Zustand der Ehec-Patienten:"Vom Nierenschaden bis zum Krampfanfall"

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Es beginnt mit Durchfall und endet manchmal tödlich: Der Hannoveraner Nierenspezialist Jan Kielstein über das Leiden seiner Ehec-Patienten und simple Vorbeugung.

Christina Berndt

Ob durch Gurke, Tomate oder einen infizierten Mitmenschen: 326 Menschen in Deutschland haben infolge einer Infektion mit dem gefährlichen Darmerreger Ehec die schwerwiegende Komplikation HUS entwickelt, bei der sich rote Blutkörperchen auflösen und es zur Blutarmut kommt; die Gifte der Ehec-Bakterien greifen zudem auch die Nieren an; schließlich kann das Gehirn in Mitleidenschaft gezogen werden. 51 der 326 deutschen HUS-Patienten werden derzeit an der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) unter anderem von Jan Kielstein betreut. Der Nierenspezialist ist Oberarzt an der Klinik für Nieren- und Hochdruckerkrankungen der MHH. Mit der Süddeutschen Zeitung sprach er über den Zustand seiner Patienten, ihre Aussichten auf Gesundung und eine neue Therapie.

Jan Kielstein, Oberarzt an der Medizinischen Hochschule Hannover. (Foto: dpa)

SZ: Herr Kielstein, es werden immer wieder einzelne erschreckende Verläufe der Ehec-Infektion bekannt, bei der auch zuvor gesunde, junge Erwachsene mit dem Tod kämpfen. Der Chef des Universitätsklinikums in Hamburg sagte, er werde zweifelsohne weitere Patienten verlieren. Wie geht es Ihren Patienten?

Jan Kielstein: Die Lage ist angespannt. Angesichts der Vielzahl der Betroffenen ist gewiss von weiteren Todesfällen auszugehen. An der MHH besteht derzeit für keinen Patienten akute Lebensgefahr. Aber es steht um manchen Patienten kritisch. Einige befinden sich unter Beatmung und im künstlichen Koma. Die Infektion stellt sich für die Betroffenen als wirklich großes Problem dar.

SZ: Sehen Sie denn einen Trend zu geringeren Fallzahlen?

Kielstein: Auf der Nierenstation sehen wir ja nur die schweren HUS-Verläufe, die etwa eine Woche nach der Infektion mit Ehec in Erscheinung treten. Deren Zahl geht noch nicht zurück. Wir erleben jetzt gerade die dritte Phase der Erkrankung. Die Ehec-Infektion macht sich zunächst mit blutigem Durchfall bemerkbar, dann kommt die HUS-Phase mit Blutarmut und Nierenschädigung und schließlich kann es zur neurologischen Beteiligung kommen. Das ist bei vielen unserer Patienten jetzt der Fall.

SZ: Wie äußert sich das?

Kielstein: Auf zwei verschiedene Weisen. Die eine Gruppe von Patienten ist agitiert. Das heißt, sie sind extrem unruhig und zappelig. Das kann bis zum zerebralen Krampfanfall gehen. Die andere Gruppe ist im Gegenteil in sich gekehrt. Die Patienten starren an die Decke und sind kaum ansprechbar.

SZ: Wie ist deren Langzeitprognose?

Kielstein: Das wissen wir nicht. Schwerwiegende Ehec-Infektionen mit HUS-Syndrom traten bislang ja vornehmlich bei Kindern auf. Über HUS bei Erwachsenen wissen wir sehr wenig. Bei der Therapie müssen wir deshalb Neuland betreten.

SZ: In den vergangenen Tagen wurde von einer neuen Therapie mit einem Antikörper gesprochen, der im vergangenen Jahr eine erstaunliche Heilung bei drei Kleinkindern mit schweren HUS-Verläufen erzielt hatte. Haben Sie das Medikament schon eingesetzt?

Kielstein: Ja, wir haben diesen Antikörper 18 unserer Patienten gegeben. Über die Erfahrungen damit lässt sich aber noch wenig sagen. Die Ergebnisse bei den drei Kindern waren in der Tat sehr vielversprechend und machen Hoffnung. Gleichwohl ist das Medikament kein Hustenbonbon. Wie häufig muss man es einsetzen? In welcher Dosis? Das ist alles völlig unklar. Eigentlich müsste man erst eine klinische Studie durchführen, bevor man es schwer kranken Patienten gibt. Aber dazu ist jetzt keine Zeit; wir müssen jetzt bei schweren Verläufen individuelle Heilversuche unternehmen. Aber diese sollten wir wenigstens wissenschaftlich begleiten und die Nebenwirkungen sorgfältig erfassen; alle Kliniken gemeinsam. Wir arbeiten deshalb mit Hochdruck daran, die Behörden zu einer konzertierten Erfassung zu bewegen.

SZ: Was diese kleinen Mikroben in den letzten Tagen mit unserer Gesundheit und in unseren Krankenhäusern angerichtet haben, ist ganz schön unheimlich.

Kielstein: Ja, aber man muss auch bedenken, dass man sich durch Hygiene und Verzicht auf Rohkost ein gutes Stück schützen kann. Und auch in diesen Tagen ist zum Beispiel das Rauchen immer noch die weitaus größere Gefahr für die Gesundheit als der Ehec-Keim.

© SZ vom 31.05.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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