Die Montagsfrage:Wer blockiert den Klimaschutz?

Die Politiker Renate Künast und Klaus Töpfer sowie der Wissenschaftler Martin Jänicke über den Lobbydruck der Industrie und die Marktmacht der Verbraucher.

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Von dem am Montag beginnenden Klimagipfel in Kopenhagen erhofft sich die Welt einen entscheidenden Durchbruch im Kampf gegen den Klimawandel. Aber was kann die Politik für den Klimaschutz überhaupt leisten, gegen wen muss sie sich durchsetzen? Und welche Verantwortung hat der einzelne Bürger?

"Diejenigen, die sagen, das 'Weiter so' erhält uns die Profite, das sind die größten Verhinderer", antwortet Renate Künast. Die Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen sieht die Politik vor allem getrieben "von Lobbyisten derer, die heute kostenlos Umwelt verschmutzen dürfen. Dieser Lobbydruck - einhergehend mit der Behauptung, 'sonst verlieren wir hier Arbeitsplätze' - führt dazu, dass Politik viel zu langsam ist."

"Der Bau von Kohlekraftwerken ist von der Tendenz her das größte Problem und die entsprechenden Unternehmen sind auch sehr stark im Einfluss auf die Politik", ergänzt Martin Jänicke, Politikwissenschaftler und Gründungsdirektor der Forschungsstelle für Umweltpolitik an der Freien Universität Berlin.

"Es gibt keine Gegner des Klimaschutzes" findet dagegen Klaus Töpfer. "Es gibt Menschen, die in Frage stellen, ob der Mensch mit seinen Handlungen die Klimaveränderung wesentlich verursacht hat", so der ehemalige Umweltminister, der seit Februar 2009 das Potsdamer Institut für Klima, Erdsystem und Nachhaltigkeit (IASS) leitet. Er hält nur wenig davon, wenn sich Länder bei der Klimafrage gegenseitig den Schwarzen Peter zuschieben: "Meine Mutter hat mir immer gesagt, wenn du mit dem Finger auf einen anderen zeigst, zeigen drei Finger auf dich selbst zurück. Also, man muss bei sich anfangen, muss mit gutem Beispiel voran gehen, muss zeigen, dass es auch mit weniger kohlenstoffhaltiger Energie wirtschaftliche Stabilität gibt."

Am meisten könnte man für den Klimaschutz tun, wenn man bei den Regeln für die Wirtschaft ansetzt, sagt Renate Künast: "Was wird wie produziert, gibt es Wettbewerb auf dem Energiemarkt, gibt es weiter Ausnahmen bei den Co2-Emissionen und beim Emissionshandel? Wenn man da reingeht, dann kann man die größten Erfolge erzielen."

Doch es könne nicht jede Volkswirtschaft gleichermaßen für den Klimawandel in Haftung genommen werden, gibt Klaus Töpfer zu Bedenken: "Es ist mehr als verständlich, dass ein Land wie Indien sagt: Wir haben gegenwärtig eine Tonne CO2-Emissionen pro Kopf, ihr in Deutschland habt zehn. Die in den USA haben 20. Da könnt ihr doch nicht von uns erwarten, dass wir jetzt anfangen zu vermindern, sondern da müsst ihr doch anfangen."

Die Gesprächspartner der Montagsfrage gehen zudem auf die Bedeutung des individuellen Verhaltens der Bürger ein: "Der einzelne Bürger hat das Problem zwar nicht verursacht, er hat das Kohlekraftwerk weder genehmigt noch errichtet, aber er ist natürlich Mitspieler - und als Mitspieler kann er natürlich das Mitspielen auch fallweise verweigern. Beim Strom ist das zum Beispiel möglich, bei Lebensmitteln ist es möglich, der Fleischkonsum zum Beispiel ist ein ganz wichtiger Klimakiller," erklärt Martin Jänicke.

"Wichtig ist, dass man das selber als Größe im Kopf hat", betont Renate Künast, "fast so wie in den Nachkriegszeiten, wo Strom, Elektrifizierung noch etwas Kostbares war, wo die Großeltern sagten: 'Macht mal das Licht aus.' Dass man die Frage im Kopf hat: Wo in meiner Wohnung verschwende ich eigentlich gerade?" Die Bevölkerung könne schließlich auch eine Lobbymacht entwickeln: "Wenn Sie allein anfangen einen Tag in der Woche weniger Fleisch zu essen, den Strom ummelden und hin und wieder ökologische Lebensmittel kaufen, dann haben Sie - wenn das Hunderttausende tun - Marktmacht. Und auch Lobbymacht."

Die Montagsfrage wird präsentiert von www.planet-interview.de (Portal für Interviews.)

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