Ehec-Darmkeim:Spanien stellt verdächtige Gurken sicher

Die Spur des Ehec-Keims führt nach Spanien. Die EU-Kommission meldete, dass dort zwei landwirtschaftliche Großbetriebe geschlossen wurden, in denen möglicherweise Salatgurken mit dem Erreger in Kontakt kamen. Die spanischen Behörden dementieren. In Deutschland sind mindestens sechs Menschen an Ehec gestorben, 1000 bestätigte oder vermutliche Fälle gibt es bereits. Und in Hamburger Kliniken werden langsam die Betten knapp.

Spanische Behörden haben nach Angaben der EU-Kommission in Brüssel vorübergehend zwei Betriebe in Málaga und Almería gesperrt, die im Verdacht stehen, Quelle des gefährlichen Ehec-Erregers zu sein. Sie sollen für die Verbreitung der mit den Keimen befallenen Gurken in Deutschland verantwortlich sein. Die spanischen Behörden dementierten nun die Schließung. Man habe in den Betrieben lediglich gewisse Mengen an Gurken sichergestellt, die möglicherweise mit den Ehec-Infektionen in Deutschland in Verbindung gebracht werden können.

Zahl der EHEC-Infektionen in Hamburg nimmt zu

Die Zahl der Ehec-Infizierten ist innerhalb von Wochen auf einen Stand angestiegen, der sonst innerhalb eines Jahres erreicht wird.

(Foto: dpa)

Die Namen der Betriebe nannte die Kommission allerdings nicht. Boden-, Wasser und Produktproben seien genommen worden und würden nun untersucht. Experten des Hamburger Hygiene-Instituts hatten drei mit den Bakterien verunreinigte Gurken zu zwei Unternehmen in den spanischen Provinzen Málaga und Almería zurückverfolgt.

Die Ehec-Erkrankungswelle in Deutschland hat sich am Freitag ausgeweitet und für einen ersten Engpass in Hamburger Kliniken gesorgt. "Es ist offensichtlich, dass wir auf Versorgungskapazitäten in anderen Bundesländern, wie zum Beispiel in Hannover, zurückgreifen müssen, um die Versorgung von Neufällen auch am Wochenende zu gewährleisten", sagte Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks.

Das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf verlegte bereits am Donnerstag fünf Patienten nach Hannover, sagte Vorstandschef Jörg F. Debatin. "Es handelt sich dabei aber eher um leicht erkrankte Patienten." "Die Anzahl der Patienten macht uns nicht nervös", erklärte Debatin, "uns macht nur nervös die Anzahl der sehr schwer kranken Patienten, die dialysiert werden müssen."

In den Hamburger Asklepios Kliniken dagegen sind die Kapazitäten fast ausgereizt, wie Sprecher Rudi Schmidt sagte: "Wir können keine neuen Patienten aus anderen Kliniken mehr aufnehmen." Nur noch schwere Fälle würden angenommen.

MIttlerweile gibt es bundesweit 1000 bestätigte und Verdachtsfälle - die meisten davon in Norddeutschland. 276 Fälle mit lebensgefährlichem Verlaufs wurden dem RKI bislang insgesamt gemeldet. Fünf Patienten sind nach der Infektion gestorben, ein sechster Todesfall wird mit Ehec in Verbindung gebracht. Die Zahl der Infizierten ist innerhalb von Wochen auf einen Stand angestiegen, der sonst innerhalb eines Jahres erreicht wird.

Auch außerhalb Deutschlands wächst die Zahl der Ehec-Patienten. So wurden in Schweden und Dänemark 32 Ehec-Fälle nachgewiesen, in Großbritannien drei und in den Niederlanden eine. Die Betroffenen haben sich offenbar in Deutschland infiziert.

Das Hamburger Hygiene-Institut hat unterdessen auch erste Hinweise auf die Herkunft der vierten Ehec-Gurke vom Hamburger Großmarkt: Demnach könnte das Gemüse aus den Niederlanden stammen. Auch in Dänemark wurden inzwischen in zwei Supermärkten Gurken aus Spanien mit den Ehec-Bakterien entdeckt.

Noch ist völlig unklar, wie die Gurken kontaminiert wurden. Auch könnte es sein, dass die neue Spur nicht in den Niederlanden endet, sondern etwa nach Spanien weiterführt. Zudem hat die niederländische Behörde für Warenprüfung (VWA) inzwischen erklärt, die Hinweise "gehen möglicherweise darauf zurück, dass einer der betroffenen Gemüsebauern in Spanien, von wo wohl infizierte Gurken nach Deutschland geliefert wurden, Niederländer ist", sagte die Sprecherin der Behörde, Marian Bestelink. Ob es sich bei den Bakterien um denselben Stamm handelt, ist ebenfalls noch ungewiss.

