:Tod der Sterne

25 Jahre Weltraumteleskop ´Hubble"

Diese als "Krebs-Nebel" bekannte Struktur zeigt die Überreste einer Supernova-Explosion innerhalb unserer Milchstraße, die im Jahr 1054 n. Chr. stattfand. Ein großer, sterbender Stern schleuderte seine Hülle ins All.

(Foto: dpa)

Ob Terror oder Klimawandel: In diesem Jahr wurde die Menschheit mit bedrohlichen Szenarien konfrontiert. Kosmologen indes sagen dem ganzen Universum eine ungemütliche Zukunft vorher.

Von Robert Gast

Als Erstes geht es der Erde an den Kragen. In sieben Milliarden Jahren wird die Sonne plötzlich anschwellen und zu einem fetten, roten Riesenstern anwachsen. Erst verschlingt der glühende Gasball Merkur und Venus, dann die Erde. Schon in den Jahren davor wird es so heiß auf dem blauen Planeten, dass die Ozeane verdampfen und mit ihnen alle verbliebenen Lebewesen.

Womöglich wird es den Nachfahren der heutigen Menschheit bis dahin gelungen sein, neue Lebensräume im All zu besiedeln. Doch mit dem Ende der Erde wird der kosmische Überlebenskampf noch längst nicht vorbei sein. So zumindest besagt es das derzeitige Weltbild der Physik. Es zeichnet eine ferne Zukunft, in der das Universum Schritt für Schritt dunkel, kalt und lebensfeindlich wird - bis es sein Finale in einer Katastrophe findet, die den Hitzetod der Erde beschaulich wirken lässt.

Seit dem Urknall vor 13,8 Milliarden Jahren dehnt sich das Universum immer weiter aus. Bereits in den 1920er-Jahren erkannten Astronomen, dass sich fast alle Galaxien mit großer Geschwindigkeit von unserer Galaxie, der Milchstraße, entfernen. Das brachte das damals vorherrschende Weltbild zu Fall. Diesem zufolge war das Universum statisch - eine Auffassung, die noch Albert Einstein in seiner 1915 erschienenen Relativitätstheorie verteidigt hatte.

Heute besteht kein Zweifel mehr: Das Weltall schwillt an. Einst benachbarte Galaxien stieben auseinander wie Silvesterraketen. Zwar gibt es Hunderte Milliarden dieser scheibenförmigen Ansammlungen von Sternen im Weltall. Weil der Abstand zwischen ihnen aber mit Überlichtgeschwindigkeit wächst, könnte in gut zehn Milliarden Jahren nur noch das Licht einer Handvoll Nachbargalaxien die Milchstraße erreichen. Alle anderen Galaxien haben sich zu weit entfernt.

Das All verwandelt sich in einen kosmischen Friedhof. Nur noch ausgebrannte Sterne

Lange hielten es Physiker für möglich, dass sich das Auseinanderdriften der Galaxien mit der Zeit verlangsamen oder gar zu einem Stillstand kommen könnte. Danach sieht es gegenwärtig allerdings nicht aus. 1998 entdeckten die US-Kosmologen Saul Perlmutter, Adam Riess und Brian Schmidt, dass die Expansion des Weltalls im Gegenteil zunehmend Fahrt aufnimmt. Es gleicht einem Rosinenkuchen, der in einem riesigen Ofen immer schneller aufgeht. Dadurch entfernen sich die einzelnen Rosinen voneinander, der Teig zwischen ihnen füllt sich mit leeren Blasen.

So ergeht es dem Weltraum seit einigen Milliarden Jahren. Verantwortlich für das Aufblähen soll die sogenannte Dunkle Energie sein. Worum es sich bei dieser rätselhaften Kraft handelt, ist bis heute unklar. Messungen zeigen jedoch zweifelsfrei, dass sie den Raum zwischen den Galaxien immer weiter ausdehnt. "Das bedeutet, dass wir niemals größere Ansammlungen von Galaxien sehen werden als heute", sagt Gregory Laughlin von der University of California in Santa Cruz.

Auch die Nachkommen der Menschheit in zehn Milliarden Jahren werden davon wenig mitbekommen. Schließlich besteht unsere Galaxie, die Milchstraße, aus Hunderten Milliarden Sternen, die noch lange am Nachthimmel funkeln werden. Doch ferne Galaxien, wie sie das Weltraumteleskop Hubble entdeckt, werden in zehn Milliarden Jahren nicht mehr zu sehen sein.

