Ein Weg aus dem Dilemma:Die neue Klimaformel

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Das geplante Klimaabkommen droht im Dschungel von Fußnoten und Sonderregeln unterzugehen. Der deutsche Wissenschaftler-Rat will das verhindern - und wirbt für eine scheinbar simple Lösung.

M. Bauchmüller

Alternativen, Optionen, Alternativen zu Optionen - knapp 200 Seiten davon füllen derzeit die Entwürfe für ein künftiges weltweites Klimaabkommen. Zweimal wollen die Unterhändler sich noch vor der Klimakonferenz in Kopenhagen treffen, dort soll im Dezember ein neues globales Abkommen entstehen.

Um das Klima zu retten, müssen die Emissionen sinken - und zwar schnell. (Foto: Foto: dpa)

Doch das Vorhaben ist ambitioniert: Längst stecken die Diplomaten tief im Dschungel der Fußnoten und Sonderregeln. Klar ist noch nicht einmal die künftige juristische Struktur des Abkommens, ganz zu schweigen von den zu leistenden Beiträgen der einzelnen Staaten.

Höchste Zeit also für den Wissenschaftlichen Beirat globale Umweltveränderungen. Das Beratergremium der Bundesregierung wird an diesem Dienstag ein Gutachten vorlegen: Es soll einen potentiellen Ausweg aus dem Verhandlungsdilemma weisen.

Die neun Mitglieder des Expertenrats empfehlen darin einen "Kassensturz im Klimaschutz", sie werben für einen "Budgetansatz", doch dahinter steckt ein altes Konzept: der globale Emissionshandel. Statt lange über die Details eines neuen Abkommens zu feilschen, statt konkrete CO2-Minderungsziele auszutauschen, die ohnehin zu gering ausfallen und selten eingehalten werden, sollen sich die Staaten auf eine einfache Formel einigen: die Einhaltung des Zwei-Grad-Ziels.

Das A und O des Emissionshandels

Ausgegeben vom Weltklimarat IPCC, gilt dieses Ziel inzwischen als Maßstab für die Bewältigung eines gefährlichen Treibhauseffektes. Demnach ließen sich die schlimmsten Folgen der Erderwärmung noch abwenden, sollte diese weniger als zwei Grad ausmachen - verglichen mit dem vorindustriellen Niveau, also bevor die massenhafte Verfeuerung fossiler Ressourcen begann.

Dazu allerdings müssten die weltweiten Emissionen schon bald ihren absoluten Höhepunkt erreichen, um dann bis 2050 um die Hälfte zu sinken. Für die Industriestaaten würde das eine Senkung von 80bis 90 Prozent gegenüber 1990 bedeuten - ein beispielloser Wandel.

Daran knüpft der Beirat der Bundesregierung nun an - und rechnet das Zwei-Grad-Ziel in globale Kohlendioxid-Mengen um. Demnach dürften weltweit bis 2050 nur noch 750 Milliarden Tonnen Kohlendioxid in die Atmosphäre gelangen - allerhöchstens.

Diese Menge wird auf alle Staaten verteilt, und zwar nicht nach politischen Verhandlungen, sondern schlicht auf Basis der Einwohnerzahlen. Mit den entsprechenden Emissionsrechten dürfen die Staaten anschließend handeln. Cap and trade, Deckeln und Handeln - für Umweltökonomen ist es das A und O jedes Emissionshandels.

Diese Formel ist für Industriestaaten auf den ersten Blick erschreckend. Angesichts ihrer hohen industriellen Emissionen und eines oft sinkenden Anteils an der Weltbevölkerung wäre deren Budget bescheiden. Deutschland dürfte etwa noch zehn Jahre lang Kohlenstoff ausstoßen - danach bliebe nur noch der Kauf von Emissionsrechten bei Ländern, die diese im Überfluss haben.

Zwei Grad mit großer Tragweite

Doch der Handel mit diesen Rechten dürfte nicht nur die Einnahmen von Entwicklungsländern steigern, sondern auch die Anreize in Industriestaaten, von fossilen Energieträgern loszukommen. Der Beirat jedenfalls empfiehlt eine "umfassende Dekarbonisierung" - samt überprüfbarem Fahrplan. Parallel sollen die Industriestaaten ärmeren Ländern helfen, die Folgen des Klimawandels zu bewältigen und die Entwaldung zu stoppen.

Gemessen an der komplizierten Genese internationaler Klimaverträge klingt das Konzept einfach. Es wird zwar Widerstand bei jenen Staaten hervorrufen, die sich vom Verhandlungsprozess Vorteile für ihre Wirtschaft erhoffen. Doch hat die Idee Chancen. Emissionshandel gilt als effizientes Instrument.

Auch in den USA gibt es bereits Sympathien für das Zwei-Grad-Ziel, als Alternative zu allzu laxen kurzfristigen Zielen. Ob sich Washington der Tragweite der zwei Grad bewusst ist, bleibt allerdings dahingestellt.

© SZ vom 01.09.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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