Süddeutsche Zeitung

Dinosaurier:T. rex, der Onkel des Huhns

US-Forscher haben mit Hilfe von Dino-Gewebe die Verwandtschaft zwischen dem Tyrannosaurus rex und noch lebenden Tierarten überprüft. Demnach waren die räuberischen Riesen enger mit Hühnern verwandt als mit Reptilien.

Markus C. Schulte von Drach

Was haben ein Tyrannosaurus rex und ein Huhn gemeinsam? Eingeweihte haben sofort einen Verdacht - und sie sind auf dem richtigen Weg.

Der "König der Schreckensechsen", eines der größten Landraubtiere, die auf unserem Planeten gelebt haben, und der Vogel, dem wir unser Frühstücksei verdanken, sind nahe Verwandte.

Und nicht nur das: Wie Wissenschaftler der North Carolina State University in Raleigh, der Harvard University in Cambridge, Massachusetts, und anderer Institutionen jetzt berichten, ist der Tyrannosaurus sogar enger verwandt mit Hühnern und Straußen als mit allen anderen heute noch lebenden Arten.

"Diese Ergebnisse passen zu den bisherigen Schlüssen aus den Bauplänen der Skelette", erklärte Chris Organ von der Harvard University. "Es ist der erste Hinweis auf die Verwandtschaftsverhältnisse eines Dinosauriers auf molekularer Ebene."

Mehr Vogel als Alligator

Obwohl den Forschern nur sechs Peptide (kleine Proteine) mit insgesamt 89 Aminosäuren aus dem fossilen Knochen eines T. rex zur Verfügung standen, konnten sie die Beziehung zwischen den Arten sehr genau bestimmen.

Selbst Alligatoren und Eidechsen wie der Rotkehlanolis (Anolis carolinensis, auch Amerikanisches Chamäleon genannt) sind demnach nicht so eng verwandt mit den Dinosauriern wie die Vögel, berichten die Wissenschaftler in Science (Vol. 320, S. 499, 2008).

"Mit mehr Daten würden wir den Tyrannosaurus vermutlich im Stammbaum zwischen Alligatoren einerseits und Hühnern und Straußen andererseits sehen", sagte Organ.

Die Wissenschaftler hatten die Kollagenproteine aus einem Tyrannosaurus-Knochen mit den entsprechenden Proteinen von 21 anderen Arten verglichen, darunter Vögel, Frösche und Reptilien, aber auch Säugetiere wie Mäuse, Schimpansen und Menschen.

Die Analyse war nur durch einen glücklichen Zufall möglich geworden. 2003 hatten Paläontologen um Mary Higby Schweitzer von der North Carolina State University in den Badlands im östlichen Montana die 68 Millionen Jahre alten Überreste eines T. rex entdeckt.

Zersägter Knochen

Da der fossile Oberschenkel des Tieres zu groß war für den Transporthubschrauber, sägten die Wissenschaftler den Knochen kurzerhand durch. Dabei stießen die Paläontologen auf eine Sensation. Im Inneren befanden sich noch Reste von Blutgefäßen, die auf unbekannte Weise dem Versteinerungsprozess entgangen waren.

Da es bereits zuvor gelungen war, aus fossilen Knochen solches Kollagen zu gewinnen, versuchten die Wissenschaftler, auch hier an dieses Material zu kommen.

Mit Hilfe von John Asara vom Beth Israel Deaconess Medical Center in Boston gelang es den Forschern, Eiweißsequenzen des uralten Kollagens aufzuspüren und zu analysieren. Damit war der Vergleich mit der Reihenfolge der Aminosäuren bei noch lebenden Arten möglich. Eine erste Analyse der Peptide hatte bereits Hinweise auf Ähnlichkeiten mit Peptiden von Hühnern, Fröschen und Molchen ergeben.

Die Forscher beschränkten sich bei ihrer neuen Analyse nicht auf den Tyrannosaurus rex und seine möglichen Verwandten. Sie überprüften auf die gleiche Weise auch die Beziehung zwischen dem ausgestorbenen Amerikanischen Mastodon (Mammut americanum) und noch lebenden Arten. Das Ergebnis: Die ausgestorbenen Riesen waren tatsächlich nahe Verwandte der Elefanten.

"Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass molekulare Daten von längst ausgestorbenen Lebewesen das Potential haben können, auch Verwandtschaftsbeziehungen in entscheidenden Bereichen des Wirbeltier-Stammbaums zu bestimmen, die bislang nicht geklärt werden konnten", schreiben die Wissenschaftler.

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