Süddeutsche Zeitung

Düsseldorf:Todesfall nach Stammzell-Therapie

Ein eineinhalbjähriger Junge starb, nachdem ihm eine Ärztin Stammzellen ins Gehirn spritzte. Jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft.

Christina Berndt

Der Vorwurf richtet sich derzeit nur gegen eine Ärztin. Die Stammzellklinik "XCell-Center", an der die Medizinerin arbeitete, darf so lange weiter Hoffnung auf Heilung gegen viel Geld und mit hohem Risiko verkaufen. "Wir haben Ermittlungen ausschließlich gegen die behandelnde Ärztin aufgenommen", betont der Düsseldorfer Staatsanwalt Christoph Kumpa.

Es werde untersucht, ob die Medizinerin sich etwas hat zuschulden kommen lassen, als sie im August einem 18 Monate alten rumänischen Jungen Stammzellen aus dessen Knochenmark ins Gehirn spritzte. Bei dem Jungen traten akut starke Blutungen auf, wie dies im April schon bei einem zehnjährigen Patienten geschehen war. Während dieser knapp überlebte, starb der Eineinhalbjährige.

Trotz dieser und weiterer Zwischenfälle sind solche Eingriffe nicht verboten. "Die Firma verzichtet seit 18 Tagen freiwillig", sagt ein Sprecher des Gesundheitsministeriums in Nordrhein-Westfalen. Ein Verbot kann dagegen erst am Ende eines langwierigen juristischen Verfahrens stehen. Grundlage dafür könnte ein Gutachten des zuständigen Paul-Ehrlich-Instituts vom 14. Oktober sein. Darin heißt es: Die Injektion der Stammzellen ins Gehirn habe selbst "bei bestimmungsgemäßem Gebrauch schädliche Wirkungen, die über ein vertretbares Maß erheblich hinausgehen".

Voller Hoffnung kommen Patienten aus aller Welt nach Düsseldorf und bezahlen rund 20.000 Euro für eine Stammzellbehandlung. Dabei haben Fachgesellschaften in Stellungnahmen längst dargelegt, dass die im XCell-Center angewendeten Methoden nicht aussichtsreich, dafür aber gefährlich seien. Auch 13 Professoren vom Kompetenznetz Stammzellforschung warnten. Sie hoffen zwar selbst auf künftige Stammzell-Therapien, von der Praxistauglichkeit seien diese aber zumeist noch weit entfernt.

Scharlatanerie ist in der Medizin leider allzu leicht möglich: Solange kein explizites Verbot gilt, dürfen Ärzte allerlei erproben, indem sie es als "individuelle Heilversuche" deklarieren. Einzige Voraussetzung: Sie müssen die Zustimmung des Patienten einholen und diesen über mögliche Risiken und die Neuartigkeit der Behandlung aufklären.

Das XCell-Center besitzt sogar eigens eine Erlaubnis der Bezirksregierung Köln, Stammzellen aus dem Knochenmark der Patienten zu entnehmen und aufzubereiten. Für die gefährliche Behandlung selbst ist ohnehin keine Erlaubnis nötig. Das Arzneimittelgesetz sieht ausgerechnet eine Sonderregelung für Präparate vor, die Zellen enthalten und für den Spender der Zellen selbst genutzt werden.

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Quelle:
SZ vom 26.10.2010/jab
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