Chancengleichheit:In der Forschung gibt es noch immer zu wenig Diversität

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Es ist im Sinne der Wissenschaft, dass möglichst viele verschiedene Menschen mit möglichst verschiedenen Profilen Phänomene betrachten. (Foto: imago images / Westend61)

Vielfalt ist der Motor der Wissenschaft. Umso wichtiger ist es, die bestehenden Ungleichheiten im Forschungsbetrieb klar zu benennen.

Kommentar von Felix Hütten

Wissenschaft lebt vom Blickwinkel des Betrachters, oder genauer: des Betrachters oder der Betrachterin. Der gewöhnliche Ablauf der Forschung funktioniert ja so: Irgendwer identifiziert ein Phänomen; Forscherinnen und Forscher entwickeln dazu eine Hypothese, die es erklären könnte. Dann wird untersucht, ob diese Hypothese zutrifft - oder eben nicht.

Und hier kommt der Blickwinkel ins Spiel, denn die Frage, welches Phänomen sich zu untersuchen lohnt, hängt mitunter auch von der persönlichen Biografie und Herkunft eines Menschen ab. Und deshalb ist es im Sinne der Wissenschaft, dass möglichst viele verschiedene Menschen mit möglichst verschiedenen Profilen Phänomene beobachten und erklären möchten. Es ist ein wichtiger Motor des Erkenntnisgewinns.

Seit Jahren aber warnen Wissenschaftsverbände, dass der Forschungsbetrieb weltweit und auch in Deutschland seinen Motor nicht besonders pfleglich behandelt. Die Deutsche Forschungsmeinschaft (DFG) hat erst von wenigen Tagen erneut auf die "Bedeutung von Geschlecht und Vielfältigkeit für Forschungsvorhaben" hingewiesen. DFG-Präsidentin Katja Becker sagt, es sei ihr ein Anliegen, "die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zur Reflexion der Dimensionen Geschlecht und Vielfältigkeit für ihre Forschungsarbeit anzuhalten". Später ist noch mal von "Geschlechter- und Vielfältigkeitsdimensionen" die Rede. Aha.

Nach wie vor die allermeisten Universitätsinstitute von Männern geführt

Es ist richtig und wichtig, den Finger immer wieder in die Wunde zu legen. Wer aber über dieses Thema spricht, als sei es ein Teil hochkomplexer Raketenforschung, schießt doch exakt am Ziel vorbei. Der Wissenschafts-Betrieb sollte eben kein elitärer Club sein, vor dem grimmige Türsteher wachen und nur hereinlassen, wer die richtigen Sprachcodes drauf hat.

Dabei ist es doch eigentlich gar nicht so schwer, die Probleme beim Namen zu nennen: Trotz vieler Fortschritte und Förderprogramme werden nach wie vor die allermeisten Universitätsinstitute von Männern geführt. Spitzenforschung und Familiengründung ist für junge Menschen immer noch ein Widerspruch; ganz zu schweigen vom Zugang zu Abitur, Studium und Promotion für Kinder aus ärmeren Haushalten.

© SZ vom 06.06.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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