Archäologie:Das Glas für den Pharao

Sommerserie Bayern - Maßkrug

Glas - hier ein Bierkrug.

(Foto: dpa)

Es ist der erste durchsichtige Werkstoff der Menschheitsgeschichte. Doch die Rezeptur für die Herstellung von Glas entdeckten die Menschen wohl nur durch einen Zufall.

Von Hubert Filser

Glas ist der erste durchsichtige Werkstoff der Menschheitsgeschichte. Er ermöglicht es, Behälter zu schaffen, deren Inhalt man betrachten kann, ohne sie öffnen zu müssen. Glas ist auch die Basis für viele wissenschaftliche Untersuchungen, ohne Glas hätte es beispielsweise weder Mikroskope noch Reagenzschalen gegeben. Über die Entstehung von Glas gibt es viele Geschichten.

Unterschätzte Innovationen

Viele Dinge sind so selbstverständlich, dass ihr Einfluss auf unser Leben oft unterschätzt wird. Die SZ-Serie "Die kleinen großen Dinge" beleuchtet wichtige Erfindungen der Menschheitsgeschichte.

In der Regel ist darin von Zufällen die Rede, durch die Menschen auf die geheimnisvolle Rezeptur des ungewöhnlichen Werkstoffs kamen. Der römische Schriftsteller Plinius der Ältere erzählt im 1. Jahrhundert nach Christus in seiner berühmten Naturalis Historia von Matrosen eines Schiffes aus Ägypten, das Natron geladen hatte. Sie hätten sich am Strand eine Mahlzeit kochen wollen, doch für die Feuerstelle gab es keine Steine. Also nahmen sie Natronbrocken. "Als diese heiß wurden und sich mit dem Sand vollständig vermischten, floss eine seltsame Flüssigkeit in Strömen, und das, so sagt man, war der Ursprung des Glases."

60 Teile Sand, 180 Teile Asche aus Meerespflanzen und 5 Teile Kreide

Zwar erlebte die Glasherstellung im Römischen Reich einen regelrechten Boom, doch tatsächlich ist Glas älter. Die älteste bekannte Glasrezeptur stammt aus der Bibliothek des assyrischen Königs Assurbanipal, sie ist 2700 Jahre alt: 60 Teile Sand, 180 Teile Asche aus Meerespflanzen und 5 Teile Kreide werden darin zur Glasherstellung empfohlen. Ein Kelch von Pharao Thutmosis III., den man heute im Staatlichen Museum Ägyptischer Kunst bewundern kann, ist mit knapp 3500 Jahren das älteste erhaltene Glasgefäß, älter sind nur einzelne Glasperlen oder Amulette. Experten schätzen, dass die Menschen vor 4000 Jahren erstmals in der Lage waren, eine Hitze von 1400 bis 1600 Grad zu erzeugen - die nötige Temperatur, um Sand, Kalk und sodahaltige Asche zu Glas zu schmelzen.

Doch eine kleine Revolution gab es dann tatsächlich im Römischen Reich kurz nach Christi Geburt. Die Römer erfanden nämlich die Glasscheibe. Damit kam endlich Tageslicht in die Gebäude, davor waren die Fenster in vielen Häusern winzig. Thermen und noble Villen in Rom, Pompeji oder Herculaneum waren die ersten Einsatzorte der anfangs noch eher trüben Glasscheiben, der Effekt des grünlich schimmernden Lichts muss dennoch grandios gewesen sein. Die neuen Einbauten waren Statussymbol und schützten zugleich vor Wind und Wetter. Die ersten Fensterscheiben hatten einen grünen oder blaugrünen Farbstich und ein Format von mindestens 20 mal 30 Zentimeter, bisweilen auch einen halben Quadratmeter groß. Die Glasmacher erhitzen die Rohmasse, bis diese zähflüssig war, gossen sie auf eine glatte Fläche, drückten sie flach und zogen sie mit Metallzangen in eine rechteckige Form.

Das zähflüssige Glas schwimmt auf einem Meer aus flüssigem Zinn

Die Platten waren drei bis fünf Millimeter dick, an der Oberseite glänzend und unten matt. Daraus schnitten die Handwerker dann rechteckige Platten. Dünner wurden die Gläser erst in der Gotik, dort gab es einen regelrechten Boom der Fenstergläser. Damals verwendeten die Glasmacher schon eine andere Technik: Sie bliesen Glas in Form eines Zylinders, schnitten diesen auf und entrollten ihn unter Hitze zu Scheiben.

Heute prägen Bürotürme aus Glas und Stahl moderne Großstädte weltweit - und längst ermöglichen es Hightech-Verfahren, superglatte Scheiben zu machen. Das zähflüssige Glas schwimmt auf einem Meer aus flüssigem Zinn, dessen Oberfläche so plan ist, dass das Glas keinen Hauch eines Abdrucks abbekommt. So entstehen perfekte Scheiben von bis zu 50 Quadratmetern aus einem Stück.

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