Die Behörden zur Lebensmittelüberwachung arbeiteten nun mit Hochdruck daran, per Lieferlisten den Weg der Ware zurückzuverfolgen. Ziel ist es, herauszufinden, wo die Wege des Gemüses vom Hamburger Großmarkt sich überschnitten haben. Die Erreger könnten bereits in Spanien, auf dem Transportweg oder erst am Zielort in Deutschland auf die Gurken gelangt sein.

Auch das spanische Gesundheitsministerium in Madrid, das aufgrund der Hamburger Ergebnisse eine eigene Untersuchung eingeleitet hat, wollte nicht ausschließen, dass die Gurken bei der Handhabe und Verarbeitung in Deutschland verunreinigt worden seien.

Die Bauern sind wütend

Theoretisch denkbar ist etwa die Möglichkeit, "dass irgendwo die Gurken noch mal gewaschen worden sind, bevor sie verpackt beziehungsweise auf die Reise gegeben worden sind, und dass da eine Kontamination stattgefunden hat", erklärte Martin Müller, Vorsitzender des Bundesverbands der Lebensmittelkontrolleure. Dies könnte auch in Deutschland passiert sein.

Diese Möglichkeit ist jedenfalls wahrscheinlicher, als dass Gurken auf dem Hamburger Großmarkt auf den Boden gefallen und dort die Bakterien aufgenommen haben. Einer der spanischen Produzenten hatte berichtet, dass eine Palette mit seinen Gurken dort umgestürzt sei und dies als mögliche Ursache der Verunreinigung ins Gespräch gebracht. "So was kann passieren", kommentierte Müller, "aber da müsste ein ganzer Lkw und noch mehr auf den Boden gefallen sein. Bei der Häufigkeit, die wir jetzt haben, erscheint mir das eher unwahrscheinlich.

Solange der eigentliche Ursprung der Kontamination nicht geklärt ist, empfehlen die Experten des RKI und des Bundesamtes für Risikobewertung, auf den Verzehr von rohen Tomaten, Salatgurken und Blattsalat insbesondere in Norddeutschland zu verzichten. Denn "es ist nicht auszuschließen, dass auch andere Lebensmittel als Infektionsquelle in Frage kommen", erklärte Hamburgs Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks.

Wegen der Angst vor frischem Gemüse haben die deutschen Bauern Umsatz-Einbrüche in Millionenhöhe. "Wenn die Kaufzurückhaltung so weitergeht, wird der Schaden noch höher werden als zwei Millionen Euro pro Tag", sagte der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Gerd Sonnleitner. Einzelne Betriebe könnten in Existenznot geraten. Scharfe Kritik übte er in der Berliner Zeitung am Robert-Koch-Institut: Dessen Empfehlung, kein Gemüse aus Norddeutschland zu kaufen, sei für die Verkäufe der Bauern verheerend gewesen.

Die Gemüsebauern im Norden blieben nach der Warnung des Robert-Koch-Instituts auf ihren Salatköpfen, Tomaten und Gurken sitzen und mussten tonnenweise Gemüse wegwerfen - kaum jemand mag es noch kaufen. Der Gartenbauverband Nord und der Bauernverband Hamburg wollen das RKI und das Bundesverbraucherschutzministerium nun auf Schadensersatz verklagen.

"Allein in Niedersachsen haben fünf Großabnehmer im Einzelhandel ihre Gemüsebestellungen storniert", sagte Boese."Die Bauern trifft es enorm hart, wenn die Verbraucher für einige Tage auf das frische Gemüse verzichten", sagte Johannes Funke vom Bauernverband in Berlin. Einige Landwirte ließen das Gemüse bereits auf den Feldern und pflügten es unter, sagte Boese.

Im gesamten Norden seien derzeit mehr als 1000 Betriebe von den Auswirkungen der RKI-Warnung betroffen, kritisierte der Geschäftsführer des Gartenbauverbandes Nord, Paul Helle. Diese Zahl könne jedoch noch weiter ansteigen. "Von der Schwere des Schadens ist die Situation durchaus mit dem Schaden vergleichbar, der vor 25 Jahren durch die Katastrophe von Tschernobyl entstand", sagte Helle.

Boese fordert nun ein klares Statement von der Politik: "Es muss gesagt werden, dass deutsches Gemüse keimfrei ist."

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