Die Windel-Frage:Ökobilanz am Baby-Popo

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Öko oder Wegwerf-Windel? Welche Hülle Babys Ausscheidungen aufnehmen soll, ist eine Frage, über die sich trefflich streiten lässt. Hat Australien die Lösung?

Felix Ruhland

Eltern können sich mit anderen Eltern prächtig streiten - am besten über alle Themen rund um ihre Kinder. Die Erziehung ist ein ständiger Streitpunkt, ebenso wie die korrekte Förderung und Ernährung der Kleinen, den Umgang mit anderen Kindern, das Stillen und eine Vielzahl Themen mehr.

Dem Baby ist vermutlich egal, welche Windel seinen Po umschließt. (Foto: Foto: iStock)

Eltern können sich sogar mit anderen darüber streiten, welche Windeln die richtigen sind: Stoff- oder Einwegwindel. In Großbritannien gibt nun eine Studie diesem Streit neue Nahrung: Ausgetragen wird die Auseinandersetzung in den Foren von Online-Diensten und Webseiten von Zeitungen und Magazinen.

Dass aber die Debatte um die ökologisch und politisch korrekte Windel überhaupt wieder in Gang kam, liegt an Ben Bradshaw. Der ehemalige Staatssekretär im britischen Ministerium für Umwelt, Ernährung und ländliche Angelegenheiten erklärte Ende Juni in einer Anhörung des britischen Parlaments, Stoff- und Einwegwindeln belasteten die Umwelt in etwa gleichem Maße.

Zu diesem Ergebnis sei eine Untersuchung des britischen Umweltamtes gekommen. "Stoffwindeln können zwar dazu beitragen, die Müllberge zu verringern. Durch einen erhöhten Energie- und Wasserverbrauch beim Waschen und Trocknen der Windeln wirken sie sich jedoch auf andere Weise negativ auf die Umwelt aus", sagte der Labour-Abgeordnete.

Windel für den Kompost?

Die Studie ( Life Cycle Assesment of Disposable and Reusable Nappies in the UK) wurde bereits 2005 veröffentlicht. Bis heute schien die breite Öffentlichkeit jedoch davon wenig Notiz genommen zu haben. Erst die jetzigen Aussagen des Politikers und die Berichterstattung einiger Print- und Onlinemedien entfachten die neue Windeldebatte.

Verfechter der Stoffwindel, wie Kay Wagland, Leiter der Stoffwindel-Kampagne des Womens Enviromental Network (WEN), halten die Studie für fehlerhaft und diskreditierend. "Waschbare Windeln sind deutlich umweltfreundlicher - auch wenn man den Energie- und Wasserverbrauch zum Waschen mit einkalkuliert."

Mehr als vier Jahre lang hatte das britische Umweltamt die Ökobilanz von Einweg- und Stoffwindeln untersucht. Bei letzteren unterschied die Studie zwischen Windeln, die zu Hause und denen, die von einem kommerziellen Windeldienst gereinigt werden.

Die Wissenschaftler analysierten jeweils den Rohstoff- und Energiebedarf während des Herstellungsprozesses sowie bei Transport, Verwendung und Entsorgung. Zudem berechneten die Forscher die dabei anfallenden Schadstoffmengen.

Flüssigkeit absorbierende Polymere

Demnach wirkten sich beim Einwegsystem vor allem die Produktion der Rohmaterialen und deren Weiterverarbeitung negativ auf die Umwelt aus. Wegwerfwindeln bestehen größtenteils aus Polymerverbindungen. Die Außenhülle aus Polyethylen, das Innenvlies aus Polypropylen und der Saugkern aus Polymersalzen.

Vor allem die Produktion der Flüssigkeit absorbierenden Polymere habe den größten negativen Umwelteinfluss innerhalb des Herstellungsprozesses. Stoffwindeln, die zu Hause gewaschen werden, belasten dagegen die Umwelt aufgrund des dabei anfallenden Wasser- und Energieverbrauchs sowie durch die entstehenden Abwässer.

Bei kommerziellen Windeldiensten schlagen der Energieaufwand für den Transport und die Reinigung negativ zu Buche. Fazit der 209 Seiten langen Studie ist, dass die Umweltbilanz beider Windelarten in etwa gleich ausfällt. Die Unterschiede, die es gebe, seien in der Summe so gering, dass man weder die eine noch die andere Windelart empfehlen könne.

WEN kritisiert die Studie heftig, da sie auf falschen Annahmen beruhe. So kauften Eltern im Durchschnitt nicht 47 Stoffwindeln, wie in der Untersuchung angenommen, sondern 24 oder sogar weniger. Auch müssten Stoffwindeln weder bei 90 Grad gewaschen, noch anschließend im Trockner getrocknet werden.

Eine neuartige Einwegwindel aus Australien könnte die Debatte jetzt beenden. Ranjith Jayasekara, Chemiker am Environment and Biology Center der Swinburne University, hat ein Modell entwickelt, das zu 70 Prozent abbaubar sei. Diese in Australien bereits erhältliche Windel, so hofft er, könnte in Zukunft die Windel-Müllberge reduzieren.

© SZ vom 11.7.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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