Der Nachteil des Guten:Umwelt-Risiko Bio-Treibstoff?

Raps und Mais gelten als die klimafreundlichen Energielieferanten der Zukunft. Doch Experten warnen vor den Folgen eines exzessives Anbaus von Monokulturen.

Monika Offenberger

Gelb-leuchtende Rapsäcker, sattgrüne Maisfelder - viele Menschen sehen darin den Anfang einer Energiewende. Biogas und Biokraftstoffe, die sich aus den in vielen Ländern der Erde inzwischen geförderten Energiepflanzen erzeugen lassen, sollen die Stromerzeugung und den Verkehr umweltfreundlicher machen.

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Experten sehen Monokulturen kritisch

(Foto: Foto: obs / Ufop e.V.)

Weil sie beim Wachsen das Treibhausgas Kohlendioxid gebunden haben, das erst beim Verbrennen wieder frei wird, können sie Energie fast klimaneutral bereitstellen. In Deutschland fördert das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) den Anbau seit 2004. Seither boomt das Geschäft: Allein im Jahr 2006 wurden in Deutschland rund 1000 Anlagen gebaut, die Pflanzenmasse zu Gas vergären und in Strom verwandeln.

Biomasse als zweischneidiges Schwert

Doch allmählich regt sich bei ebenso umweltbewussten Fachleuten Kritik: Der Anbau von Biomasse sei ein zweischneidiges Schwert. Soeben haben auch die Vereinten Nationen einen Report vorgelegt, der vor den Folgen warnt, große Mengen Treibstoff aus Energiepflanzen zu erzeugen. Den Vorteilen stünden auch Nachteile gegenüber.

Monokulturen könnten Böden auslaugen, starkes Düngen erfordern und die Nahrungsmittelpreise für die Armen erhöhen. Darum findet nach einer aktuellen Umfrage im Auftrag des Magazins Stern auch knapp ein Viertel der Deutschen den Anbau von Energiepflanzen moralisch bedenklich.

Dennoch gibt es große Pläne, verstärkt Biomasse zu nutzen. Die USA wollen mit dem Alkohol Ethanol ihren Benzinkonsum vom Erdöl abkoppeln; Europa könne mit Biogas (Methan) nicht nur Strom erzeugen, sondern auch seinen gesamten Erdgasverbrauch auf nachwachsende Rohstoffe umstellen, ergab vor kurzem eine Studie im Auftrag der Grünen.

Kritik am ungebremsten Ausbau kommt von Natur- und Landschaftsschützern. Sie monieren zum Beispiel, dass stillgelegte Flächen wieder genutzt würden. Ursprünglich dazu gedacht, die Überproduktion von Lebensmitteln zu drosseln, haben sich Brachflächen zu wichtigen Rückzugsräumen für wildlebende Tier- und Pflanzenarten entwickelt.

"Jetzt bauen viele Landwirte auf diesen Flächen Pflanzen für die Energiegewinnung an. Dadurch wird die Artenvielfalt zusätzlich gefährdet", sagt Beate Hülsen vom Landschaftspflegeverband Dachau. Mehr als ein Drittel der 1,2 Millionen Hektar vormals stillgelegter Flächen wurden im Jahr 2006 mit Energiepflanzen bebaut.

Pflanzen zur Energiegewinnung lassen wenig Platz für Biolandbau

Weiterer Kritikpunkt: Die vom EEG garantierte Prämie für nachwachsende Rohstoffe ("Nawaro-Bonus") vereitle die Stärkung des Biolandbaus, da es viel lukrativer sei, Pflanzen für die energetische Nutzung anzubauen als Ökogetreide. "In einigen Regionen in Deutschland sind die Pachtpreise aufgrund der entstandenen Nutzungskonkurrenz so stark gestiegen - zum Teil auf über 800 Euro je Hektar -, dass auch die Milchviehhaltung nicht mehr rentabel betrieben werden kann", heißt es in einem von Naturschutzbund Deutschland (NABU) und Deutschem Verband für Landschaftspflege (DVL) verfassten Hintergrundpapier.

