Einstein-Brief bei Ebay:"Die Bibel ist eine Sammlung primitiver Legenden"

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Albert Einstein bezeichnete sich als religiös und sprach wiederholt von Gott. War er demnach gläubig? Was er wirklich vom Glauben, von der Bibel und dem Judentum hielt, erklärte er kurz vor seinem Tod in einem wenig bekannten Brief. Der wird nun bei Ebay versteigert. Mindestgebot: drei Millionen Dollar.

Markus C. Schulte von Drach

Der Herrgott, so schrieb Albert Einstein einst, würfelt nicht. Und "Wissenschaft ohne Religion ist lahm, Religion ohne Wissenschaft ist blind", stellte er fest. Seitdem sind viele Menschen überzeugt, dass der berühmte Physiker an einen Herrgott geglaubt hat.

Weniger bekannt als diese Aussagen ist dagegen ein Brief, den Einstein zum Thema Religion schrieb - und für den der Besitzer nun hofft, ihn für mindestens drei Millionen Dollar bei Ebay versteigern zu können. Geschrieben hatte ihn Einstein im Januar 1954, ein Jahr vor seinem Tod, an den jüdischen Religionsphilosophen Eric Gutkind. Es war seine Antwort auf Gutkinds Buch " Choose Life: The Biblical Call to Revolt".

Nach der Lektüre des Briefes, den Einstein in deutscher Sprache verfasste, bleiben wenig Zweifel an seiner Haltung zur Bibel, zur Vorstellung von einem persönlichen Gott und auch zum Judentum:

"Das Wort Gott ist für mich nichts als Ausdruck und Produkt menschlicher Schwächen, die Bibel eine Sammlung ehrwürdiger, aber doch reichlich primitiver Legenden. Keine noch so feinsinnige Auslegung kann (für mich) etwas daran ändern. Diese verfeinerten Auslegungen sind naturgemäß höchst mannigfaltig und haben so gut wie nichts mit dem Urtext zu schaffen. Für mich ist die unverfälschte jüdische Religion wie alle anderen Religionen eine Incarnation des primitiven Aberglaubens."

Die erste Seite des Briefes von Albert Einstein an Eric Gutkind. (Foto: Reuters/Golan Weiser)

Bereits 2008 war der Brief, der sich zuvor in Privatbesitz befand, bei Bloomsbury versteigert worden. Auf mindestens 8000 Pfund hatte der Besitzer gehofft - und von einem ungenannten Käufer schließlich 170.000 Pfund erhalten. Über den Ebay-Seller "gazinauctions" - dabei handelt es sich um das Auktionshaus Auction Cause von Eric Gazin in Los Angeles - wird er nun als " Albert Einstein Historic 1954 "God Letter" Handwritten Shortly Before His Death" angeboten. "Dieser private Brief drückt Sichtweisen eines der produktivsten Geister der Neuzeit über die Themen Gott, Religion und Stammestum aus, die niemals dafür bestimmt waren, an die Öffentlichkeit zu kommen", heißt es auf der Ebay-Seite über das Dokument. Noch steht das Gebot bei drei Millionen Dollar - wer den Brief ersteigern und dann in Los Angeles abholen will, muss mindestens hundert Dollar mehr zahlen.

Ein Ausschnitt aus dem Brief mit den zitierten Stellen im Original. (Foto: Reuters)

Tatsächlich hatte sich Einstein zu den Themen Gott und Religion immer wieder geäußert, seine Erklärungen waren jedoch manchmal missverständlich. So bezeichnete er sich wiederholt selbst als religiös, etwa in dem Brief an den amerikanischen Geschäftsmann und Politiker Milton M. Schayer aus Denver, der 1927 Prominente gebeten hatte, ihre Ansichten zu Religion und Wissenschaft zu erklären:

Die zweite Seite des Briefes von Albert Einstein an Eric Gutkind. (Foto: Reuters/Golan Weiser)

