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Die Folgen der Ölkatastrophe im Golf von Mexiko:Der Delphin und andere Rätsel

Etwa 600 Delphine sind seit dem Untergang der "Deepwater Horizon" im Golf von Mexiko dort an die Küsten geschwemmt worden, die meisten tot. Der Nachweis, dass dies eine Folge der Katastrophe ist, fällt jedoch schwer. Wie hoch ist der langfristige Schaden der Ölpest?

Christopher Schrader

Sie haben ihn Chance genannt, den zweijährigen Delphin, der vor drei Monaten mehr tot als lebendig an die Küste von Alabama geworfen wurde. Er war ausgetrocknet, untergewichtig, von Parasiten und Bakterien befallen, aber er hat es überlebt.

Nun päppeln die Wissenschaftler am Institut für Meeressäuger (Institute for Marine Mammal Studies) in Gulfport, nebenan in Mississippi, den Delphin auf und untersuchen, ob es die Ölpest nach dem Untergang der Deepwater Horizon war, die ihn in seine bedrohliche Lage gebracht hatte. Details erzählen sie nicht, die sollen erst im Verfahren gegen BP zur Sprache kommen.

Mit Chance zu arbeiten, ist eine seltene Gelegenheit. Gut 600 Delphine sind in den vergangenen zwei Jahren an die Küsten der Gegend geschwemmt worden, die meisten tot, etwa fünfmal so viele wie sonst.

Ob das tatsächlich etwas mit dem Öl und Gas zu tun hat, die im Frühjahr 2010 in gewaltigen Mengen das Wasser verseuchten, das kann man vermuten, aber der Nachweis fällt den Wissenschaftlern schwer.

Wie hoch ist der langfristige Schaden der Katastrophe? Der Verwalter des Entschädigungsfonds, Kenneth Feinberg, hat schon vor einem Jahr gesagt, 2012 sollten sich der Golf und die Fischerei fast vollständig erholt haben.

Aber kanadische Wissenschaftler rechnen nun vor, die Wirtschaft werde die Ölpest mindestens sieben Jahre lang spüren: gesunkene Umsätze und Profite, weniger Jobs und geringeres Interesse am Sportfischen. Umgerechnet 6,5 Milliarden Euro werde der Verlust betragen.

Viele Forscher erinnern an die Lektion nach der Havarie des Öltankers Exxon Valdez in Alaska 1989. Damals brach die Heringspopulation erst vier Jahre später zusammen - weil das Öl einen ganzen Jahrgang von Jungfischen dezimiert hatte, der 1993 hätte ablaichen sollen.

Derweil gibt es offenbar weiterhin Streit unter Wissenschaftlern, wo das ganze ausgelaufene Öl hin verschwunden ist. Die eine Fraktion glaubt, Myriaden von Bakterien, darunter unbekannte Arten, hätten das meiste weggefressen.

Die andere beharrt darauf, dass große Mengen des Öls mittlerweile den Meeresboden verkleisterten und noch ungeahnte Folgen für die Umwelt haben könnten.

Angesichts der gewaltigen Mengen, die vor knapp zwei Jahren ins Meer geströmt sind, könnten beide Fraktionen recht behalten.

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Quelle:
SZ vom 27.02.2012/mcs
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