Süddeutsche Zeitung

Die Waschmaschine der Zukunft:Plastik statt Wasser

Eine neue Waschmaschine soll mit Nylonkugeln reinigen - und so den Wasserverbrauch enorm senken. Doch lassen sich auf diese Weise auch Schweiß und Urin entfernen?

Frank Grotelüschen

Kommt die Waschmaschine der Zukunft ohne Wasser aus? Eine Firma aus England verspricht, ihr sei ein gewaltiger Schritt in diese Richtung gelungen. Ihre Technik reinigt Hosen, Hemden und T-Shirts, indem der Wäsche Plastikkügelchen zugesetzt wird.

Die Methode soll mit nur einem Zehntel der Wassermenge auskommen, die eine gewöhnliche Waschmaschine mit einer Ladung Schmutzwäsche verbraucht. Das klingt gut, zu gut - manche Experten betrachten die Technik skeptisch.

Anstoß für die Idee aus Großbritannien war die Frage, wie sich ein Farbstoff dazu bringen lässt, besser an einer Kunstfaser zu haften. Und nüchtern betrachtet sind Farbstoffmoleküle nichts anderes als Schmutz.

Also überlegte der Chemiker Stephen Burkinshaw von der Universität Leeds vor einigen Jahren, ob sich diese textile Farbstoffbindung nicht umkehren ließe. Er stieß auf einen Trick: Nylon besitzt bei einem gewissen Feuchtegrad die Eigenart, Schmutzteilchen nicht nur zu binden, sondern regelrecht in sich aufzusaugen.

Nylonhemden-Träger kennen diesen Effekt, wenn die einst weißen Kleidungsstücke mit der Zeit grau werden. Ursache dafür ist die hohe elektrische Polarität, die dem Polymer eigen ist und Schmutzpartikel anzieht wie ein Magnet. Um mit diesem Prinzip aktiv Schmutz zu beseitigen, gründete Burkinshaw in Leeds die Firma Xeros.

Nun präsentierte das Unternehmen einen Prototypen: Im Unterschied zu den gängigen Waschautomaten besitzt er zwei konzentrisch angeordnete Trommeln. In die innere kommen Schmutzwäsche, Waschmittel, ein wenig Wasser und ein paar Kilogramm Nylonkügelchen, jedes nur ein paar Millimeter groß.

Dann wird der Inhalt hin- und hergerüttelt und dabei durchgewalkt. Doch statt wie üblich im Wasserbad zu schwimmen, sind die Textilien nur angefeuchtet. Das Waschmittel löst den Schmutz, die Nylonbällchen binden diesen und saugen ihn in sich auf.

Staubsauger in der Waschmaschine

Am Ende des Waschgangs hört die äußere Trommel auf zu rotieren und die innere kommt auf Hochtouren. Dadurch sollen die Kügelchen von der inneren Trommel in die äußere geschleudert und von der Wäsche getrennt werden.

"Mit diesem Verfahren können wir die Kügelchen zu 99,95 Prozent von der Kleidung separieren", sagt Bill Westwater, Geschäftsführer von Xeros. "Den Rest soll eine Art Staubsauger wegschaffen." Die Kügelchen werden wiederverwertet und halten angeblich für 100 Waschgänge.

"Im Vergleich zu herkömmlichen Maschinen sparen wir bis zu 90 Prozent Wasser", sagt Westwater. Statt den üblichen 50 Litern für einen Waschgang käme man mit fünf Litern aus. Und da die Wäsche nur angefeuchtet sei, brauche sie nicht in den Trockner.

"Das spart Strom", meint Westwater. Bei den bisherigen Labortests griffen die Ingenieure zu handelsüblichen Waschmitteln und erzielten damit passable Ergebnisse. Bis zur Markteinführung sollen noch spezielle Waschmittel entwickelt werden.

Auf den Markt kommen wird das Verfahren nicht vor 2010. Die ersten Geräte sind nicht für die heimische Waschküche bestimmt, sondern für Großwäschereien. Hier wälzen die Maschinen bis zu 200 Kilogramm Textilien statt den fünf oder sechs Kilogramm eines Heimgeräts. "Es wird noch eine ganze Zeit dauern, bis wir das System so kompakt bauen können, dass es auch für Privathaushalte interessant wird", sagt Westwater.

Schlechtes Vorbild Ultraschall

"Die Idee ist nicht schlecht", sagt Hans-Günter Hloch, Professor für Haushaltstechnik an der Hochschule Niederrhein in Krefeld. "Aber ich glaube nicht, dass sie so einfach zu realisieren ist." Zwar sei denkbar, dass die Polymerkügelchen etwa Fette oder Öle binden und absorbieren.

"Da die Textilien nur angefeuchtet werden, lässt sich wasserlöslicher Schmutz wie Schweiß oder Urin meiner Meinung nach damit nicht wirkungsvoll entfernen." Es sei auch unklar, wie das Waschmittel aus dem Gewebe gespült und die Kügelchen aus den Kleiden entfernen werden sollen.

"Beim Waschen dringen die Kügelchen auch in Falten und Taschen ein", sagt Hloch. "Mir ist ein Rätsel, wie man die durch bloßes Schleudern da wieder herausbekommen will." Mit so wenig Wasser könne man einfach nicht richtig waschen.

Behält Hloch Recht, könnte es dem Xeros-Patent ähnlich ergehen wie einer anderen vermeintlichen Wasch-Innovation: Die Reinigung mit Ultraschall, die ohne Waschmittel auskommen sollte. Vorbild waren jene Ultraschall-Reinigungsgeräte beim Optiker, die Brillen durchaus wirkungsvoll säubern können.

Die Schallwellen erzeugen in Wasser Luftbläschen, die implodieren und dabei den Dreck vom Brillenglas sprengen. Auf harten Oberflächen funktioniert das gut, bei weichen Textilien hingegen kaum. Textilien absorbieren einen Teil des Ultraschalls, dadurch entstehen schlicht zu wenig implodierende Mikrobläschen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.175870
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 03.09.2009/gal
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.