"Meine Religiosität besteht in einer demütigen Bewunderung des unendlich überlegenen Geistes, der sich in dem wenigen offenbart, was wir mit unserer schwachen und hinfälligen Vernunft von der Wirklichkeit zu erkennen vermögen", schrieb Einstein zurück. "Jene mit tiefem Gefühl verbundene Überzeugung von einer überlegenen Vernunft, die sich in der erfahrbaren Welt offenbart, bildet meinen Gottesbegriff; man kann ihn also in der üblichen Ausdrucksweise als 'pantheistisch' (Spinoza) bezeichnen."

Deutlich erklärte er darüber hinaus: "Ich kann mir keinen persönlichen Gott denken, der die Handlungen der einzelnen Geschöpfe direkt beeinflusste oder über seine Kreaturen zu Gericht säße."

Diese Haltung nahm Einstein offenbar bereits im Alter von zwölf Jahren ein, wie er in seinen " Autobiographical Notes" selbst beschrieb. Zuvor kindlich religiös hatte er nach der Lektüre eines populärwissenschaftlichen Buches festgestellt, dass viele der Geschichten in der Bibel nicht wahr sein konnten.

In dem Brief aus dem Jahre 1954, der nun bei Ebay versteigert wird, stellte Einstein darüber hinaus auch seine Haltung zum Judentum klar: "Und das jüdische Volk, zu dem ich gern gehöre und mit dessen Mentalität ich tief verwachsen bin, hat für mich doch keine andersartige Dignität als alle anderen Völker. Soweit meine Erfahrung reicht, ist es auch um nichts besser als andere menschliche Gruppierungen, wenn es auch durch Mangel an Macht gegen die schlimmsten Auswüchse gesichert ist. Sonst kann ich nichts 'Auserwähltes' an ihm wahrnehmen."

Zwar war Einstein für den Zionismus eingetreten. So schrieb er 1932 an Edward M. Freed in New York City: "Ich bin für den Zionismus, weil dies die einzige Bestrebung ist, welche Juden auf der ganzen Welt zu vereinen vermag. Wie weit die Juden eine Rassengemeinschaft sind, ist ohne Interesse. Sicher ist, dass sie eine Schicksalsgemeinschaft sind und dass sie der gegenseitigen Hilfeleistung dringend bedürfen. Ich bin kein Nationalist und wünsche keine Benachteiligung der Araber in Palästina. Die jüdische Einwanderung in Palästina in den praktisch in Betracht kommenden Grenzen kann niemand zu Schaden gereichen. Sie braucht auf keine historischen Ansprüche gegründet zu werden."

Einstein identifizierte sich selbst also eindeutig als Jude - auch wenn er nicht an einen Gott der Juden glaubte und die Bibel für eine Sammlung von alten Legenden hielt. Demnach muss er auch die Vorstellung abgelehnt haben, dass ein jüdischer Gott mit einem jüdischen Stammvater Abraham ein besonderes Bündnis einging, welches jüdische Säuglinge heute noch durch eine Beschneidung besiegeln müssen. Das ist vor dem Hintergrund der Debatte um religiöse Beschneidungen in Deutschland ein interessanter Aspekt: Manche Juden sagen, dieses Ritual sei aufgrund des biblisches Gebots ein unverzichtbarer Bestandteil des Judentums. Aber obwohl Einstein daran ganz offensichtlich nicht glaubte, wurde seine Zugehörigkeit zum jüdischen Volk in Israel nie in Frage gestellt.

Vielmehr ließ Israels Ministerpräsident David Ben Gurion nach dem Tod des ersten Präsidenten Chaim Weizmann 1952 bei Einstein nachfragen, ob er Interesse hätte, dessen Nachfolger zu werden. Der 72-Jährige fühlte sich geehrt, lehnte es jedoch ab, sich zur Wahl zu stellen, da er glaubte, dieser Aufgabe nicht gewachsen zu sein.

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