Ebola in Afrika:Attacke aus dem Nichts

In Uganda ist ein Mädchen an Ebola gestorben - und noch immer ist es ein Rätsel, wo sich der tödliche Angreifer versteckt. Während die Ärzte nach ihm fahnden, betreuen sie Menschen, die sich vielleicht auch angesteckt haben.

Arne Perras

Wenigstens einer, der auch mal lacht. Nicholas Eseko ist ein fröhlicher Mensch, er witzelt gerne. Vielleicht ist das seine Art, all die düsteren Gedanken zu vertreiben, die sich hier eingenistet haben. Seit langem kämpft der Arzt schon gegen den Schrecken an - und das nicht nur mit seiner Herzlichkeit, die auf manche ansteckend wirkt.

RNPS PICTURES OF THE YEAR 2007

Jeder Ausbruch von Ebola stellt die Länder Ost- und Zentralafrikas vor gewaltige Probleme. Die Erkrankten müssen - wie hier 2007 im Kongo - behandelt und gleichzeitig isoliert werden. Darum trägt das Pflegepersonal von der Organisation "Ärzte ohne Grenzen" Schutzkleidung.

(Foto: Reuters)

Doktor Eseko ist Epidemiologe. Der Mann aus Tansania reist in die Orte, aus denen andere am liebsten fliehen. Dieses Mal ist es Bombo, ein kleines Nest im ostafrikanischen Staat Uganda, fruchtbar und grün. Alles wächst und blüht hier auf den Feldern, darüber können sich die Bauern der Gegend freuen. Dennoch sitzt ihnen der Schock im Nacken. Es hat einen heimtückischen Überfall gegeben. Gespensterhaft und tödlich. Nun beten alle, dass es bald vorbei ist.

Wer der Gefahr von Bombo nachspürt, betritt eine Welt, die manchmal an einen anderen Stern erinnert. Hinter dem Hospital geht es den Hügel hinauf. Aus der Ferne, über den Zaun hinweg, kann man dort Gestalten in weißen Anzügen sehen, die wie Astronauten einen verbotenen Planeten betreten. Das ist die Isolierstation von Bombo. Hier landen all jene Menschen, die verdächtige Symptome zeigen. Sie ist völlig abgeschirmt. Aber eine Ärztin wird später davon erzählen, wie es ist, wenn man, wie ein Astronaut verpackt, das Innere dieser Station betritt.

Wo sich indes der tödliche Angreifer versteckt, nach dem nun alle fahnden, ist immer noch ein Rätsel. Wem sollen die Wissenschaftler hinterher jagen? Den Affen, den Fledermäusen oder irgendeinem anderen Säuger, der sich draußen zwischen den Feldern und Wäldern versteckt? Es ist, als wäre diese Attacke aus dem Nichts gekommen. "Aber natürlich muss das Virus irgendwo stecken, um den Menschen zu packen", sagt Doktor Eseko. "Wir wissen nur nicht wo."

Der tödliche Feind heißt Ebola. Es gibt keine Impfung, man kann die Krankheit auch nicht heilen. Wer einmal infiziert ist, hat wenig Chancen zu überleben - anstecken kann man sich an Körperflüssigkeiten und bei engem Kontakt mit Infizierten. Das Virus ist benannt nach einem Fluss im Kongo, wo der erste Ausbruch bekannt wurde. Man weiß inzwischen zwar recht gut, was der Erreger im Körper anrichtet. Aber wie er auf den Menschen überspringt, ist noch nicht er-forscht. Die Wissenschaftler suchen seit Jahren nach dem so genannten "Reservoir". Einem Tier, mit dem das Virus in Frieden lebt, von dem es auf seine Opfer springt. Und finden es nicht. Das macht das hämorrhagische Fieber, das zu den gefährlichsten Krankheiten der Welt zählt, besonders unheimlich.

Zum dritten Mal sucht nun schon das tödliche Virus die Menschen in Uganda heim. Es hat Epidemien in den Jahren 2000 und 2007 gegeben, Hunderte Menschen starben. Doch noch nie ist ein Ausbruch so nahe an die Hauptstadt Kampala herangerückt. Nur vierzig Kilometer am Victoriasee entfernt liegt die Metropole, in der sich mehr als zwei Millionen Menschen drängen.

