Die Schriftrollen vom Toten Meer:Woher stammen die Qumran-Rollen?

Deutsche Forscher prüfen, ob die Schriftrollen von Qumran tatsächlich am Toten Meer hergestellt wurden. Denn der Ursprung der Dokumente ist noch immer nicht aufgeklärt.

Von Markus C. Schulte von Drach

Die Dokumente, die in speziellen klimatisierten Koffern aus Jerusalem nach Berlin transportiert wurden, gehören zu einem der berühmtesten Funde der Geschichte: Es sind Schriftrollen aus Qumran am Toten Meer. Etwa 2000 Jahre alt sind die Pergamente, die Ur-Texte des Alten Testaments und Kommentare zu biblischen Schriften enthalten. Und trotz intensiver Forschung seit der Entdeckung im Jahre 1947 sind noch viele Fragen offen.

Entsprechend groß ist das Interesse von Wissenschaftlern in aller Welt an den in hebräischer, aramäischer und griechischer Sprache geschriebenen Schriftstücken, die zwischen dem dritten Jahrhundert vor und dem Jahre 68 nach Beginn unserer Zeitrechnung angefertigt wurden. Und groß ist auch die Vorsicht, die Forscher walten lassen müssen, wenn sie mit dem empfindlichen Material umgehen.

Gerade deshalb kommt den Methoden der Wissenschaftler um Birgit Kanngießer von der Technischen Universität Berlin und Oliver Hahn von der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung besondere Bedeutung zu.

Zusammen mit Ira Rabin von der Jüdischen National- und Universitätsbibliothek in Jerusalem wollen die deutschen Forscher versuchen zu klären, woher die Qumran-Rollen tatsächlich stammen und wie gut sie erhalten sind.

In der Nähe der Höhlen von Qumran, in denen die Schriftrollen entdeckt wurden, gab es eine Siedlung von Mitgliedern der jüdischen Sekte der Essener (Essäer). Doch möglicherweise stammen die Pergamente auch aus anderen Regionen und wurden lediglich in den Höhlen der "Bibliothek" von Qumran aufbewahrt. Das könnte bedeuten, dass die zurückgezogen lebende asketische Sekte größeren Kontakt mit anderen religiösen Gemeinschaften hatte als bisher vermutet.

Gefahr durch Kupferfraß

Um Antworten auf die Fragen zu bekommen, ohne die Rollen dabei zu beschädigen, setzen die deutschen Forscher auf die 3-D-Röntgenfluoreszenzanalyse bei der Berliner Elektronenspeicherring-Gesellschaft für Synchrotronstrahlung (Bessy). "Die Methode ist eine Weiterentwicklung der Röntgenfluoreszenzanalyse", erklärt Kanngießer. "Das Neue daran ist, dass wir in die Tiefen eines Kunstwerkes vordringen können."

Mikrometer für Mikrometer steige man mit der speziellen Technik in das Objekt hinein, um exakt zu bestimmen, in welcher Tiefe und welcher Konzentration sich verschiedene Elemente wie Kupfer, Eisen oder Chlor befinden, beschreibt die Wissenschaftlerin die Vorgehensweise. Dabei tasten die Röntgenstrahlen die chemischen Bestandteile der Dokumente ab. Je nachdem, welche Elemente enthalten sind, kommt es zu unterschiedlicher Fluoreszenzstrahlung.

Und was besonders wichtig ist: Die Untersuchungen finden statt, ohne dass die Objekte berührt oder Proben entnommen werden müssen.

Erste Ergebnisse zum Zustand der Pergamente liegen nun vor - sie sind spannend und erschreckend zugleich. Die untersuchten Dokumente, die zu den apokryphischen (außerbiblischen) Schriften zur Genesis des Alten Testaments gehören, sind in einem schlechteren Zustand als bislang angenommen.

Der sogenannte Kupferfraß ist bei ihnen so weit vorangeschritten, dass die Pergamente teilweise zerbröseln. Und: "Wir haben Kupferfraß auch dort orten können, wo das Dokument augenscheinlich noch relativ intakt wirkt", erklärt Kanngießer. "Unter der Oberfläche, unsichtbar fürs Auge, schreitet die Zerstörung unaufhörlich voran." Umso wichtiger ist es demnach, die Dokumente auf die richtige Weise zu konservieren.

Woher stammen die Qumran-Rollen?

Bei Kupferfraß handelt es sich um einen Abbau der Cellulose der Pergamente, der durch Kupferionen in der Tinte ausgelöst wird. Doch nicht alle Schriftrollen vom Toten Meer zeigen diesen Effekt. Und das kommt den Forschern entgegen.

Hinweise auf die Herkunft

Denn diese Beobachtung und die Analyse der Zusammensetzung der Tuschen zeigen, dass die Fragmente der Schriftrollen mit unterschiedlichen Tinten beschrieben wurden.

Lassen sich die Tausende kleiner und kleinster Teile der Dokumente danach sortieren, welche Flüssigkeit benutzt wurde, wird es einfacher, zusammengehörige Stücke zu identifizieren. Zwei Teile, die bislang einem einzigen Dokument zugeordnet wurden, konnten so bereits als Fragmente verschiedener Schriftrollen eingeordnet werden.

Auch hoffen die Wissenschaftler, über die Verunreinigung der Tusche mit Kupfer feststellen zu können, wo sie hergestellt wurde.

Noch keine Antwort haben die Wissenschaftler bislang auf die Frage nach dem eigentlichen Ursprung der Pergamente gefunden. Doch sie haben Grund zum Optimismus: Das Wasser in der Nähe des Toten Meeres weist ein besonderes Verhältnis der Elemente Chlor und Brom auf. Im Vergleich zu anderen Regionen ist der Bromgehalt sehr hoch.

Sollten die Forscher mit Hilfe der 3-D-Röntgenfluoreszenzanalyse dieses Verhältnis der Elemente in den Pergamenten nachweisen, so dürften sie tatsächlich in der Umgebung der Qumran-Höhlen entstanden sein. Tatsächlich haben die Berliner genau dies für einige kleinere Fragmente festgestellt.

Zeigen die Pergamente dagegen ein anderes Verhältnis, so wurden die Schriftrollen entweder woanders hergestellt - oder die Essener bezogen ihr Material aus anderen Regionen, beschrieben es jedoch in Qumran.

"Um jedoch auch über die Herkunft der Apokryphen zur Genesis und anderer Fragmente gesicherte Aussagen machen zu können, sind zusätzliche Messungen erforderlich", sagt Kanngießer. "Und wir benötigen weitere Fragmente, um zu sehen, ob dort das Verhältnis von Chlor zu Brom ein anderes ist." Leicht wird es für die Berliner nicht. Denn auch Faktoren wir die Lagerungsbedingungen müssen berücksichtigt werden. Die geheimnisvollen Rollen vom Toten Meer werden die Forscher demnach noch lange beschäftigen.

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