Süddeutsche Zeitung

Informationspolitik zu Ehec:Die Gurkentruppe

Verbraucherschutzministerium, Gesundheitsministerium, Robert-Koch-Institut und Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung: In Deutschland mangelt es nicht an Behörden, die sich um den gefährlichen Darmkeim Ehec kümmern. Doch trotz der inzwischen 18 Todesfälle scheint niemand an die verunsicherten Bürger zu denken.

Lilith Volkert und Markus C. Schulte von Drach

Sie habe keine Angst vor Ehec, sagt die Ministerin und beißt herzhaft in eine frisch geerntete spanische Gurke. Clara Aguilera, Andalusiens Landwirtschaftsministerin, macht klar: Spanisches Gemüse ist sicher. Der Biss in die Gurke war auch eine Botschaft in Richtung Deutschland. Ilse Aigner, Ministerin für Landwirtschaft und Verbraucherschutz in Berlin, hat zum ersten Mal am 25. Mai vor Gurken, Tomaten und Salat gewarnt. Seit dem 26. Mai steht der Verdacht im Raum, dass Gurken aus Spanien die Ursache für die Hunderten mit dem Ehec-Bakterium infizierten Kranken in Deutschland sind.

Seither hat man von Ilse Aigner wenig gehört. Mal war die CSU-Politikerin in der Bild am Sonntag, mal im ZDF-Morgenmagazin, sie hat die Warnungen wiederholt und aufrechterhalten. Plakative Aktionen nach dem Vorbild der spanischen Kollegin erwartet in Deutschland wohl kaum jemand. Doch angesichts von 18 Toten, Hunderten Infizierten und Millionen verunsicherten Bürgern ist Deutschlands oberste Verbraucherschützerin erstaunlich schweigsam. Aigner wiederholt die Warnung vor Gemüse und verweist immer wieder auf den Krisenstab, der seit dem 25. Mai der Spur des Ehec-Erregers folgt.

Noch zurückhaltender ist Gesundheitsminister Daniel Bahr. Zunächst hatte sich der FDP-Politiker gegen die Einrichtung eines Krisenstabes ausgesprochen. Beim Ärztetag in Kiel zeigte er sich am Mittwoch zuversichtlich, dass die Infektion beherrschbar sein wird und erinnerte noch einmal an die Empfehlung, Gemüse nicht roh zu essen und sich regelmäßig die Hände zu waschen. Außerdem lobte Bahr den Einsatz der Mediziner: "Sie schaffen es, die Verunsicherung der Bevölkerung abzubauen."

Gesundheitsminister Bahr ist erst seit drei Wochen im Amt und musste sich seitdem schon um die pleitegegangene Krankenkasse City BKK und ihre auf der Straße stehengelassenen Versicherten kümmern. Ilse Aigner sitzt jedoch schon seit Oktober 2008 dem Verbraucherschutzministerium vor und sollte Krisenerfahrung haben. Doch schon in der Dioxin-Krise Anfang dieses Jahres wurde ihr allzu zögerliches Verhalten kritisiert.

"Offene Kommunikation ist in so einem Fall ein Muss", sagt Elvira Drobinski-Weiß, die verbraucherpolitische Sprecherin der SPD, und verweist auf die vielen verunsicherten Bürger: "Frau Aigner und Herr Bahr sollten sich jetzt hinstellen und der Bevölkerung klarmachen: Wir arbeiten mit aller Kraft daran, dass der Ehec-Erreger so bald wie möglich gefunden wird." Bisher entstehe eher der gegenteilige Eindruck.

Die Grünen lasten der Bundesregierung besonders an, die Bürger trotz der steigenden Zahl von Erkrankungen im Stich zu lassen. Hilfe der Bundesregierung etwa in Form einer zentralen Anlaufstelle suche man vergebens, kritisiert die verbraucherpolitische Sprecherin der Grünen, Nicole Maisch.

Das offenbart ein weiteres Problem des Ehec-Krisenmanagements: Verschiedene Behörden sind für Ehec zuständig, allein der Bürger weiß nicht, von wem er aktuelle und verlässliche Informationen erwarten kann. Die Verbraucher wurden zwar schnell gewarnt und umfassende Erklärungen zu Hygienemaßnahmen und allgemeinem Hintergrund einer Infektion veröffentlicht. Doch die im Internet verbreiteten Informationen über die Ausbreitung der Seuche, das Vorgehen der Fachleute und die Infektionsquelle sind nach wie vor spärlich.

Auf der Internetseite des Bundesgesundheitsministeriums beschränkt man sich auf die Ernährungsempfehlung von Minister Bahr von Ende Mai. Darüber hinaus gibt es Links auf weitere Behörden wie das Robert-Koch-Institut (RKI) und das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR). Ähnlich ist es beim Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. Dass das Bundesministerium für Gesundheit ein Bürgertelefon eingerichtet hat, erfährt man interessanterweise hier, und nicht dort.

Auch die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung beschränkt sich auf allgemeine Hygiene- und andere Empfehlungen zur Vermeidung einer Ehec-Infektion. Auf die Epidemie selbst geht man beim Bundesinstitut für Risikoforschung zwar ein, allerdings ist auch hier die aktuellste Meldung, dass die Ehec-Keime auf den spanischen Gurken nicht für den gegenwärtigen Krankheitsausbruch verantwortlich sind.

Die RKI-Seite mit "Informationen zum EHEC/HUS-Ausbruchsgeschehen" datierte bis an diesem Freitagmittag auf den 1. Juni (Mittwoch). Die Zahl der Todesopfer betrug hier noch neun, übermittelt wurden dem Bundesinstitut laut RKI 1064 Ehec-Infektionen (Stand 31. Mai). In der Zwischenzeit hat das RKI die Zahl aktualisiert. Demnach sind bereits elf Menschen gestorben, die Zahl der Ehec-Infektionen ist auf 1213 gestiegen. Dazu kommen noch 520 HUS-Fälle. Den Landesbehörden zufolge liegen die Verdachts- und Infektionsfälle allerdings bereits bei etwa 2000, die Zahl der Toten bei 18. Beim RKI erklärt man die späte Aktualisierung damit, dass die Zahlen dem Institut mit Verzögerung gemeldet würden. Damit gibt sie den Schwarzen Peter an die Länder weiter. Das macht die Situation für die Verbraucher aber nicht besser.

Am Freitagnachmittag kündigt das Institut auf seiner Seite bereits an, dass die nächste Aktualisierung für den 6. Juni vorgesehen sei.

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