Schutzanzüge kennen die wenigsten

Einerseits klingt das alles sehr bedrohlich. Andererseits ist der Verlauf des jüngsten Ausbruchs ungewöhnlich. Ein Mädchen ist an Ebola gestorben, weitere Opfer gibt es bislang nicht. Mehrere Verdachtsfälle erwiesen sich als Fehlalarm. Dennoch kann niemand absehen, was die nächsten Tage bringen werden. Am Donnerstag wurden zwei Kinder mit verdächtigen Symptome in die Isolierstation eingeliefert. Entwarnung dürfen die Gesundheitsbehörden erst Mitte Juni geben, wenn 42 Tage nach dem Tod des ersten Opfers kein weiterer Fall aufgetreten ist. Das ist die doppelte Inkubationszeit. Bis dahin werden viele in Bombo weiter beten, dass ihnen das Schicksal des zwölfjährigen Mädchens erspart bleibt.

A laboratory specialist examines specimens of the Ebola virus at the Uganda virus research centre in Entebbe

Im Viren-Forschungszentrum in Entebbe, Uganda, werden die Ebola-Erreger untersucht.

(Foto: REUTERS)

Anfangs hatte das Kind aus dem Dorf Ngalonkalu nur Kopfweh, berichtet Charles Okot von der Weltgesundheitsorganisation WHO in Kampala. In einer kleinen Klinik bekommt das Mädchen an diesem Tag, es ist der 1. Mai, ein Schmerzmittel. Am zweiten Tag liegt das Mädchen im Fieber, sie geben ihr ein Medikament gegen Malaria. Drei Tage lang wird sie so behandelt, dann muss sie erbrechen. Es geht ihr schlechter, und am fünften Tag beginnt ihre Nase zu bluten. In der kleinen Dorfklinik bekommen sie das nicht in den Griff, deshalb will der Vater das Kind ins Militärhospital von Bombo verlegen lassen. Am sechsten Tag spuckt sie roten Auswurf, wenig später beginnt sie aus allen Öffnungen zu bluten. So kommt sie nach Bombo. Am Abend ist sie tot.

Die Symptome des Mädchens alarmieren die Ärzte, sie nehmen eine Blutprobe. Es gibt nur wenige hoch spezialisierte Labore, die so etwas testen können, eines davon liegt ganz in der Nähe, im ugandischen Entebbe. Es wird von der amerikanischen Gesundheitsbehörde Centers for Disease Control (CDC) in Atlanta unterstützt. Das Ergebnis lautet Ebola. Die Spezialisten identifizieren die sudanesische Variante, bei der etwa die Hälfte aller Erkrankten stirbt. Es gibt andere Formen von Ebola, bei denen das Virus neun von zehn Patienten tötet.

Nun läuft der Krieg gegen Ebola an, eine National Task Force koordiniert in Uganda den Kampf gegen das Virus, der an vielen Fronten ausgefochten wird. Menschen, die mit dem Mädchen Kontakt hatten, müssen gefunden, isoliert und überwacht werden. Spezialisten bauen eine Station für verdächtige Fälle und Ebola-Kranke auf, dafür muss die Armee ihren Exerzierplatz auf dem Hügel von Bombo räumen. Und täglich schwärmen Männer wie Eseko aus, um dabei zu helfen, dass Ebola sich nicht zur Katastrophe auswächst. An diesem Tag berät er die lokalen Behörden. Seine Kollegin Folasade Ogunsola ist aus Nigeria eingeflogen, die Professorin aus Lagos schult Schwestern und Pflegern von Bombo, wie man mit Ebola-Patienten umgehen muss, um nicht selbst zu sterben.

Das ist leider in Uganda schon öfter geschehen, deshalb ist die Stimmung im Saal des Hospitals gedrückt. Die Angst ist zu spüren. Die wenigsten haben zuvor Schutzanzüge gegen Ebola gesehen. Den ganzen Nachmittag müssen sie üben, wie man das richtig an- und auszieht.