In der Milchstraße wird es finster

Auch innerhalb der Milchstraße wird es mit der Zeit dunkler. Früher oder später geht den Sternen zunehmend der Brennstoff aus. Die Feuerbälle haben dann sämtliche Wasserstoff-Atomkerne in ihrem Inneren zu Heliumkernen verschmolzen. Ist es so weit, schalten Sterne auf einen Energiesparmodus um: Sie zwingen Helium-Atomkerne, zu Kohlenstoff zu fusionieren. Im Zuge dieser Reaktion blähen sich die Sterne zu Roten Riesen auf.

Ist letztlich auch das Helium aufgebraucht, geht dem Stern die Puste aus. Mit einem Mal fällt er in sich zusammen. Je nachdem, wie schwer er ist, lässt er dabei entweder eine weißlich schimmernde Sternleiche zurück, einen sogenannten Weißen Zwerg. Oder die Überreste kollabieren zu einer nur zehn Kilometer großen, aber extrem massiven Kugel, Physiker sprechen von einem Neutronenstern.

Manchmal ist der sterbende Sterin auch so schwer, dass die Schwerkraft ihre Asche zu einem Schwarzen Loch zusammenfallen lässt. In diesem Fall geht dem nahenden Sternentod eine gewaltige Explosion voraus, die Gas durch die halbe Galaxie schleudert. Diese Reste können sich andernorts wieder verdichten und zu einem neuen Stern verklumpen. Irgendwann ist in der Galaxie allerdings kein Gas mehr übrig, aus dem sich neue Sterne bilden können. Von da an verwandelt sich das All in einem kosmischen Friedhof, in dem es fast nur noch ausgebrannte Sterne gibt. Diesen Zustand wird der Kosmos in etwa 100 000 Milliarden Jahren (10¹⁴ Jahren) erreichen.

Aliens aus Dunkler Materie?

Spätestens dann wird es auch für die Dunkle Materie eng. Diese unsichtbare Masse hält das heutige Weltall wie Klebstoff zusammen. Manche Physiker vermuten, dass sie aus einer noch unbekannten Art von Elementarteilchen besteht, die zugleich ihre Antiteilchen sind. Treffen sich zwei dieser Partikel, löschen sie sich wie Materie und Antimaterie gegenseitig aus. Im heutigen Weltall passiert das nur selten. Im 10¹⁴ Jahre alten Universum sammelt sich hingegen immer mehr dieser Dunklen Materie im Umfeld weißer Zwerge. Nach und nach werden sich enorme Mengen der unsichtbaren Substanz selbst vernichten.

Physiker können selbst diesem trostlosen Prozess noch etwas Positives abgewinnen: Seit längerem spekulieren sie, dass sich in den oberen Schichten der weißen Sternleichen Lebewesen bilden könnten. Durch die ständige Selbstverbrennung der Dunklen Materie würde genug Wärme entstehen, um biologische Prozesse aufrecht zu erhalten. Diese hätten dann ihrerseits viele Milliarden Jahre Zeit, in unzählbaren Evolutionsstufen Intelligenz zu entwickeln.

Das Weltall, in dem diese Aliens leben würden, wäre allerdings öde. Wo es nur noch Weiße Zwerge, Neutronensterne und Schwarze Löcher gibt, passiert wenig. Hin und wieder treffen sich zwei Sternleichen in den Weiten des Alls, verschmelzen miteinander und erzeugen einen Strahlungsblitz, den die ganze Galaxie erhellt.

Mit der Zeit setzt ein quälend langsames Siechtum ein: Die Sternleichen verwesen, wenn die Atomkerne in ihrem Inneren zerfallen. Physiker halten es für möglich, dass sogar Protonen, die Grundbausteine aller Materie, instabil sein könnten, wenn man nur lange genug - nach heutigem Wissen mindestens 10³² Jahre - wartet.

Könnte der "Big Crunch" das Universum wiedererwecken?

Zerfallen Protonen tatsächlich irgendwann, verwandeln sich mit ihnen auch Weiße Zwerge und Neutronensterne mit der Zeit in elektromagnetische Strahlung und Elektronen. Diesen Prozess könnten auch die hypothetischen Lebewesen im Orbit der Weißen Zwerge nicht aufhalten. Irgendwann werden sie sich auflösen, Atomkern für Atomkern - zusammen mit den Sternen, um die sie kreisen.

