Ehec: Kritik am Krisenmanagement:"Aufklärung der Bevölkerung muss dringend optimiert werden"

Die erfolglose Suche nach der Infektionsquelle des gefährlichen Ehec-Erregers und das Krisenmanagement der zuständigen Ministerien alarmieren die Opposition: SPD und Grüne fordern, die Bürger besser zu informieren. Die "Verantwortung für die Lebensmittelsicherheit" dürfe nicht bei den Verbrauchern abgeladen werden. Inzwischen gibt es neue Zahlen zu Infektionen und Todesopfern.

Der Präsident des Robert Koch-Instituts (RKI), Prof. Reinhard Burger, nannte bei seinem Besuch im Hamburger Universitätsklinikum Eppendorf (UKE) am Sonntagnachmittag neue Zahlen zur EHEC-Epidemie. Demnach sind bundesweit 1526 Menschen EHEC-Fälle bekannt, davon wurde bei 627 HUS diagnostiziert. Insgesamt seien nun 21 Todesfälle zu beklagen; zahlreiche Patienten schwebten in Lebensgefahr.

EHEC breitet sich weiter aus

Eine Aufnahme von Bakterien im Bundesinstitut für Risikobewertung. Die Suche nach der Infektionsquelle des Darmkeims Ehec verläuft bislang erfolglos.

(Foto: dpa)

Politiker von SPD und Grünen kritisierten zuvor das Krisenmanagement der Bundesregierung im Kampf gegen den Ehec-Erreger. "Die Aufklärung der Bevölkerung ist nicht ausreichend und muss dringend optimiert werden", sagte der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach der B.Z. am Sonntag.

Lauterbach beklagte, dass es "keine verbindliche Übersicht" gebe, wo genau in Deutschland neue Verdachtsfälle auftreten. Auch eine "zentrale Hotline" fehle, bei der sich die Bevölkerung über Verlauf und Symptome einer Erkrankung informieren könne.

Zudem forderte Lauterbach die Einrichtung eines Krisenstabs im Gesundheitsministerium. "Bislang verläuft sich die Zuständigkeit zwischen lokalen Gesundheitsämtern, Kliniken, dem Robert-Koch-Institut und der Gesundheitsbehörde", sagte Lauterbach.

Ähnlich äußerte sich auch der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann. Immer noch arbeiteten Ministerien, Bundesbehörden, Bundesländer, Kliniken und Gesundheitsämter unkoordiniert nebeneinander her, ohne dass eine klare Linie erkennbar sei, erklärte er. Die SPD habe frühzeitig die Einrichtung eines Krisenstabs im Gesundheitsministerium gefordert. Dies sei abgelehnt worden.

Die Grünen-Fraktionschefin Renate Künast sagte, den Warnungen von Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) fehle es an "Klarheit und Konsequenz". Falls Aigner Hinweise darauf habe, dass der Verzehr eines bestimmten Gemüses gefährlich sei, müsse sie auch dafür sorgen, dass es nicht in die Regale komme, sagte sie der BZ. "Es kann nicht sein, dass sie die Verantwortung für die Lebensmittelsicherheit bei den Verbrauchern ablädt."

Zahl der Infektionen steigt

Wie unterdessen bekannt wurde, wollen sich Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) und Ilse Aigner bei einem Spitzentreffen zur Ehec-Infektionswelle in der kommenden Woche mit den Ministern der Länder beraten. Genaue Zeit und Ort stehen noch nicht fest, sagte ein Sprecher des Gesundheitsministeriums.

Für einige Krankenhäuser in Norddeutschland wird der Kampf gegen das Bakterium nun zur Belastungsprobe: Bahr sagte der Bild am Sonntag, dass durch den aggressiven Darmkeim Engpässe entstanden seien. In der Krankenversorgung gebe es eine angespannte Lage. Fehlende Kapazitäten etwa in den Städten Hamburg und Bremen könnten aber durch freie Plätze in umliegenden Krankenhäusern ausgeglichen werden.

Ruf nach Schadensersatz

Wie außerdem bekannt wurde, nehmen Spanien und Deutschland Gespräche über Hilfen für spanische Bauern auf, die infolge der Ehec-Krise Verluste in Millionenhöhe erlitten hatten. Auch in der EU sind die wirtschaftlichen Folgen der Ehec-Welle für Landwirte in dieser Woche Thema.

Entscheidungen über konkrete Hilfen stehen bei den Beratungen von EU-Kommission und Vertretern der europäischen Staaten am Dienstag allerdings nicht an, sagte der Sprecher von EU-Agrarkommissar Dacian Ciolos an diesem Sonntag in Brüssel. Ein außerordentliches Treffen der EU-Agrarminister - bei dem darüber entschieden werden könnte - ist für den 17. Juni geplant, verlautete aus EU-Kreisen. Erst dann könnten die Minister mögliche Entschädigungen für europäische Obst- und Gemüsebauern absegnen.

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