Andere Experten-Teams schwärmen aus, um die Quelle für das Ebola-Virus zu erkunden. Im Dorf des Mädchens haben sie Fledermäuse geschossen und Affenkot eingesammelt. Aber nirgendwo ist bislang ein Hinweis auf das Ebola-Virus zu finden. Wie es das Mädchen bekommen hat, bleibt also ein Rätsel. Ihr kleiner Bruder, der seiner Schwester fast nie von der Seite gewichen ist, hat kein Ebola bekommen. Sie gingen oft gemeinsam aufs Feld oder in den Wald. Dass das Mädchen irgendein totes Tier angefasst haben könnte, daran erinnert sich der Junge nicht.

Der kleine Bruder hatte Glück, von anderen Menschen weiß man es nicht genau. Es ist ein Dienstag, als sich die ugandische Ärztin Anne Atai darauf vorbereitet, diese Patienten in der Isolierstation zu untersuchen. Sie sind wegen verdächtiger Symptome eingewiesen worden und müssen auf ihre Testergebnisse warten. "Das ist für jeden Menschen eine unglaubliche Belastung", sagt die Ärztin. Aber auch für die Mediziner, die in die Isolierstation hineingehen, ist es eine Ausnahmesituation. Ruhe und Konzentration sind das Wichtigste, was sie mitbringen müssen. Wer gestresst ist, darf gar nicht hinein. Und man geht am besten zu zweit, um sich helfen zu können.

Ebola in der Millionenstadt Kampala wäre eine Katastrophe

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Ebola-Viren sind eng mit dem tödlichen Marburg-Virus verwandt.

(Foto: dpa)

Doktor Atai und ihr Begleiter steigen in einem Vorraum in ihre Schutzanzüge, der ganze Körper muss eingepackt werden, Gummistiefel, Haube, Schutzbrille und zwei Paar Gummihandschuhe. Noch wichtiger ist es, den Anzug hinterher auch wieder richtig auszuziehen, dabei werden sie von einem Kollegen ständig mit Desinfektionslösung besprüht, damit kein Erreger mit hinaus getragen wird.

Und drinnen? "Die Patienten sind sehr depressiv gewesen", sagt die Ärztin. "Man kann ihnen ja nicht auf die Schulter klopfen und sagen: Wird schon wieder." Die Ärztin muss Abstand halten zu den Kranken, sie spricht durch ihre Maske, der Patient sieht ihr Gesicht nicht. Es könnte genauso gut ein Mondmensch vor dem Bett stehen. "Das ist für jeden eine schreckliche Erfahrung", sagt Atai.

Und wenn die Ärztin ehrlich ist, dann sitzt ihr auch ein Hauch von Angst im Nacken. "Was, wenn ich mir die Schutzkleidung an einem Metallstück aufreiße? Was, wenn einer der Patienten plötzlich durchdreht und mir vielleicht die Brille herunterreißt?" Solche Gedanken lassen sich nicht ganz verdrängen, auch wenn in der Isolierstation alles getan wird, um solche Komplikationen zu vermeiden.

Für die Patienten, die Doktor Atai untersucht hat, gibt es wenige Tage später ein erstes Testergebnis: Ebola negativ. Aber um sicher zu sein, muss nun noch ein zweiten Test gemacht werden.

Es dämmert schon, als das WHO-Team mit Doktor Eseko und Professor Ogunsola nach Kampala zurückkehrt. Durch die Armenviertel kriecht das Auto im Abendverkehr vorwärts, überall wuseln Menschen kreuz und quer. "Stellen sie sich vor, hier bricht einmal Ebola aus", sagt Ogunsola, "ein Alptraum." Aber sie will den gruseligen Gedanken gar nicht weiter vertiefen. "Ebola weckt so viele Ängste." Und sieht es in diesem Fall nicht auch ganz gut aus? Wenn in den nächsten Tagen keine neuen Verdachtsfälle mehr auftreten, könnte Uganda mit einem Todesfall und viel Schrecken davon gekommen sein - bis zur nächsten Attacke, die vermutlich wieder wie aus dem Nichts über das Land hereinbricht.

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