Sind alle Protonen zerfallen, bleiben als große Objekte nur noch die Schwarzen Löcher übrig, die im Zentrum der mittlerweile dunklen Galaxien sitzen. Dort haben sie mit der Zeit immer wieder jede Menge Sternleichen verschlungen und sind zu gewaltiger Größe angewachsen. Vor dem Verfall kann auch sie das langfristig nicht schützen: Aus dem Inneren Schwarzer Löcher entkommt zwar kein Licht. Aber sie senden sogenannte Hawking-Strahlung aus, die der berühmte Physiker Stephen Hawking vorhergesagt hat. Grob 10¹⁰⁰ Jahre dauert es, bis die letzten der kosmischen Monster verdampft sind.

Wie es dann weitergeht, ist Spekulation. Manche Wissenschaftler vermuten, die mysteriöse Dunkle Energie könnte eines Tages so stark am Weltraum zerren, dass dieser in Fetzen zerrissen wird. "Ich glaube, das All wird sich für alle Ewigkeit ausdehnen", sagt hingegen der Astrophysiker Fred Adams von der University of Michigan. Dadurch würden elektromagnetische Wellen, die das All auch in Zukunft noch füllen werden, immer weiter gestreckt, und so an Energie verlieren. Irgendwann wäre das Universum so kalt, dass sich nichts mehr bewegen kann.

Ein neuer Urknall - und das Universum würde ewig existieren, wie ein pulsierendes Herz

Nicht alle Physiker wollen die Hoffnung aufgeben, dass dieses Schicksal vermeidbar ist. "Ich würde wenig darauf verwetten, dass das Universum sich so verhalten wird", sagt etwa der Kosmologe Matthias Bartelmann von der Universität Heidelberg. Schließlich gab es in der Geschichte des heutigen Universums auch überraschende Momente. Unmittelbar nach dem Urknall gab es beispielsweise eine kurze, mit heutigen Formeln noch nicht erklärbare Phase beschleunigter Expansion.

Diese "Inflation" endete nach Sekundenbruchteilen. "Warum sollte das nicht ein zweites Mal möglich sein?", sagt Bartelmann. Denkbar ist zum Beispiel, dass plötzlich eine Kraft auftaucht, welche die explosive Dunkle Energie ausgleicht und die Ausdehnung des Universums stoppt, sie vielleicht sogar umkehrt. In diesem Fall könnte der Kosmos wieder zum Stillstand kommen oder schrumpfen und letztlich in sich zusammenfallen. Die Folge dieses "Big Crunch" könnte ein neuerlicher Urknall sein. So würde das Universum ewig wie ein pulsierendes Herz existieren. Solange die Dunkle Energie vorherrscht, bleibt das allerdings Wunschdenken.

Für die Erde käme ein kosmischer Neustart allerdings reichlich spät. Der blaue Planet ist nicht nur von der irgendwann anschwellenden Sonne bedroht. Viele Ereignisse könnten die Heimat der Menschheit schon zuvor vernichten. Mit etwa einem Prozent Wahrscheinlichkeit verlässt der Planet Merkur in den kommenden Milliarden Jahren seine Bahn, haben Jacques Laskar und Mickael Gastineau 2009 berechnet. Er könnte mit der Venus kollidieren, letztlich auch die Erde treffen und sie in einen Trümmerhaufen verwandeln.

Außerdem gibt es da noch diese Nachbargalaxie der Erde, die Ärger machen könnte. Der am Nachthimmel mit bloßem Auge sichtbare Andromeda-Nebel ist eine der wenigen Sternenansammlungen, die sich der Milchstraße nähert. In vier Milliarden werden die beiden Galaxien kollidieren. Vielleicht übersteht das die Erde problemlos. Denkbar ist aber auch, dass die Schwerkraft vorbeirasender Sterne das Sonnensystem aus den Fugen hebt. Die Erde könnte einen kräftigen Schubser erhalten und aus der Galaxie katapultiert werden. Sie würde dann im eiskalten Nirgendwo treiben, weitab des nächsten Sterns. Bis dahin sollte die heutige Menschheit die wärmende Energie der noch lebendig lodernden Sonne ausgiebig genießen.

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