Ehec-Epidemie:Auf der Feier infiziert

Die Behörden in Niedersachsen haben einen weiteren Weg entdeckt, über den sich die Ehec-Bakterien vermutlich ausgebreitet haben: über eine Catering-Firma aus dem Landkreis Kassel. Eine Verbindung zum Sprossen-Biohof wird nun geprüft.

Auf der Suche nach der Quelle der Ehec-Epidemie, die inzwischen 27 Menschen das Leben gekostet hat, haben die Fachleute eine neue Spur entdeckt.

Hospitals Struggle To Treat High Number Of EHEC Patients

Die Zahl der Ehec-Patienten wächst - aber langsamer als zuvor. In Niedersachsen und Hessen gehen die Behörden nun einer neuen Spur zum Ursprung des Erregers nach.

(Foto: Getty Images)

Wie das niedersächsische Gesundheitsministerium in Hannover meldet, gab es eine Häufung von Ehec-Fällen unter den Besuchern einer Familienfeier am 28. Mai im Landkreis Göttingen. Fünf der etwa 70 Teilnehmer aus dem gesamten Bundesgebiet befänden sich allein dort im Krankenhaus, darunter auch HUS-Patienten. Weitere Ehec-Fälle unter den Besuchern der Geburtstagsfeier sind im angrenzenden Landkreis Kassel, Hessen, aufgetreten.

Von einer Catering-Firma aus demselben Landkreis war die Festgesellschaft beliefert worden. "Klar ist, dass das, was auf dieser Familienfeier verzehrt worden ist, ursächlich für diese gehäufte Erkrankung ist", erklärt Thomas Spieker.

Ob der Caterer möglicherweise von dem als Ausgangspunkt der Epidemie in Verdacht stehenden Biohof mit Sprossen beliefert worden ist, sei noch vollkommen unklar, sagte ein Ministeriumssprecher. Um die Verbindungen zwischen den Orten, wo sich die Patienten infiziert haben, zu finden, arbeiten die Behörden in Hessen und Niedersachsen intensiv zusammen. Beteiligt sind die Gesundheitsämter in Göttingen und Kassel sowie das Hessische Landesprüfungsamt im Gesundheitswesen in Dillenburg.

Zuvor hatten die Fachleute bereits mindestens acht Restaurants und Kantinen in Deutschland identifiziert, die von dem Hof in Bienenbüttel im Kreis Uelzen beliefert worden waren. Die Experten sprechen von einer gut abgesicherten Indizienkette. Zudem waren drei im selben Bereich tätige Frauen nacheinander am 6., 11. und 12. Mai an Durchfall erkrankt. Bei einer dieser Mitarbeiterinnen habe man definitiv Ehec festgestellt, sagte ein Sprecher des Ministeriums für Ernährung und Landwirtschaft. Die teilzeitbeschäftigten Frauen hätten auch Sprossen verpackt.

Möglicherweise habe eine der Frauen, "den Erreger in den Ablauf des Betriebes eingespeist.". Dafür spreche der frühe Zeitpunkt der Erkrankungen. Sie könnten sich aber auch erst in dem Betrieb mit dem Erreger infiziert haben.

Bislang wurden in den Proben vom Gelände des Unternehmens keine Keime entdeckt. Das bedeutet jedoch nicht, dass die Bakterien nicht von dem Hof aus verteilt wurden. Möglicherweise ist die Infektionsquelle dort nicht mehr vorhanden. Zwar hatte sich nicht einmal jeder dritte Ehec-Patient, der von Mitarbeitern des Robert Koch-Instituts bisher befragt wurde, an den Verzehr von Sprossen erinnert. In der gegenwärtig laufenden dritten Fall-Kontroll-Studie des RKI wird nun aber speziell der Verzehr von Salatzutaten einschließlich Sprossen untersucht.

