Das Design der Kapsel, die geschwungenen Sitze für die Astronauten, die schneeweißen Anzüge mit anthrazitfarbenen Schulterstücken und schlanken Helmen, all das hätte vermutlich auch Stanley Kubrick gut gefallen. Der legendäre Regisseur hat mit "2001: Odyssee im Weltraum" nicht nur Filmgeschichte geschrieben, sondern auch eine Designsprache entwickelt, die auf geniale Weise zeitlos blieb - anders als die meisten Science-Fiction-Werke, deren grünlich leuchtende Bildschirme schon beim Kinostart alt aussahen. Die Designsprache der Mission SpX-DM2, kurz Demo-2, die an diesem Mittwoch gegen 22.30 Uhr deutscher Zeit starten soll, unterscheidet sich beträchtlich von der Aura russischer Sojus-Kapseln, die in der kasachischen Steppe niedergehen. Alles an dieser Mission scheint zu sagen: Das All ist jetzt Alltag.
Musk wäre nicht Musk, ginge es dabei nicht auch um viel Bohei und verwegene Technik
Tatsächlich wird nicht nur optisch an diesem Mittwoch ein neues Kapitel der Raumfahrtgeschichte aufgeschlagen: Zum ersten Mal seit dem Ende des Spaceshuttle-Programms im Jahr 2011 sollen amerikanische Astronauten wieder mit einem amerikanischen Fluggerät ins All starten, an Bord einer Kapsel namens Crew Dragon, angetrieben von einer Rakete namens Falcon 9, gebaut und entworfen vom US-Raumfahrtunternehmen Space-X. Die von Tesla-Chef Elon Musk gegründete Firma soll künftig parallel mit einer von Boeing entwickelten Kapsel Nasa-Astronauten zur Internationalen Raumstation (ISS) bringen. In den vergangenen neun Jahren waren die Amerikaner auf Sojus-Kapseln angewiesen, was dem Nationalstolz nicht zuträglich war. Und Musk wäre nicht Musk, ginge es dabei nicht auch um viel Bohei, viel Show und verwegene Technik.
Gesteuert wird die Dragon-Kapsel mit Joystick und Flachbildschirmen. 18 kleine Triebwerke dienen zum Manövrieren im Orbit. Viele Komponenten der gesamten Mission sind mehrmals wiederverwendbar, die erste Stufe der Trägerrakete ebenso wie die Crew Dragon-Kapsel. Auch soll die erste Antriebsstufe der Falcon 9 nicht einfach irgendwo in den Ozean stürzen, sondern selbständig auf einem Schiff landen. Es lebt also an diesem Mittwoch durchaus Pioniergeist in Cape Canaveral auf, wenn die beiden Nasa-Astronauten Bob Behnken und Doug Hurley, 49 und 53 Jahre alt, in ihre schneeweißen Anzüge steigen, mit einem (natürlich) schneeweißen Tesla zum Startplatz gefahren werden und sich an die Spitze der schneeweißen Trägerrakete Falcon 9 setzen. Dem historischen Moment angemessen, wird von Rampe 39A aus gestartet, wo einst die Apollo-Mondraketen abhoben.
Ohne Menschen an Bord wurde der Flug ausgiebig durchgeführt, allerdings gab es auch Fehlschläge
Geht alles gut, sind die beiden erfahrenen Raumfahrer, Hurley gehörte zur Crew des letzten Shuttle-Fluges, nach zwölf Minuten im Orbit und docken nach weiteren 19 Stunden an die Internationale Raumstation an. Zwei bis vier Monate sollen Behnken und Hurley im Orbit bleiben und ihr neuartiges Vehikel durchtesten. Bei ihrer Rückkehr werden sie mit der Crew Dragon an Fallschirmen vor der Küste Floridas wassern, ähnlich wie einst die Apollo-Besatzungen. Ohne Menschen an Bord wurde das alles ausgiebig geübt. Eine Frachtversion der Dragon-Kapsel hat bereits 21-mal an die ISS angedockt. Allerdings gab es auch Fehlschläge. Im April vergangenen Jahres explodierte eine Crew Dragon-Kapsel bei einem Triebwerkstest. Auch hielten bei einem Test die Nylonseile der Landefallschirme nicht, weshalb nun das stabilere Zylon verwendet wird.
Nachdem jedoch weitere Tests am Anfang dieses Jahres erfolgreich verliefen, gab die Nasa das "Go" für den Missionsbeginn an diesem Mittwoch. Für die Sicherheit der Astronauten beim Start soll ein Notfallsystem sorgen, bei dem sich die Dragon-Kapsel mit ihren acht Triebwerken mit sechsfacher Erdbeschleunigung von der Trägerrakete absprengt und im Ozean landet. Künftige Versionen sollen sogar mit den Triebwerken abbremsen und an Land aufsetzen.
Klappt die nun anstehende Mission Demo-2, sollen bei künftigen Flügen nicht nur zwei Astronauten, sondern vier an Bord der Crew Dragon Platz nehmen. Ausgelegt ist die zwölf Tonnen schwere Kapsel sogar für sieben Menschen. Doch so viele Leute passen gar nicht auf die Raumstation. Hier haben Amerikas Raumfahrtstrategen für eine künftige Mondstation mitgeplant. Ebenso zukunftstauglich ist ein 37 Kubikmeter großes Frachtabteil unterhalb der bemannten Kapsel, in dem sechs Tonnen Material mitgeführt werden können. Dieses Trunk (Kofferraum) genannte Servicemodul der Dragon-Kapsel ist mit eigenen Solarpaneelen ausgerüstet, wird allerdings beim Wiedereintritt abgesprengt und verglüht in der Atmosphäre.
Doch bis dahin müssen irdische Widrigkeiten überwunden werden. Mit 40 Prozent Wahrscheinlichkeit, so hat es die Nasa errechnet, macht das Wetter dem Start am Mittwoch einen Strich durch die Rechnung. Der nächste Termin wäre dann der 30. Mai.