Diabetesmittel Avandia:Frühe Zweifel

Das Diabetesmittel Avandia stand schon vor seiner Zulassung in der Kritik. Doch nicht allein der Pharmakonzern und die Zulassungsbehörde haben hier Fehler gemacht.

Katrin Blawat

Schon bevor das Diabetesmittel Rosiglitazon in Europa zugelassen wurde, haben Fachleute mehrfach Zweifel an der Sicherheit der Arznei geäußert. Dies geht aus einem Bericht des Fachmagazins British Medical Journal (BMJ, online) hervor.

Avandia

Rosiglitazon sei "ein Beispiel dafür, was mit Arzneien passiert, hinter denen ein großes kommerzielles Interesse steckt", zitiert das BMJ Silvio Garattini von der europäischen Zulassungsbehörde Ema.

(Foto: AP)

Darin zitiert die BMJ-Mitarbeiterin Deborah Cohen unter anderem ein Mitglied jenes Ausschusses, der Rosiglitazon für die europäische Zulassungsbehörde Ema prüfte: Laut Silvio Garattini sei die Studienlage dürftig gewesen. Die Untersuchungen hätten nur jeweils kurze Zeiträume umfasst. Einige Mitglieder hätten damals bereits bezweifelt, ob die Vorteile des Medikamentes es rechtfertigten, die Risiken in Kauf zu nehmen. Genannt wurden ausdrücklich auch "kardiovaskuläre Effekte".

Rosiglitazon, das vom britischen Pharmaunternehmen Glaxo Smith Kline unter dem Namen Avandia vertrieben wird, ist mittlerweile heftig umstritten. Mehrere Studien haben gezeigt, dass die Arznei zwar den Blutzucker senkt. Dafür erhöht sie aber das Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall. Dennoch sprach sich die amerikanische Arzneimittelbehörde FDA vor zwei Monaten nicht für ein Verbot von Rosiglitazon in den USA aus.

Trotz der früh geäußerten Bedenken kam das Mittel vor zehn Jahren auf den europäischen Markt. Auch nach der Zulassung äußerten offenbar einige Ema-Mitglieder Sicherheitsbedenken und wiesen auf das noch unbekannte Langzeitrisiko hin. Cohen schreibt in ihrem Bericht zudem, dass die von Glaxo Smith Kline zur Verfügung gestellten Daten möglicherweise nicht geeignet waren, die Ungefährlichkeit von Rosiglitazon zu belegen. Das Unternehmen bestreitet dies.

Warum ließ die Behörde das umstrittene Mittel trotz der Bedenken ihrer Fachleute auf den Markt? Rosiglitazon sei "ein Beispiel dafür, was mit Arzneien passiert, hinter denen ein großes kommerzielles Interesse steckt", zitiert der BMJ-Bericht Garattini.

Der Fehler liege jedoch nicht allein bei dem Pharmakonzern oder der Zulassungsbehörde, schreiben drei Mediziner der Universitäten Oxford, Yale und des University College in London in einem begleitenden Editorial. Es ist eine Reihe von Verfehlungen, derer sie sich selbst bezichtigen: "Unser Fehler war es, dass wir nicht stärker nach besseren Beweisen verlangt haben", schreiben Richard Lehman, Harlan Krumholz und John Yudkin. "

Zehn Jahre nach der Zulassung von Rosiglitazon können wir immer noch nicht genau den Schaden beziffern, den wir unseren Patienten zugefügt haben." Die drei Autoren kritisieren, dass in früheren Studien nur darauf geachtet wurde, ob Rosiglitazon die Blutzuckerwerte senkt. Darauf allein käme es jedoch nicht an. Entscheidend sei vielmehr, Diabetes-Patienten vor einem vorzeitigen Tod durch Herz-Kreislauf-Krankheiten zu schützen. Diese gehören zu den gefährlichsten Folgeerkrankung bei Diabetes.

Die zuständige britische Behörde sieht inzwischen für Rosiglitazon "keinen Platz mehr auf dem britischen Markt". Eine derart klare Stellung hat das deutsche Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (Bfarm) noch nicht bezogen. In etwa zwei Wochen will die Ema nach einer neuen Beratung ihre endgültige Einschätzung zu Rosiglitazon mitteilen.

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