Die falschen Keime in den Niederlanden

Unterdessen hat sich die genaue Analyse von Hinweisen auf Ehec-Bakterien auf Gemüse bewährt. So wurden in den Niederlanden Keime auf Rote-Beete-Sprossen nachgewiesen. Wie bei den spanischen Gurken vom Hamburger Großmarkt handelt es sich jedoch offenbar nicht um den gefährlichen Typ O104:H4, der die Infektionswelle in Deutschland ausgelöst habe, erklärte das Gesundheitsministerium in Den Haag, sondern um eine andere Ehec-Form.

Dennoch habe Ministerin Edith Schippers angeordnet, das Sprossengemüse aus dem betroffenen Agrarbetrieb vom Markt zu nehmen, teilte ein Behördensprecher am späten Mittwochabend mit. Auch in Deutschland seien solche Ehec-Bakterien bereits auf Rote-Bete-Sprösslingen aus den Niederlanden gefunden worden, erklärte der Sprecher unter Berufung auf Angaben der Europäischen Union. Um welchen Hersteller es geht, wollte das Ministerium nicht mitteilen.

Experten würden weiter untersuchen, um was für eine Ehec-Form es geht und ob sie überhaupt bei Menschen zu Erkrankungen führen kann. Die zum Agrarministerium in Den Haag gehörende Behörde für Lebensmittel und Warenprüfung (VWA) hatte am 4. Juni noch erklärt, umfangreiche Untersuchungen hätten bislang keinen Hinweis darauf erbracht, dass niederländisches Gemüse mit Ehec-Bakterien befallen sei.

Mehr als 6000 Proben haben Kontrolleure in Deutschland seit dem Ausbruch der Epidemie auf Ehec hin getestet. Ständig kämen neue Proben hinzu, sagte eine Sprecherin des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL). Hauptsächlich testen die Kontrolleure Proben der unter Verdacht geratenen Lebensmittel: Gurken, Salat, Tomaten und Sprossengemüse. Aber nicht nur: "Wir prüfen die ganze Palette", erklärte Peter Schütz, Sprecher des nordrhein-westfälischen Landesamts für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV). Also auch anderes Gemüse, wie beispielsweise Rucola, Möhren, Brokkoli sowie Milchprodukte und Fleisch.

Auch Trinkwasser und Schokolade seien schon getestet worden, sagte Schütz. Im Saarland wurden beispielsweise Radieschen kontrolliert, in Baden-Württemberg Melonen, Zucchini, Erdbeeren, Spargel, Tartar und Kartoffelsalat. Schleswig-Holstein meldet Proben von Spinat und Mayonnaise, Hamburg von Kräutern und Fertigprodukten.

Nicht nur Lebensmittel untersuchen die Kontrolleure. So wurden beispielsweise in Hamburg auch Gewächshäuser, Biogasanlagen, das Wasser der Elbe und Bodenproben des Großmarkts auf Ehec hin untersucht. Im Zentrum der "Beprobungsstrategie" stünden zunächst die Haushalte von Erkrankten - also vor allem das, was noch im Kühlschrank zu finden ist, erläuterte Hamburgs Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD). Außerdem würden etwa Proben von Restaurants, Kantinen und Hotels geprüft."Wir nehmen Proben in einem Ausmaß, wie das noch nie geschehen ist in Hamburg."

Der Anteil der untersuchten Gurken, Tomaten und Blattsalate mache dabei nur etwa 40 Prozent aus. Im Hamburger Lebensmittellabor des Hygiene-Instituts werden etwa fünfmal so viele Proben untersucht wie sonst, berichtet Geschäftsführer Hans-Joachim Breetz.

Möglicherweise wird am Ende aller Bemühungen trotzdem kein befriedigendes Ergebnis stehen: Nach Angaben ders Bundesamtes für Risikobewertung (BfR) konnten in der Vergangenheit drei von vier Ehec-Ausbrüche in Deutschland nicht aufgeklärt werden. Hauptgrund ist, dass Lebensmittel, die als Überträger in Verdacht gerieten, zum Zeitpunkt der Erkrankungen und späteren Untersuchungen oft bereits restlos verbraucht waren.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: