Doku "Unsere Ozeane":Wilde Anmut - schwülstige Appelle

Unterhalb des Meeresspiegels leben archaisch wirkende Kreaturen. Der Film "Unsere Ozeane" gibt Einblick in diese Welt. Eine Rezension in Bildern.

Barbara Galaktionow

11 Bilder

Unsere Ozeane, Universumfilm / Hideki Abe

Quelle: SZ

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Zwei Drittel der Erdoberfläche sind von Wasser bedeckt. In den Ozeanen leben Schätzungen zufolge etwa zehn Millionen verschiedene Spezies - Fische, Säugetiere, Korallen oder wirbellose Weichtiere wie dieser Löcherkrake (Tremoctopus violaceus). Und ständig werden neue Arten entdeckt. Der Mensch ist gerade erst dabei, die Vielfalt zu erforschen, die unterhalb der Meeresoberfläche lebt. Der Dokumentarfilm Unsere Ozeane verschafft nun einen faszinierenden Einblick in diese verborgene Welt.

Foto: Universumfilm / Hideki Abe

Unsere Ozeane, Universumfilm / Pascal Kobeh

Quelle: SZ

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"Ozean? Was ist das - ein Ozean?" fragt ein Junge zu Anfang der Dokumentation. Und die Antwort, die er und die Zuschauer in den folgenden 100 Minuten erhalten, ist bemerkenswert. Denn sie vermittelt einen Eindruck von der Macht, Vielfalt und Ursprünglichkeit dieses Lebensraumes. Vier Jahre lang folgten die Regisseure Jacques Perrin und Jacques Cluzaud mit einem Team von Tauchern, Technikern und Wissenschaftlern den Wegen zahlreicher Meerestiere. Sie fingen ein, wie ein Seestern auf dem Meeresgrund entlangspaziert, ein als Stein getarnter Fisch seine Beute überlistet oder eine Meerechse (Amblyrhynchus cristatus) nahe der Galápagosinseln sich mit ihrem Schwanz durch die Fluten navigiert.

Foto: Universumfilm / Pascal Kobeh

Unsere Ozeane, Universumfilm / Pascal Kobeh

Quelle: SZ

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Erst die Entwicklung neuer Kameratechniken erlaubte es dem Filmteam dabei, "jene flüchtigen Momente einzufangen", in denen sich die "wilde Anmut" der Meeresbewohner offenbart, wie Regisseur Perrin sagt, der bereits 2001 zusammen mit seinem Kompagnon Cluzaud mit seiner Zugvögeldoku Nomaden der Lüfte einen Publikumserfolg landete. So verfolgen die Kameras, wie Delphine mit unglaublicher Geschwindigkeit bei einem Raubzug durch die Fluten jagen oder die Säuger scheinbar lustvoll durch die Luft wirbeln. Seevögel stürzen sich wie Raketen vom Himmel auf ihre Opfer, unter der Wasseroberfläche schwimmende Fische. Tonnenschwere Wale scheinen schwerelos zu tanzen.

Foto: Universumfilm / Pascal Kobeh

Unsere Ozeane, Universumfilm

Quelle: SZ

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Makrelen und andere kleinere Fische schwimmen in lose wirkenden Verbänden - nur um sich dann, beim ersten Anzeichen von Gefahr, plötzlich zu einer massiv und bedrohlich wirkenden Kugel zu formieren.

Foto: Universumfilm

Unsere Ozeane, Universumfilm / Pascal Kobeh

Quelle: SZ

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Doch nicht nur die Bewegung, das Fließende des Meeres und das Schwerelose seiner Bewohner, wird kunstvoll eingefangen, auch die Nähe zu den beobachteten Tieren ist oft bemerkenswert. So findet sich der Zuschauer plötzlich Auge in Auge mit einem Einsiedlerkrebs wieder. Oder er kann beobachten, wie ein kleiner Putzerfisch bei einem größeren Mundpflege betreibt - eine erstaunliche Allianz.

Foto: Universumfilm / Pascal Kobeh

Unsere Ozeane, Universumfilm / Pascal Kobeh

Quelle: SZ

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Doch es sind nicht allein die Bilder, die dem Zuschauer das Leben unter Wasser näher bringen, sondern auch die Geräusche. Über, aber auch unter Wasser herrscht keineswegs Stille, sondern es blubbert und tost, es klickert und rauscht; das friedliche Mampfen einer "grasenden" Seekuh - hier ein Dugong - ist zu hören; schaurig hingegen klingen die knackenden Geräusche der Scheren und des brechenden Panzers, als eine Languste umständlich einen Krebs verspeist.

