Deutschlands Umwelt:Geringe Fortschritte beim Naturschutz

Dem Bundesamt für Naturschutz zufolge sinkt die Zahl der bedrohten Arten kaum, manche Bestände nehmen sogar bedrohlich ab. 36 Prozent aller Tierarten in Deutschland sind vom Aussterben bedroht.

Michael Bauchmüller

Berlin - Die Bundesrepublik macht beim Naturschutz offenbar nur geringe Fortschritte. "Wir sehen ein sehr zwiespältiges Bild", sagte die Präsidentin des Bundesamtes für Naturschutz, Beate Jessel, am Donnerstag in Berlin.

Deutschlands Umwelt: Der  Kiebitz zählt neben dem Wiesenpieper und der Feldlerche in Deutschland zu den gefährdeten Vogelarten.

Der Kiebitz zählt neben dem Wiesenpieper und der Feldlerche in Deutschland zu den gefährdeten Vogelarten.

(Foto: Foto: dpa)

Einerseits fänden zwar mehr Pflanzen und Tiere in neuen Nationalparks oder geschützten Gebieten Schutz.

Andererseits sinke die Zahl der bedrohten Arten kaum, manche Bestände nähmen sogar bedrohlich ab. Als Beispiel nannte Jessel den Kiebitz, die Feldlerche oder den Wiesenpieper. Alle drei Vogelarten zeigten rückläufige Bestände.

"Von einer Trendwende im Naturschutz können wir noch lange nicht sprechen", sagte Jessel, die in Berlin die neuen "Daten zur Natur" vorlegte. Darin macht das Amt eine Bestandsaufnahme des Naturschutzes in Deutschland.

Derzeit gelten 36 Prozent der Tierarten und knapp 27 Prozent der Farn- und Blütenpflanzen als gefährdet. "Nach wie vor gibt es einen großen Bedarf an großen, ungenutzten und vor allem unzerschnittenen Flächen", sagte Jessen. In den vergangenen Jahren hatte die Bundesrepublik in diesem Bereich kräftig nachgelegt. Mittlerweile gibt es fast 8000 Naturschutzgebiete in Deutschland, ihre Fläche ist um ein Drittel größer als noch 1997 - allerdings mit 3,3 Prozent der deutschen Gesamtfläche noch immer verschwindend gering.

Hinzu kommen inzwischen 14 Nationalparks, 13 Biosphärenreservate und 97 Naturparke, deren Flächen sich aber teilweise überschneiden.

Doch gleichzeitig bleibe der Flächenverbrauch, etwa durch neue Straßen oder Siedlungen, immer noch viel zu groß, moniert das Amt. Jährlich gehe so eine Fläche verloren, die fast 80 Prozent des Bodensees entspreche. Täglich werden in Deutschland im Schnitt 113 Hektar versiegelt. Die Zielmarke der Bundesregierung liegt bei 30 Hektar.

Vor allem beim Vogelschutz und in Wäldern verzeichnet das Amt Fortschritte. Amtliches und ehrenamtliches Engagement hätten gefährdeten Arten wie Seeadler, Wanderfalke, Uhu, Steinkauz oder Schwarzstorch erheblich geholfen. Auch in naturnäheren Wäldern seien seltene Vogelarten vermehrt heimisch geworden, heißt es in dem Bericht.

"Wir zerstören gerade eine gewaltige Datenbank"

"Die Erfolge zeigen uns einen Weg auf, wie wir weiterarbeiten müssen", sagte Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD), dem das Amt untersteht. Zugleich warnte er davor, den Naturschutz in Deutschland aufzuweichen.

Daran arbeite "eine Koalition der Unwilligen aus Wirtschaft, Landwirtschaft und einigen Bundesländern". Diese versuchten, im geplanten Umweltgesetzbuch laxere Regeln durchzusetzen. Das Gesetzbuch soll die Vorgaben für den Umweltschutz vereinheitlichen, Bund und Länder konnten sich aber noch nicht verständigen.

Der neue Natur-Bericht erscheint nur vier Wochen vor einer internationalen Artenschutz-Konferenz in Bonn. An dem Treffen Ende Mai nehmen die 190 Vertragsstaaten der UN-Konvention zur biologischen Vielfalt teil. Umweltschützer verbinden große Hoffnungen mit der Konferenz, weil in vielen Ländern die Artenvielfalt noch weit stärker bedroht ist als in Deutschland.

"Wir zerstören da gerade eine gewaltige Datenbank", warnt Martin Kaiser, Waldexperte bei Greenpeace. "Das können wir uns nicht leisten, auch aus ökonomischen Gründen nicht."

Die Konferenz soll vor allem vermitteln: zwischen den Interessen vieler Entwicklungsländer, die aus ihrer Natur auch Kapital schlagen wollen, und denen der Industrieländer: Die haben Interesse an bestimmten Pflanzen, die etwa für Arzneimittel nützlich sind.

"Die Frage ist, wer da am Ende die Gewinne davonträgt", sagt auch Gabriel - der am Samstag nach Brasilien reist, um die Konferenz vorzubereiten. Es dürfe nicht der Eindruck entstehen, Industrieländer wollten die reiche Natur Brasiliens nutzen, aber nichts zu deren Erhalt beitragen. Bei Vorbereitungsrunden für die Bonner Konferenz hatte das Land zuletzt Fortschritte gebremst. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel wird noch vor der Konferenz nach Brasilien reisen.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: