Die Softies kommen:Und tschüss!

Der Draufgänger ist ein Auslaufmodell der Evolution - sanfte Männer erobern die Frauen mit subtilen Signalen.

Von Sebastian Herrmann

David Mason war nicht mehr zu retten. "Hallo, alle mal hersehen!", rief er angeblich noch und klinkte seinen Kletterhaken an einem unbenutzten Seilbahnkabel fest.

Die Softies kommen: Riskante Aktionen ohne erkennbaren Nutzen garantieren zwar kurzfristig die Aufmerksamkeit der Frauen. Aber für eine dauerhafte Partnerschaft empfiehlt sich damit kaum ein Mann.

Riskante Aktionen ohne erkennbaren Nutzen garantieren zwar kurzfristig die Aufmerksamkeit der Frauen. Aber für eine dauerhafte Partnerschaft empfiehlt sich damit kaum ein Mann.

(Foto: Foto: Stefan Eisend/Imago)

Die örtliche Polizei im norditalienischen Belluno sprach später von einem "bizarren Unfall". Mason raste den Hang in den Dolomiten am gespannten Draht hinab und prallte mit tödlicher Wucht gegen einen Metallpfeiler. Statt ins italienische Alpental führte sein Weg direkt in die Nachrichten der BBC.

Evolutionsforscher jedoch erklären die Tat des Urlaubers aus Glasgow ganz logisch. "Männer brauchen Aufmerksamkeit. Deshalb veranstalten sie hin und wieder Getöse", kommentiert der Kasseler Psychologe Harald Euler. Die rationale Formel des Irrsinns nämlich lautet: Nur wenn er Beachtung findet, sichert der Mann sein Fortbestehen, seinen Nachwuchs - also letztlich seinen Lebenszweck.

Die Frau wählt aus

Die Rechnung, die im Fall Masons nicht mehr aufgehen konnte, beruht auf einem schlichten, bisweilen aber falsch verstandenen Mechanismus der Menschheitsentwicklung. Die Frau wählt aus, mit wem sie sich fortpflanzt, der Mann muss ihre Aufmerksamkeit erregen. Masons fataler Seiltrick darf als Balz mit höchstem Einsatz gelten.

Schließlich bevorzugen Frauen als potenzielle Väter ihrer Kinder Männer, die körperliche Fitness ausstrahlen und physische Risiken nicht scheuen müssen. Zwar ist das Kinderkriegen keinesfalls erklärtes Ziel jeder Paarbeziehung, trotzdem orientiert sich fast jede sexuelle Partnerwahl am Kriterium guter Gene, die der Mann nach dem so genannten "Handicap-Prinzip" demonstriert.

Als Partner attraktiv wird er, wenn er sich riskant verhalten kann wie der Hirsch, der sein an sich unnötiges Riesengeweih herumschleppt und dabei Energie vergeudet, oder wie der Sportwagenfahrer, der signalisiert: Ich kann es mir leisten, Ressourcen zu verschleudern.

Dasselbe verraten ein breites Kinn, ausgeprägte Wangenknochen und buschige Augenbrauen, hervorgerufen vom Hormon Testosteron, das aus Knaben- Männergesichter macht - und zugleich die Effektivität des Immunsystems hemmt.

Rückschlüsse auf das Immunsystem

Der Mann, der sich ein solches Gesicht leisten kann, muss also mit besonders robusten Abwehrkräften ausgestattet sein. Potenzielle Sexpartnerinnen erschnüffeln sogar unbewusst ein Molekül dieses Immunsystems und bevorzugen dabei angeblich den extremen Gegensatz zu sich selbst, was dem gemeinsamen Nachwuchs einen kräftigen Immunmix bescheren soll. Dachte man jedenfalls.

Doch so alt die Signale sind, so veraltet scheinen sie mittlerweile auch zu sein. Das Verhalten von Mason ist ein übertriebenes Sinnbild für eine überholte Strategie, die im Tierreich zwar weiterhin, in der modernen Menschenwelt jedoch längst nicht mehr zu garantierten Erfolgen führt.

Jüngsten Studien zufolge ist vielmehr ein anderer Typus Mann gefragt. So veröffentlichte der britische Biologe Tony Little im Frühjahr eine Untersuchung, nach der Frauen Männern mit weichen, weiblicheren Gesichtszügen den Vorzug vor den kantigen Kerlen geben. Little hatte mehreren Hundert Frauen an der University of Liverpool computermanipulierte Porträtfotos von Männern vorgelegt.

Weiche Gesichtszüge im Trend

Darauf waren einige Gesichter auf markant, die anderen auf weich getrimmt worden. Ein ähnliches Resultat hatte zuvor schon der Psychologe David Perrett an der schottischen University of St. Andrews erhalten: Seine Probandinnen nahmen die weiblicheren Gesichtsformen als schöner wahr - und damit als unbewusstes Signal für gute Gene.