Foto: Universumfilm / Pascal Kobeh

Unsere Ozeane, Universumfilm

Quelle: SZ

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Das Filmteam drehte an insgesamt 54 Orten rund um den Globus. Dabei kamen ihm äußerst bizarr wirkende Tiere vor die Linse - wie dieser scheinbar nur aus Gerippe und Hautfetzen bestehende Große Fetzenfisch (Phycodurus eques) vor der Südküste Australiens.

Foto: Universumfilm

Unsere Ozeane, Universumfilm

Quelle: SZ

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Auch dieser archaisch wirkende, stolze 20 Jahre alte Zahnlippfisch - ein Semicossyphus reticulatus - tauchte plötzlich aus dem Dunkel des Ozeans auf. Viele der Meeresbewohner und ihr Verhalten wirken seltsam und fremdartig - und sehr beeindruckend. Ein Effekt, der erwünscht ist. Denn erklärt wird in dieser Dokumentation nichts. Schreien die Robben an Land nach ihren vom Hai getöteten Artgenossen - oder kennen sie solch ein Gefühl von Verlust gar nicht? Was steckt hinter den zwei Krebshorden, die sich gleich römischen Legionären in einer Monumentalfilm-Schlacht aufeinanderzubewegen - Rivalität oder Massenpaarung? Der Zuschauer erfährt es nicht.

Foto: Universumfilm

Unsere Ozeane, Universumfilm / Roberto Rinaldi

Quelle: SZ

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Der eher spärlich eingesetzte Sprecher-Text von Unsere Ozeane setzt mehr auf emotionale als auf kognitive Anbindung. Vom "Königreich der Nacht" ist da die Rede, den "geheimen Tiefen" oder "Mysterien", dem "Anfang der Zeit" und dem "Ende der Welt". Ähnlich pathetisch auch die Filmmusik von Bruno Coulais, die in ihrer sinfonischen Wucht die aussagekräftigen Bilder in gelegentlich fast schon unerträglicher Weise steigert. Manche Verhaltensweisen der Meeresbewohner bedürfen allerdings weder einer Erklärung noch einer emotionalen Verstärkung, sind sie dem Menschen doch in ihrer zarten Gestik anrührend vertraut, so wie diese Buckelwalmutter, die ihr Junges fürsorglich mit ihren Flossen umspielt.

Foto: Universumfilm / Roberto Rinaldi

Unsere Ozeane, Universum / Pascal Kobeh

Quelle: SZ

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Der Lebensraum Ozean erscheint bei Perrin/Cluzaud wild und ursprünglich, zwar manchmal grausamen Gesetzen folgend, doch wie ein sich selbst reproduzierendes Kontinuum - bis der Mensch darin einbricht. Denn nach dem Einblick in die scheinbar unberührte Unterwasserwelt - in der auch diese Seelöwen noch zu leben scheinen - konfrontieren die Filmemacher den Zuschauer mit den vernichtenden Folgen menschlichen Wirkens: mit Bergen von Plastikmüll im Meer, einem Schwertfisch, der in einem Fischernetz festhängt, oder einer Robbe, die - ohne irritiert zu sein - neben einem Einkaufswagen liegt.

Foto: Universumfilm / Pascal Kobeh

Unsere Ozeane, Universumfilm / Richard Hermann

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Anstatt diese Bilder der Zerstörung jedoch auch einfach für sich selbst sprechen zu lassen, haben die Regisseure ihrer Forderung nach einem behutsamen Umgang mit der Natur hier einen etwas überdeutlichen Ausdruck verliehen: So stehen gegen Ende des Films Jacques Perrin und sein jüngster Sohn Lancelot in einer Trickfilmaufnahme auf einem Steg im Weltall und blicken auf die Erde. Die Welt gehört nicht uns, wir müssen sie teilen, lautet ihre Botschaft. Überzeugender als solche kitschig inszenierten Appelle sind da doch reale Aufnahmen einer respektvollen Annäherung an die Meeresbewohner wie die eines Forschers zwischen Pazifischen Kompassquallen (Chrysaora fuscescens). Denn Pathetik und Schwulst hat die insgesamt sehr faszinierende Ozean-Dokumentation eigentlich nicht nötig.

Foto: Universumfilm / Richard Hermann Text: sueddeutsche.de/joku/bgr

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