Deutschlands Rekordstädte:Schneller, jünger, aggressiver

Welche deutschen Städte zeichnet sich durch welche Eigenschaften ihrer Bürger besonders aus? SZ Wissen-Reporter haben sich auf die Suche gemacht.

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Der religiöseste Ort Deutschlands Wer den religiösesten Orts des Landes sucht, landet im Bistum Regensburg. Ainau, nahe dem oberbayerischen Geisenfeld, führe die Statistik der sonntäglichen Kirchenbesucher an, teilt das erzbischöfliche Ordinariat mit. Ainau ist die kleinste Pfarrei der Diözese. 78 Prozent der Katholiken des Orts gehen regelmäßig in die Kirche, 32 von 41. Sie laufen jeden zweiten Sonntag kurz vor 19 Uhr die geschwungene Straße hinaus zur Kirche Sankt Ulrich, die auf einem Hügel am Rand der Ilmauen steht. Ein winziger Friedhof drückt sich eng an die Steinmauern des Baus aus dem Jahr 1230, dessen romanisches Portal zwei Steinreliefs zieren. Eines zeigt Jesus, der auf einem Esel in Jerusalem einreitet. Pfarrer Thomas Stummer mag die Kirche, doch mit der Statistik sei das so eine Sache. Eigentlich kämen viel mehr Leute aus der Umgebung. "In Geisenfeld haben wir eine Quote von 15 Prozent Kirchgängern, wie überall im Land." Gemeint ist Bayern. Der katholische Bundesschnitt lag schon vor fünf Jahren bei 14,2 Prozent - Tendenz jährlich um 0,6 Prozent sinkend. Hubert Filser, SZ Wissen 3/2009

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Die schnellste Stadt Dies muss das wahre Wahrzeichen Hannovers sein: der olympische Fackelläufer aus Bronze auf seiner Säule am Maschsee. Vielleicht deshalb verweilt mancher Gast hier einen Moment, schaut hinauf - und fühlt sich gleich ein wenig fehl am Platze, denn diese Stadt duldet keinen Stillstand. Sogar die Spaziergänger scheinen sehr genaue Ziele vor Augen zu haben - und das Ziel ist hier nicht der Weg, eher ein "Bloß-weg!". Das sagt aber nichts gegen Hannover aus, im Gegenteil: Wo Menschen schnell gehen, sei offenbar die Lebenszufriedenheit besonders hoch, betont der Psychologe Olaf Morgenroth, der vor einigen Jahren die Gehgeschwindigkeiten in 20 deutschen Städten gemessen, die Passanten befragt und Hannover zur Siegerin erklärt hat. Demnach gibt es ein Nord-Süd-Gefälle des Fußgängertempos in Deutschland. Die nördliche Lage kommt Hannover also zugute, aber auch seine Größe - in kleineren Städten wird langsamer gegangen - sowie sein allgemeines Lebenstempo, das auf positive Stimmung und Geschäftigkeit hindeutet. Antje Wöhnke, SZ Wissen 3/2009

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Die aggressivste Stadt Das Auto lassen wir noch entspannt stehen, schließlich ist Neumünster nicht die Hauptstadt der Kriminalität insgesamt, sondern nur der Aggression: Auf 100.000 Einwohner kommen im Jahr 1836 Körperverletzungen, im Bundesschnitt sind es etwa 620. Rein rechnerisch - in Neumünster leben nämlich nur knapp 78.000 Menschen. Also Mut gesammelt und ab ins Zentrum: alte Häuser, bunte Marktstände, weiße Möwen, sieht nett aus. Aber lauert da nicht ein Bösewicht an der Ecke? Ach, nur eine Mülltonne. Aber da! Am Käsestand: ein Schuft mit Knüppel? Falsch, ein Straßenfeger. Der Kripochef wird später sagen, es sei schlimm mit der Gewalt, weil Schleswig-Holsteins größtes Gefängnis hier steht und Entlassene oft rückfällig werden. Doch heute ist alles ruhig - bis ein Knirps auf dem Markt einen Wutanfall bekommt. Der Vater brüllt: "Bei drei bist du still, sonst knall ich dir eine." Der Sohn scheint zu wissen, was das bedeutet. Neumünster bleibt friedlich. Charlotte Frank, SZ Wissen 3/2009

Foto: Andreas Geick/Verwendung gemäß GNU-Lizenz für freie Dokumentation

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Der schlechtest gelaunte Ort Nach Zahlen des Leibniz-Instituts für Sozialwissenschaften beantworten besonders viele Ostberliner die Frage, wie häufig sie sich in den vergangenen vier Wochen ärgerlich gefühlt hätten, mit "oft" oder "sehr oft". Mit 31 Prozent führen sie die Bundesstatistik an. Wer die lokale Muffeligkeit trotzdem für ein Vorurteil hält, sollte einmal versuchen - zum Beispiel im Kollwitzkiez - in gehobener Laune gehoben zu frühstücken. Auf riesige Eisbergsalatblätter gebettet, schweben alsbald an den Tisch: eine verschwitzte Mortadellascheibe, ein Parmaschinkenersatzstreifen und ein hartes, grünliches Ei. Wer reklamiert, bekommt zu hören, das Ganze werde ihr, der Kellnerin, vom Lohn "abjezogen". Und wem darauf das soziale Gewissen einflüstert, die Chefin zu konsultieren, dem droht der Rauswurf: "Stimmt wat nich?", raunzt die Dragonerhafte. Genau, zum Beispiel das Ei. "Kann ick dem Huhn vielleicht in'n Arsch kieken?" Einwände abgelehnt. Bleibt nur: zahlen und gehen. Marten Rolff, SZ Wissen 3/2009

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Die jüngste Stadt Wer mit dem Auto nach Vechta fährt, kommt an vielen Ställen vorbei. Hühner oder Schweine meistens. Außerdem sieht man: viel Futtermittelindustrie und Veterinärmedizin - was man so braucht für die Massentierhaltung. Der "Topografische Atlas Niedersachsen" aus den siebzigerjahren schreibt den kinderreichen Katholiken dieser Region die Einführung der Intensivhaltung zu, die den Hunger der Großfamilien stillen mussten. Und wenn man die zentrale Einkaufsmeile, die in Vechta "Große Straße" heißt, erreicht, glaubt man gern an diesen zusammenhang: Junge Mütter mit zwei, drei, vier Kindern im Gefolge sieht man auch heute oft hier. Im 80 Kilometer entfernten Bremen gälte man damit als asozial, sagt der evangelische Pastor Jörg Schlüter, zuständig für den Pfarrbereich Vechta Ost. "Hier wird man dafür beglückwünscht." Neben dem dominierenden Katholizismus und vielen kinderreichen Einwandererfamilien macht er die "tief verwurzelten Traditionen" verantwortlich für die hohe Geburtenrate. Wer schon mal in Bremen gelebt hat, gilt manchen Vechtaranern als Globetrotter. Hanno Charisius, SZ Wissen 3/2009

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