Vor allem die in weicheren Gesichtszügen leichter zu entdeckende Symmetrie gilt als Zeichen eines Erbguts, das ein abwehrbereites Immunsystem verspricht. Als Perrett die befragten Frauen jüngst ihre Wahl fürs weiche Männergesicht begründen ließ, assoziierten sie zudem: Zuverlässigkeit, Wärme und Ehrlichkeit. Gründe, aus denen sich die Frauen für Softies entscheiden.

Und tschüss!

Weniger Testosteron ist mittlerweile gefragt. "Und eine verantwortungsbewusste Risikobereitschaft", fügt der Psychologe William Farthing von der University of Maine hinzu. Nur kein blindes Draufgängertum.

Mutiger Retter als Idealtyp

Um herauszufinden, wie sich Risikobereitschaft auf die Attraktivität eines potenziellen Partners auswirkt, ließ Farthing 48 Männer und 52 junge Frauen Szenarien bewerten, in denen gefährliche Situationen beschrieben waren. Die Frauen waren sich sicher: Ihr Partner soll sich zwar heldenhaft verhalten, also risikobereit sein. Als Idealtypus galt ihnen allerdings der im Test beschriebene Mann, der sich in einen reißenden Fluss stürzt, um ein Baby vor dem Ertrinken zu retten.

Blickt ihr sanfter Held der Gefahr entgegen, soll er ein genau definiertes und am besten ein selbstloses Ziel verfolgen - zum Wohle von Frau und Kind. Wagt er dagegen etwas, das keinem selbstlosen Zweck dient, darf es sich nur um ein kalkuliertes Risiko handeln, signalisierten die Probandinnen. "Moderater Wagemut verbessert eben die Versorgerqualitäten eines Mannes", analysiert Farthing.

Selbst die unbewussten Mechanismen der weiblichen Partnerwahl scheinen sich mittlerweile gegen den Macho verschworen zu haben. So bewies die Chicagoer Biologin Martha McClintock jüngst, dass Frauen den Geruch verschwitzter Männer-T-Shirts zwar weiterhin angenehm finden, wenn deren Träger ein anderes Immunsystem haben als sie selbst.

Schweiß als Sympathie-Vermittler

Enthält der Schweißgeruch jedoch Komponenten, die auf Ähnlichkeiten mit dem Immunsystem des eigenen, fürsorglichen Vaters hinweisen, ist die Schnüffel-Sympathie am stärksten. Gefragt ist der beschützende Liebhaber, umgänglich, zärtlich, der den Nestgeruch der eigenen Kindheit an sich hat.

Möglichst schon der Klang seines Namens soll Sanftmut verströmen, wie im vergangenen Jahr die Kognitionsforscherin Amy Perfors in Cambridge herausfand. Demnach wirken Männer, deren Namen Zartheit signalisierende, helle Vokale wie "i" enthalten, auf Frauen eher anziehend.

Und die Männer? Sie haben sich offenbar noch nicht auf die neue Lage eingestellt. Nicht nur ist ihr Frauengeschmack in der Steinzeit stehen geblieben, hat der Biopsy-chologe Victor Johnston an der University of New Mexico mit Hilfe von Fotos herausgefunden: Sie stehen alle auf extreme Weiblichkeit, auf jene Rundungen, die Vorboten der Fruchtbarkeit sind.

Der Macho ist noch nicht tot

Viele kernige Typen halten auch an der uralten Macho-Strategie der Reproduktion fest: so viele Kinder in die Welt zu setzen oder zumindest mit so vielen Frauen Sex zu haben wie irgend möglich. So lange die Frauen mitmachen, ist den Männern biologisch ja auch kaum eine Grenze gesetzt. Spermien zu erzeugen, erfordert nur eine minimale Investition ihrer Körper.

Diese Strategie bleibt jedoch den Risikofreudigen vorbehalten. "Der reproduktive Gewinn durch viele Sexualkontakte kann für diese Männer sehr hoch sein, deshalb ist auch ihr Einsatz und ihre Risikobereitschaft entsprechend hoch", erklärt der Kasseler Forscher Harald Euler. Und es sind die Männer mit hohem Testosteronspiegel, die eher nach dem schnellen Abenteuer suchen und deshalb Risiken in Kauf nehmen - auch das Risiko, keine Langzeitpartnerin zu finden.

Viel Testosteron als Ehe-Feind

Bei Männern mit einem signifikant höheren Testosteronspiegel lag die Wahrscheinlichkeit zu heiraten um etwa 50 Prozent niedriger als beim Durchschnitt, haben Allan und James Dabbs von der Pennsylvania State University bei einer Untersuchung unter Angehörigen der US-Luftwaffe festgestellt.

Diese Macho-Strategie funktioniert überhaupt nur deswegen noch, weil sich Frauen nicht ganz von der Natur lossagen können, auch wenn sie eigentlich ein begrenztes Risikoverhalten bevorzugen. Besonders während des Eisprungs, also an den fruchtbaren Tagen, haben dominante Draufgänger eine Chance.

Und tschüss!

