Rohstoffe:Lithium aus Deutschland

Rohstoffe: Ein mit Lithium durchsetztes Stück Erz. In der Region Zinnwald, unter dem Kamm des Erzgebirges an der deutsch-tschechischen Grenze gibt es solche Vorkommen.

Ein mit Lithium durchsetztes Stück Erz. In der Region Zinnwald, unter dem Kamm des Erzgebirges an der deutsch-tschechischen Grenze gibt es solche Vorkommen.

(Foto: Robert Michael/picture alliance/dpa/dpa-Zentral)

Theoretisch ließe sich der wertvolle Rohstoff für Batterien auch hierzulande fördern. Doch zu welchem Preis?

Von Ralph Diermann

Lithium ist ein Schlüsselelement für die Energiewende, denn das Leichtmetall ist ein wichtiger Rohstoff für die Batterien von Elektroautos, für Solarspeicher und Großbatterien zur Stabilisierung der Stromnetze. Der weltweite Bedarf wird sich bis 2030 gegenüber 2020 vervier- bis versiebenfachen, erwartet die Deutsche Rohstoffagentur (Dera). Daher erweitern Förderunternehmen derzeit ihre Kapazitäten. Und doch droht schon in wenigen Jahren eine Versorgungslücke, fürchtet die zur Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe gehörende Agentur. Europa könnte davon besonders betroffen sein, da fast das gesamte Lithium aus dem mit Abstand wichtigsten Förderland Australien per langfristigen Lieferverträgen nach China geht.

Das ist auch deshalb heikel, weil die EU derzeit große Kapazitäten für die Fertigung von Batteriezellen aufbaut. Allein auf die momentan in Deutschland entstehenden sowie geplanten Produktionsstätten entfallen drei bis 15 Prozent des für 2025 prognostizierten weltweiten Lithiumbedarfs, haben Forscher des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) ausgerechnet. Ist nicht ausreichend Lithium verfügbar, stockt die heimische Batteriezellfertigung.

Gegenüber anderen kritischen Rohstoffen wie Kobalt oder seltenen Erden hat Lithium jedoch einen großen Vorteil: Auch in Europa gibt es nennenswerte Vorkommen, die bislang aber noch nahezu unerschlossen sind. So weist das heiße Thermalwasser, das in wenigen Kilometer Tiefe im Oberrheingraben zwischen Basel und Wiesbaden sowie in Teilen Norddeutschlands im Untergrund zirkuliert, oft hohe Lithiumkonzentrationen auf. Das Thermalwasser ist auch deshalb eine attraktive Quelle für den Rohstoff, weil es mancherorts ohnehin bereits an die Oberfläche befördert wird, um Energie zu gewinnen. Hierzulande gibt es heute gut 40 Geothermie-Anlagen, die mit dem heißen Wasser aus der Tiefe halbwegs klimaneutrale Wärme und mitunter auch Strom erzeugen.

Im Labor funktionieren die Verfahren prächtig - in der Praxis fehlt noch die Erfahrung.

Wissenschaftler haben mehrere Verfahren entwickelt, mit denen sich das Lithium aus dem tiefen Thermalwasser herausholen lässt - etwa Membranen, die das Leichtmetall wie ein Sieb herausfiltern, oder Sorptionsverfahren, bei denen Verbindungen wie Manganoxid dem Wasser zugegeben werden, an die sich das Lithium anlagert. "Allen Extraktionsverfahren ist gemein, dass sie im Labor in der Regel gut funktionieren. Nun gilt es, sie in der Praxis zu erproben und weiterzuentwickeln", sagt Valentin Goldberg vom Institut für Angewandte Geowissenschaften am KIT. Das geschieht derzeit in mehreren Pilotprojekten, etwa durch den Versorger EnBW und weitere Partner im nordbadischen Bruchsal oder durch die deutsche Tochter des australischen Unternehmens Vulcan Energy in der Pfalz.

Doch wie viel Lithium lässt sich in der Bundesrepublik überhaupt aus dem Untergrund holen? Das hat Goldberg zusammen mit seinen Kollegen Fabian Nitschke und Tobias Kluge untersucht. "Werden alle infrage kommenden bestehenden Geothermie-Anlagen in Deutschland mit Technologien zur Extraktion von Lithium ausgerüstet, können damit 2 bis 13 Prozent des heimischen Bedarfs gedeckt werden", erklärt der KIT-Forscher. Die große Bandbreite erklärt sich zum einen damit, dass noch nicht klar ist, welcher Anteil des im Wasser enthaltenen Lithiums sich herausfischen lässt. Und zum anderen ist noch ungewiss, wie groß die Nachfrage der Batteriezellfabriken tatsächlich sein wird.

Doch es wäre auch noch deutlich mehr möglich, meint Goldberg. "Wenn es politisch gewollt ist, möglichst viel des deutschen Lithiumbedarfs aus heimischer Förderung zu decken, brauchen wir einen starken Ausbau der Geothermie-Infrastruktur", sagt der Forscher. "Die Weichen dafür müssen schnell gestellt werden, da bereits in wenigen Jahren ein globales Lithiumdefizit droht und vom ersten Konzept bis zur Inbetriebnahme einer Geothermie-Anlage typischerweise mindestens fünf bis acht Jahre vergehen." Willkommener Nebeneffekt: Jede weitere Anlage trägt dazu bei, die CO₂-Emissionen in der Wärmeversorgung zu senken.

Michael Schmidt, Lithium-Experte der Deutschen Rohstoffagentur, verweist auf Berechnungen der Dera, nach denen Europa 27 bis 34 Prozent seines Lithiumbedarfs 2030 durch die Eigenversorgung decken kann - auch aus Vorkommen wie dem Oberrheingraben. Allerdings bestünden bei der Förderung von Lithium, gekoppelt an die Tiefengeothermie, noch eine Reihe offener Fragen. "Woher kommt beispielsweise das Lithium? Wie ist es räumlich verteilt? Welche Effekte treten bei der Re-Injektion der Sole nach der selektiven Entnahme des Lithiums auf? Gibt es Verdünnungseffekte, und wie reichert sich Lithium wieder an? Das sind nur einige Punkte, die geowissenschaftlich zu klären sind", sagt Schmidt.

Wie die Lithiumförderung in Deutschland im Vergleich zu Importen aus wirtschaftlicher Sicht abschneidet, lässt sich dem Forscherteam des KIT zufolge nicht sicher prognostizieren. Denn es sei nur schwer möglich, aus den Kosten einer Laboranlage auf die der industriellen Produktion zu schließen. Allerdings sollte neben der Wirtschaftlichkeit auch noch ein anderer Aspekt berücksichtigt werden: "Die Automobilbranche hat zentrale Bedeutung für Deutschland. Angesichts ihres großen Bedarfs an Lithium für die Elektromobilität ist es deshalb strategisch wichtig, die einheimischen Ressourcen bestmöglich zu nutzen", meint Goldberg.

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