Biologie:Warum Eichhörnchen nicht abstürzen

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Die Nager checken in Sekundenbruchteilen die Beschaffenheit ihres Startpunkts und die Entfernung zum Ziel ab, zeigen Hochgeschwindigkeits-Aufnahmen. Sogar Korrekturen während des Fluges sind möglich.

Von Tina Baier

Eichhörnchen zu beobachten ist fast so spannend wie eine Trapeznummer im Zirkus anzuschauen. Die koboldhaften Tiere springen in schwindelerregender Höhe von Baum zu Baum, überwinden Abstände von mehreren Metern und landen sicher auf schwankenden Ästen. Alles passiert in rasender Geschwindigkeit, trotzdem kommt es so gut wie nie vor, dass eines der Tiere abstürzt. Wie schaffen die etwa 20 Zentimeter großen Nager das?

Ein Team um den Biologen Nathaniel Hunt von der University of California in Berkeley hat jetzt herausgefunden, dass Eichhörnchen vor jedem Sprung die Stabilität ihres Start-Astes und die Entfernung zum Ziel abchecken, um die optimale Absprungposition zu finden. Für ihre Studie, die gerade im Wissenschaftsjournal Science erschienen ist, baute das Team aus Biologen, Biomechanikern und Psychologen eine Art Outdoor-Parkour auf dem Campus der Universität auf. Dann trainierten die Forscher wilde Eichhörnchen, die in der Nähe leben, mithilfe von Erdnüssen darauf, ihre Akrobatikkünste zu zeigen. Alles wurde mit Highspeed-Videokameras aufgenommen.

In einem ihrer Experimente variierten die Wissenschaftler die Biegsamkeit der Absprungstangen, indem sie verschiedene Materialien einsetzten: Birkenholz, Plastik und ein mit Kupfer verstärktes Plastikrohr. Außerdem veränderten sie die Abstände zwischen dem Ende der Stange und dem Zielort.

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Obwohl alle Stangen dieselbe Länge hatten, sprangen die Tiere an unterschiedlichen Stellen ab. "Bei ihrer Entscheidung, wo sie abspringen, berücksichtigen die Eichhörnchen die Stabilität des Starts und die Entfernung zum Ziel", schreiben die Studienautoren. Anders gesagt wissen die Tiere, dass sich zwar die Distanz zum Ziel verringert, wenn sie bis ans äußerste Ende der Stange laufen, dass dadurch aber auch ihr Absprungort weniger sicher wird.

Fehler können die Tiere im Flug korrigieren

Weitere Experimente zeigten, dass die Tiere Fehleinschätzungen sogar im Flug noch korrigieren konnten. Außerdem wurden sie kreativ, nachdem ihnen der Parkour vertraut war, und erfanden neue Möglichkeiten, ihr Ziel zu erreichen.

All diese Fähigkeiten verhindern, dass Eichhörnchen bei ihren Manövern abstürzen. Denn auch in der Natur verändern sich die Bedingungen ständig: Bäume wachsen oder werden morsch, und im Winter herrschen ganz andere Verhältnisse als im Sommer. Auch die Tiere selbst verändern sich, werden einerseits größer und schwerer und bekommen andererseits immer mehr Erfahrung.

Eichhörnchen sind nicht die einzigen Tiere, die ihre Bewegungen den Bedingungen in ihrer Umgebung anpassen müssen. Nicht immer ist diese Notwendigkeit so offensichtlich wie bei den kleinen Nagern, die andernfalls ständig abstürzen und sich sämtliche Knochen brechen würden. Doch im Prinzip kann es sich kaum ein Lebewesen leisten, sich starr und unflexibel durch die Welt zu bewegen. Fledermäuse und Grüne Leguane beispielsweise berücksichtigen, dass sie schwerer sind, wenn sie sich gerade vollgefressen haben.

Auch Menschenkinder "bewegen sich, um zu lernen, während sie lernen sich zu bewegen", schreiben Karen Adolph von der New York University und Jesse Young von der Northeast Ohio Medical University in Science. Manche wachsen bis zu zwei Zentimeter an einem einzigen Tag und auch ihre Fähigkeiten der Fortbewegung verändern sich innerhalb kürzester Zeit. "In einer Woche krabbeln sie, in der nächsten können sie schon laufen", schreiben Adolph und Young. Um mit solchen Veränderungen zurechtzukommen, brauche es ähnlich wie bei den Eichhörnchen Anpassungsfähigkeit und Kreativität.

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