"Wenn Frauen nur nach einer Affäre suchen, können ihnen die Männer gar nicht risikofreudig genug sein", sagt der Kölner Evolutionspsychologe Detlef Fetchenhauer. Dann bewerten Frauen laut einer Studie der University of New Mexico auch markant-maskuline Gesichtszüge als attraktiver. Gen-Shopping nennen Evolutionspsychologen dieses Verhalten.

Softies mit kultivierter Balz-Strategie

Der männliche Gegenpart zu diesen Machos hat sich dagegen dem restlichen Teil des weiblichen Zyklus besser angepasst. Er profitiert davon, dass Frauen im Durchschnitt einige Monate brauchen, um von einem neuen Partner schwanger zu werden. Die Softies, die diese Zeichen der Zeit erkannt haben, verfolgen daher eine kultivierte Balz-Strategie: Sie signalisieren, ein Traumvater zu werden und die Nachkommen so gut vorbereitet wie möglich als Träger des eigenen Erbguts ins Leben zu entlassen.

Sie sind die perfekten Versorger, die von Frauen als langfristiger Partner geschätzt werden. "Frauen können im Lauf ihres Leben nur eine begrenzte Anzahl von Kindern bekommen und müssen deshalb mehr als Männer in die Pflege ihrer Nachkommen investieren", erklärt Euler die weibliche Vorliebe.

Sie erwägen darum genauer, mit welchem Mann sie Kinder zeugen. Gehört er zu den Cats oder den Dads, wie Evolutionspsychologen die Protagonisten der unterschiedlichen Strategien nennen - zu den Raubkatzen oder den guten Vätern?

Tollkühn aber verzweifelt

Herauszufinden, was Frauen wollen, scheint für Männer auch eine Altersfrage zu sein: Besonders die Jüngeren nämlich neigen zu halsbrecherischen Aktionen. In ihnen steckt sogar ein derart immenses Aggressionspotenzial und eine so große Risikofreude, dass das kanadische Forscherehepaar Martin Daly, ein Biologe, und Margo Wilson, eine Psychologin, dafür den Begriff "Young Male Syndrome" in die Fachliteratur eingeführt haben.

Doch die heranwachsenden Draufgänger werben ebenso verzweifelt wie vergeblich. Sie sind unwissend auf der Pirsch: Männer, die unnötige physische Risiken auf sich nehmen, um zu gefallen, fallen als Partner durch - so eindeutig ist das Ergebnis der Studie des Psychologen Farthing.

Ältere Männer beliebter

Vielleicht verspüren Frauen deshalb eine ausgeprägte Vorliebe für Männer, die ein paar Jahre älter sind als sie selbst - und zwar quer durch alle Kulturkreise, wie der texanische Evolutionspsychologe David Buss herausfand. Auch der Status der älteren Männer, den sich die Jüngeren erst im Wettbewerb erkämpfen müssen, spielt demnach eine Rolle.

Die Heranwachsenden müssen noch lernen, dass sie mit der Schnelligkeit ihres Geistes eher punkten könnten als mit ihrem frisierten Moped. Geoffrey Miller, Evolutionsbiologe an der University of New Mexico (siehe Interview), geht gar so weit, alle Dinge, die der menschliche Geist hervorgebracht hat, als Nebenprodukte des Wettbewerbs um die Fortpflanzung zu bezeichnen.

Romane wurden geschrieben, Opern komponiert und Paläste gebaut, nur zu einem Zweck: Kinder zu zeugen und die Art zu erhalten. Männer, die sich dieser sanfteren Art der Werbung ums andere Geschlecht verschreiben, haben dann auch mehr Zeit, die Früchte ihrer Balz zu genießen. Der sanfte Held spielt mit geringerem Risiko, aber höherem Zeiteinsatz als der Zocker und für ihn könnte der Gewinn größer, weil dauerhaft sein.

Subtile Signale der Frauen

Noch etwas lässt die aufdringliche Macho-Strategie als weniger erfolgreich erscheinen. Es ist ohnehin in zwei Dritteln aller Fälle die Frau, die den Mann mit subtilen Signalen dazu ermuntert, doch einmal hervorzutreten, um sich als potenzieller Partner genauer inspizieren zu lassen, wie die amerikanische Evolutionspsychologin Monica Moore von der Webster University in St. Louis herausgefunden hat.

Frauen wollen dann nicht unbedingt Geweihträger sehen, sondern nette Typen. Allerdings muss auch Monica Moore zugeben: Bevor sie ihn auffordert, seine Qualitäten unter Beweis zu stellen, muss er ihr aufgefallen sein. Auf irgendeine Art und Weise.

Und zumindest das - das sollte man ihm zugute halten - ist David Mason gelungen: Die Aufmerksamkeit einer Frau hat sich der Bergsteiger gesichert, zwar posthum, dafür aber langfristig: Die amerikanische Molekularbiologin Wendy Northcutt hat seine Geschichte in der aktuellen Ausgabe ihrer "Darwin Awards" verewigt. In diesen Büchern taucht nur auf, wer sich durch seine hanebüchene Dummheit selbst aus dem Leben und damit aus dem menschlichen Genpool katapultiert hat.

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