UN-Klimagipfel in Rio:Verständigung auf leere Worte

"Die Zukunft, die wir wollen", so lautet das Motto der zweiten UN-Klimakonferenz in Rio. Wie purer Hohn wirkt da das Abschlussdokument der Weltgemeinschaft, beschränkt es sich doch aufs Vertagen, Erwägen, Prüfen. Nun liegt es an den Vorreiter-Staaten, nicht mit vollends leeren Händen heimzureisen.

Michael Bauchmüller

Als die Weltgemeinschaft 1992 erstmals in Rio zusammentraf, da war die Marke von fünf Milliarden Menschen gerade ein paar Jahre überschritten. Eben erst waren die kommunistischen Regime Osteuropas zusammengebrochen, und die Klima- und Umweltprobleme einer stetig wachsenden, auf fossile Rohstoffe angewiesenen Weltwirtschaft waren kaum noch zu übersehen. Das alles prägte das Besondere, den Geist dieser ersten Rio-Konferenz: Wir machen uns die Welt, wie sie uns gefällt.

Zwanzig Jahre später sind mehr als 100 Staats- und Regierungschefs wieder in Rio. Die Welt beherbergt mittlerweile mehr als sieben Milliarden Menschen. Das Ende des Kommunismus war nicht Startpunkt eines neuen, bewussteren Verständnisses von Wirtschaft und Nachhaltigkeit, sondern eines Turbokapitalismus, den der Umweltschutz nur insoweit beschäftigt, als er das Wachstum vermeintlich hemmt. Weder am Klimawandel noch am Artensterben hat sich seit 1992 etwas geändert, weder gibt es eine Kontrolle über das Geschehen in den Weltmeeren noch eine verlässliche Übereinkunft über den Schutz der Wälder.

Um so frappierender ist das Ende, das diese Konferenz nun zu nehmen droht: Das Abschlussdokument ist schon ausgehandelt, es ist voller leerer Worte und kraftloser Verweise auf das, was ohnehin schon feststand. Alle großen Menschheitsfragen tauchen zwar darin auf - aber ohne jede Konkretisierung. Die Rio+20-Konferenz, die eigentlich einen neuen Impuls hatte bringen sollen, wird zum Schauplatz der globalen Unverbindlichkeit. Vertagen, erwägen, prüfen: Selbst das Motto des Gipfels wird so zum Hohn, "The future we want" - die Zukunft, die wir uns wünschen. Wenn dies die Zukunft ist, auf die sich die Staaten verständigen können, dann gute Nacht.

Ergebnis immer dünner

Entmutigender noch als das Ergebnis ist die Art seines Zustandekommens. Nach und nach verschwanden - unter tätiger Mithilfe des Gastgebers Brasilien - alle halbwegs ambitionierten Formulierungen aus dem Text; sei es der Plan, auf umweltschädliche Subventionen zu verzichten oder der Aufbau einer eigenständigen Umweltorganisation der Vereinten Nationen; seien es konkretere Ziele für eine Wirtschaftsform, die den Planeten für künftige Generationen wenigstens nicht in einem schlechteren Zustand hinterlässt. So wurde das Ergebnis mit jeder Verhandlungsrunde dünner, und am Ende wurde es ohne Widerspruch abgehakt - noch vor dem Beginn des Gipfels.

Auch Europa hat nicht widersprochen, ungeachtet all seiner großen Ziele für eine umweltfreundliche Entwicklung. Ein Kompromiss, mit dem alle irgendwie leben könnten, heißt es jetzt, das sei immer noch besser als gar keiner. Auch glauben die Europäer ernstlich, der Kompromiss rette den Multilateralismus im Umweltschutz - die gemeinsame Reaktion der Staaten auf Probleme wie den Klimaschutz, die alle gleichermaßen angehen.

Allianzen von Vorreitern notwendig

Das Gegenteil ist der Fall. Wenn sich alle Staaten gemeinsam ohne große Verhandlungen mit dem kleinsten gemeinsamen Nenner zufriedengeben, wenn sie schon nicht mehr über das Notwendige streiten, weil ihnen das gerade noch Machbare genug erscheint, dann stehen alle Tore offen. Dann braucht es auch keine Gipfel mit 50.000 Teilnehmern mehr, denn Beschlüsse von solcher Unverbindlichkeit kann jeder Staat genauso gut für sich fassen. Dazu braucht es Rio nicht.

Umgekehrt wird es nun mehr als bisher auf Allianzen von Vorreitern ankommen. Die Europäer, auch die afrikanischen Staaten, können mit diesem Ergebnis nicht zufrieden sein. Gemeinsam könnten sie in den verbleibenden beiden Tagen in Rio einzelne Themen ein letztes Mal aufrufen, etwa die Bildung einer UN-Umweltorganisation oder den Schutz der Weltmeere - auch wenn die Verhandlungen über das Schlussdokument für beendet erklärt sind. So zumindest könnten sie verhindern, mit ganz leeren Händen heimzureisen. Die Erfolgsaussichten freilich sind bescheiden.

Letzte Hoffnung: "grünes Wachstum"

Auch werden diejenigen Staaten, denen eine nachhaltige, generationengerechte Entwicklung tatsächlich am Herzen liegt, enger zusammenarbeiten müssen, sich stärker vernetzen müssen. Zumindest dafür ist die Rio-Konferenz das richtige Forum. Auf kollektive Einsicht der Weltgemeinschaft aber brauchen sie nicht zu warten; nach diesem Gipfel noch weniger als vorher.

Für eine weiter wachsende Weltbevölkerung bleibt somit nur die Hoffnung auf den Durchbruch jener "grünen Produkte", die nicht nur die Umwelt schützen, sondern sich auch noch rechnen. Seien es neue Werkstoffe aus nachwachsenden Rohstoffen, energiesparende Verfahren, erneuerbare Energien oder Elektroautos, die mit ebendiesen fahren. Das Abschlussdokument hat dafür sogar ein eigenes Kapitel - "grünes Wachstum". Wortreich legt es die Chancen einer Wirtschaftsweise dar, die auch den Schutz begrenzter Ressourcen in den Blick nimmt.

Was sich die Staaten unter diesem grünen Wachstum genau vorstellen, ob und wie sie es voranbringen wollen, das bleibt ihnen in diesem Kompromisspapier freilich ganz selbst überlassen. So präsentiert sich die Weltgemeinschaft, in Rio 2012: Von allem etwas, aber nichts richtig - und in jedem Fall zu wenig.

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