Zudem kritisieren die beiden Verbände die immer intensivere Nutzung schon bestehender Äcker, etwa mit zwei aufeinander folgenden Getreidekulturen in einem Jahr. Die erste wird bereits im Juni geerntet - in der Hauptbrutzeit vieler Wild- und Vogelarten.

Umwelt-Risiko Bio-Treibstoff?

Das größte Problem aber sehen die Umweltschützer im zunehmenden Anbau von Mais. Zwar lassen sich grundsätzlich alle Feldfrüchte zu Biogas vergären, doch Mais liefert pro Fläche den höchsten Ertrag an Biomasse und folglich auch an Biogas. Intensiver Maisanbau belastet die Natur in vielerlei Hinsicht.

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Ökologische Kritierien beim Anbau von Biomasse werden wichtiger

(Foto: Foto: AP)

Den anfälligen Jungpflanzen werden mit Herbiziden alle Wildkräuter vom Leib gehalten. Weil auch beim ausgewachsenen Mais der Boden zwischen den weit auseinander liegenden Pflanzreihen bloß liegt, trocknet er leichter aus und neigt zu Erosion. Zudem lässt sein Wasserspeichervermögen nach, weil die Maiswurzeln ihn nur oberflächlich auflockern.

Ökologische Mindeststandards für Biokraftwerke sollen verschäfft werden

Umweltverbände fordern daher für die 2008 anstehende Novellierung des EEG ökologische Mindeststandards: Die Betreiber von Biokraftwerken sollen auch Flächen für Feldgehölze oder extensiv genutztes Grünland bereitstellen. Auf Insektizide und Fungizide sollten sie ganz, auf Herbizide weitgehend verzichten. Und: Der Anteil von Silomais in den Biogasanlagen muss auf maximal 50 Prozent beschränkt werden.

Dabei hilft womöglich ein vom Landwirtschaftsministerium gefördertes Projekt namens EVA. Darin werden seit Frühjahr 2005 verschiedene Fruchtfolgen von Energiepflanzen in sechs Anbauregionen Deutschlands verglichen, um die regional am besten geeignete zu finden.

Getestet werden neben bewährten Feldfrüchten auch kaum mehr kultivierte Pflanzen wie Topinambur, weißblühender Steinklee und Ölrettich und in Deutschland wenig bekannte Arten wie Sudangras und Zuckerhirse - teils in Mischkulturen aus bis zu drei Arten.

"Wir bewerten neben dem Methan-Ertrag pro Flächeneinheit auch ökologische Kriterien, zum Beispiel den Grad der Bodenbedeckung, das Brutverhalten von Vögeln oder die Artenvielfalt der Bodenlebewesen", erklärt Arlett Nehring, Agrarwissenschaftlerin an der Thüringer Landesanstalt für Landwirtschaft.

Neue Fruchtfolgen als Alternative zum Mais

Eine Zwischenbilanz lässt bereits erkennen, dass - auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten - "einige Fruchtfolgen aus verschiedenen Getreidesorten in vielen Fällen eine echte Anbaualternative zum Mais sind", sagt Nehring. An zwei Standorten wurden die Trockenmasseerträge von Mais sogar übertroffen: von Sudangras. "Das braucht weniger Wasser als Mais und wird dichter, so dass der Boden besser vor Erosion geschützt ist."

Von einer größeren Vielfalt an Energiepflanzen könnte nicht nur die Natur profitieren, sondern auch die Biogaserzeuger. Davon ist Josef Pellmeyer, Präsident des Fachverbands Biogas und selbst Landwirt, überzeugt: "Wenn man einen Bullen nur mit Mais füttert, wächst er weniger als mit Mischfutter. Genauso bringt die richtige Pflanzenmischung auch einen höheren Ertrag an Biogas. Denn die Vergärung in der Anlage machen ja die gleichen Bakterien wie im Rindermagen."

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