Ein Feuerökologe im Interview:"Wir sind im Krieg mit der Natur"

Europas einziger Professor für Feuerökologie, Johann Georg Goldammer, über die Strategien zur Feuerbekämpfung.

Claudia Fromme

Johann Georg Goldammer leitet in Freiburg das "Global Fire Monitoring Center", das eine Zweigstelle des Max-Planck-Instituts für Chemie in Mainz ist. Seit 1998 sammelt Europas einziger Professor für Feuerökologie im Auftrag der Vereinten Nationen weltweit Daten zu Waldbränden und entwickelt Strategien zur Feuerbekämpfung.

Ein Feuerökologe im Interview: Johann Georg Goldammer: "Es gab klare Warnungen, alle wussten, dass etwas passieren würde."

Johann Georg Goldammer: "Es gab klare Warnungen, alle wussten, dass etwas passieren würde."

(Foto: Foto: oh)

SZ: War die Katastrophe in Australien vorhersehbar, Herr Goldammer?

Goldammer: Die Waldbrände an sich sind nicht überraschend. Um die Jahreswende herum ist traditionell der Höhepunkt der Buschbrände in Australien. Es gab klare Warnungen in der vergangenen Woche, alle wussten, dass etwas passieren würde. Gleichwohl hat die extreme Trockenheit verbunden mit der Windlage begünstigt, dass sich die Feuer stark ausbreiten konnten. Das sind aber nur die Umweltbedingungen; dass zusätzlich Brandstifter am Werk waren, hat die Situation außer Kontrolle gebracht.

SZ: Buschbrände hat es immer gegeben, auch ohne Kriminelle, die Feuer legen. Warum sind die Feuer für die Australier nun so gefährlich geworden?

Goldammer: In Australien wollen viele im Grünen leben und ziehen in die Eukalyptuswälder, die aufgrund ihrer ätherischen Öle wie Zunder brennen. Auch in Kalifornien ziehen viele aus den Städten in die Wälder und das Buschland vor Los Angeles. Wenn sie da ihre Holzhäuser hereinbauen, die dem gleichen Austrocknungsrhythmus unterliegen wie die Vegetation, wird es brenzlig.

Die Erde ist ein Feuerplanet, jedes Jahr verbrennen weltweit 300 bis 400 Millionen Hektar Land, auch der australische Busch ist das, was man ein Feuerökosystem nennt. Diese Lebensräume sind auf das Gleichgewicht von Feuer und Natur angewiesen, dort finden Tierarten Lebensräume, für deren Dynamik und Erhaltung regelmäßige Feuer unerlässlich sind.

Eukalyptusbäume und einige Kiefernarten brauchen den Brand für ihr Wachstum. Problematisch ist, dass der Mensch dahin zieht, wo seit Millionen von Jahren das Feuer wohnt.

SZ: Könnten Bauvorschriften helfen?

Goldammer: Sicher. Prinzipiell ist bei Waldbränden nicht die Forschung das Problem, wir wissen genug. Wir sammeln im Auftrag der Vereinten Nationen mit Hilfe von Satelliten Informationen über das Auftreten von Feuer, werten die Auswirkungen der Brände aus, feilen an Techniken zur Brandbekämpfung und an einem globalen Frühwarnsystem. In der Praxis stößt man allerdings an Grenzen.

Kann man einem Land wie die USA, das durch Liberalismus geprägt ist, vorschreiben, wie Häuser sicher zu bauen sind? Auch sind die Strategien verschieden. Nordamerika setzt auf Evakuierungen, notfalls zwangsweise. Australien dagegen befürwortet die Verteidigung des Eigentums. Bewohner können selbst entscheiden, ob sie bleiben. Das ist jetzt für einige zur tödlichen Falle geworden.

SZ: Sind Evakuierungen besser?

Goldammer: Das kann man nicht generell sagen, eigentlich hat Australien sein Feuermanagement weit entwickelt. Seit zwei, drei Jahren aber haben wir es in Australien mit unkontrollierbaren Mega-Feuern zu tun, die durch extreme Wetterlagen entstehen, die wiederum vom Klimawandel begünstigt sind. Zudem ist die Feuersituation hier besonders.

Beobachten wir in Nordamerika oder Europa einen linearen Verlauf der Feuerfront, an dem sich Feuerwehrleute orientieren können, ist er in Australien erratisch: Es gibt sehr viele Flugfeuer, die sich gegenseitig überholen und deren Verlauf unkalkulierbar ist. Es gibt ein Chaos von Brandherden, das von wechselnden Winden vorwärts getrieben wird. Wer vor dem Feuer flieht, kann leicht eingeschlossen werden.

SZ: Wie sollen sich die Australier denn schützen, wenn die Verteidigung zu gefährlich ist, die Evakuierung aber auch?

Goldammer: Eigentlich müsste um jedes Haus eine Pufferzone von 300 Metern freigehalten werden, in der jedes Grün verschwindet. So ist der Funkenflug, der entscheidend ist für das Ausbreiten des Feuers, leichter zu kontrollieren. Aber natürlich zieht keiner ins Grüne, um es abzuhacken.

Wenn wir nicht weichen wollen, müssen wir sichere Häuser bauen und Schutzräume. Wir befinden uns im Krieg mit der Natur und in Australien sollte man über Feuerbunker nachdenken. Die bieten hundertprozentigen Schutz. So abwegig ist die Idee nicht. Im ständig vom Hochwasser bedrohten Bangladesch gibt es Bauten auf Stelzen, die den Menschen bei Flutalarm seit Jahren Schutz bieten.

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