Einzigartiger Wal gefilmt:Weißer Schwertwal vor Russlands Küste

"Iceberg" haben Wissenschaftler einen weißen Orca genannt, den sie vor den Gewässern der nordpazifischen Kommandeurinseln gefilmt haben. Das Erste, was sie von dem ungewöhnlichen Killerwal sahen, war die helle zwei Meter hohe Finne.

Forscher der Universitäten Moskau und Sankt Petersburg sowie der Whale and Dolphin Conservation Society (WDCS) haben im Nordpazifik nach eigenen Angaben zum ersten Mal einen komplett weißen, geschlechtsreifen Schwertwal in freier Wildbahn gesichtet.

"Iceberg" (Eisberg) haben sie das Tier genannt, auf das sie erstmals bereits im August 2010 gestoßen waren.

Die Zwei-Meter-Rückenflosse ragte in der Nähe der Kommandeurinseln im Beringmeer aus dem Wasser.

Bislang hatten die Wissenschaftler des Far East Russia Orca Project (Ferop) ihre Entdeckung der breiten Öffentlichkeit noch nicht vorgestellt.

Nun präsentierten sie das Tier: Demnach ist "Iceberg" ein mindestens 16 Jahre alter Orca-Bulle - und somit ein geschlechtsreifes Tier. Ausgewachsen sind Schwertwale etwa mit 20 Jahren.

"Iceberg" lebt in einem Familienverband - einer sogenannten Schule oder einem Pod - zusammen mit zwölf Verwandten. Die Gruppe ist einer von 61 Verbänden in der Region, die die Wissenschaftler in den vergangenen zwölf Jahren identifiziert haben.

Nicht der erste weiße Schwertwal

"Iceberg" ist zwar nicht der erste oder einzige weiße Schwertwal, den die Forscher beobachtet haben. Mindestens zwei weitere weiße Orcas sind ihnen begegnet. Allerdings handelte es sich dabei um jüngere Tiere, wie Erich Hoyt von Ferop und der Whale and Dolphin Conservation Society (WDCS) berichtete.

Eines der Tiere hatten sie 2008 als Kalb beobachtet und 2011 erneut getroffen. Das zweite Tier war ein Weibchen oder junges Männchen, das sie 2009 und 2010 mehrmals gesehen hatten. Aber "Iceberg ist der erste völlig weiße geschlechtsreife Bulle", so Hoyt.

Das Areal um die Kommandeurinseln ist Russlands größtes Meeresschutzgebiet. Es wurde von der Unesco als Biosphärenreservat eingestuft. Ferop zufolge gibt es Pläne, das Gebiet zu vergrößern. Die Forscher empfehlen, es zum Teil eines Netzwerks von Reservaten zu machen, in denen Wale und Delfine vor der russischen Ostküste geschützt werden.

Die Tiere sind dort durch Überfischung und die Öl- und Gasförderung gefährdet, die zu stärkerem Schiffsverkehr und mehr Lärm führen und das Risiko einer Ölpest erhöhen.

"Iceberg ist auf vielerlei Weise ein Symbol für alles, das da draußen im Ozean unverfälscht, wild und außergewöhnlich aufregend ist und darauf wartet, entdeckt zu werden", sagt Hoyt. "Die Herausforderung besteht darin, den Ozean so zu erhalten, dass solche Überraschungen weiterhin möglich sind."

Mit dem spektakulären weißen Schwertwal versuchen die Forscher auch auf ihre Arbeit aufmerksam zu machen. So untersucht etwa Olga Filatowa von der Moskauer Staatsuniversität, ob die sesshaften Schwertwale wie "Iceberg", die sich von Fischen ernähren, eine andere Art darstellen als ihre wandernden Verwandten, die Meeressäuger jagen.

Die Schulen der Fischjäger bestehen normalerweise aus acht und mehr Tieren, die Wanderer sind in der Regel nur zu dritt unterwegs. Sollte es sich tatsächlich um zwei unterschiedliche Arten handeln, so wären auch verschiedene Schutzmaßnahmen für ihre jeweiligen Vertreter notwendig.

Ein echter Albino?

Einzigartiger Wal gefilmt: Die Finne des weißen Orcas vor den Kommandeurinseln östlich von Kamtschatka. Es ist nicht der erste weiße Schwertwal, der entdeckt wurde. Aber dieser Orca ist bereits mindestens 16 Jahre alt.

Die Finne des weißen Orcas vor den Kommandeurinseln östlich von Kamtschatka. Es ist nicht der erste weiße Schwertwal, der entdeckt wurde. Aber dieser Orca ist bereits mindestens 16 Jahre alt.

(Foto: AFP/Far East Russia Orca Project/E.Lazarev)

"Wir haben bislang noch keine genetischen Daten zu Icebergs Schule", berichtet Hoyt auf seinem Blog. "Aber wir hoffen, sie im Sommer erneut zu treffen und mehr über das Phänomen der weißen Wale zu lernen." Auch ob das Tier tatsächlich ein echter Albino ist, wollen sie dann überprüfen. "Vielleicht können wir einen Blick auf rosa Augen werfen", hofft er. Das wäre ein deutlicher Hinweis auf Albinismus.

Nicolas Entrup von der österreichischen Agentur Shifting Values, der die Meldung der Forscher für den deutschsprachigen Raum veröffentlicht hat, erklärte, erwachsene Albinos seien unter den Walen selten, weil Tiere ohne Farbpigmente empfindlicher für Sonnenbrand seien und außerdem schlechter sehen könnten, was die Jagdchancen beeinträchtige und damit die Lebenserwartung verringere.

Auch eine Genmutation namens Leuzismus kann zu einer farblosen Haut führen. Beim Leuzismus fehlen die pigmentbildenden Zellen komplett, während sie beim Albinismus nicht in der Lage sind, Pigmente zu bilden.

Ein bekannter Orca miit Pigmentstörung war Chima, der bis 1972 in einem kanadischen Aquarium lebte. Der Schwertwal litt am sogenannten Chediak-Higashi-Syndrom, einer Krankheit, die zu Pigmentmangel und verschiedenen Gesundheitsproblemen führen kann.

Der bekannteste weiße Wal ist natürlich "Moby Dick", der Pottwal im gleichnamigen Roman Herman Melvilles. Während dieses weiße Tier allerdings eine Erfindung des Autors war, lebte in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts offenbar ein reales Vorbild: Ein Pottwal mit grauer statt brauner Haut, der von den Walfängern im Pazifik "Mocha Dick" genannt wurde.

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