Debatte um Gorleben:Es gibt keinen idealen Ort für ein Endlager

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Wer über Gorleben als Endlager für hoch radioaktiven Müll diskutiert, muss sich darüber klar sein, dass auch Salzstöcke Gefahren bergen. Andere Länder vertrauen auf Granit und Tongestein.

Christopher Schrader

Der Bergmann sagt: "Vor der Hacke ist es dunkel." Er meint damit, dass er nie genau wissen kann, ob und wann er in einer Mine das Gesuchte findet. Das gilt natürlich auch für das Bergwerk Gorleben, das als mögliches Endlager für hoch radioaktiven Müll erkundet werden soll. Wobei es den Betreibern hier eher darum geht, etwas nicht zu finden: geologische Belege, dass Gorleben ungeeignet ist, Atommüll für eine Million Jahre sicher zu umschließen und von der Biosphäre an der Oberfläche zu isolieren.

Das Bergwerk in Gorleben: Nach Meinung der Gegner des Projekts gibt es etliche geologische Mängel; sie seien derart bedeutend, dass man das Projekt sofort aufgeben müsse. (Foto: dapd)

Nach Meinung der Gegner des Projekts gibt es etliche geologische Mängel; sie seien derart bedeutend, dass man das Projekt in Gorleben sofort aufgeben müsse. Nur politische Einflussnahme habe das Projekt überhaupt am Leben gehalten, sagt Tobias Riedl von Greenpeace. "Bei den Untersuchungen hat man in Gorleben immer wieder die Kriterien für ein Endlager an das angepasst, was man dort gefunden hat. Da wurde getrickst und verschleiert."

Anders hatte sich 2008 die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) geäußert: "Aus geowissenschaftlicher Sicht (liegen) keine Erkenntnisse aus dem Salinar gegen die Eignungshöffigkeit des Salzstocks Gorleben vor." Das Bundesamt für Strahlenschutz in Salzgitter sah sich damals genötigt klarzustellen: "Das BfS geht davon aus, dass es noch mindestens 15 Jahre dauert, bis endgültig klar ist, ob Gorleben als Endlager für hoch radioaktive Abfälle geeignet ist oder nicht." Das steht noch immer auf der Homepage der Behörde, die andererseits die Weisung von Umweltminister Norbert Röttgen ausführen muss, bis 2017 die Erkundung abzuschließen.

In dieser Zeit werden die Prüfer etliche mögliche Schwachpunkte des Salzstocks im Wendland diskutieren müssen. Da ist zum einen die sogenannte Gorlebener Rinne, eine Störung des Deckgebirges, die genau über dem unterirdisch wie ein Hut aufgewölbten Salzstock liegt. Die für einen sicheren Einschluss des radioaktiven Materials notwendige, wasserdichte Schicht aus Ton ist hier nicht nur dünn, sondern löchrig. Nach Gutachten des BGR liegen "gut durchlässige Rinnensande" unmittelbar auf dem Salz und stehen außerdem mit einem bedeutenden Grundwasserleiter "hydraulisch in Kontakt". Wie das Amt dennoch zu seiner positiven Einschätzung gelangt ist, bedarf noch der Erklärung.

Es erscheint nämlich folgendes Szenario denkbar. Wasser greift das Salz an und dringt womöglich im Lauf der Jahrtausende zu den eingeschlossenen Atommüllbehältern vor. Auf umgekehrtem Weg könnte das strahlende Material von unten an die Oberfläche gelangen. Nach Simulationen gibt das BGR für das Salzwasser, das sich bisher gebildet hat, Laufzeiten vom Salzstock zur Grundwasseroberfläche von "mehreren tausend bis zehntausend Jahren an". Die schon jetzt im Salzstock gefundenen Laugenvorkommen, stellt das BfS klar, stammen aber von innen, nicht aus dem Deckgebirge.

Weiterhin müssen sich die Experten in Gorleben über mögliche Gasvorkommen ein Urteil bilden. Greenpeace hatte Anfang November enthüllt, dass Arbeiter bei Bohrungen in den achtziger Jahren auf brennbares Gas gestoßen waren. In einem Salz-Bergwerk der DDR war es deswegen 1969 nur wenige Kilometer von Gorleben entfernt zu einer Explosion gekommen, sagte auch der ehemalige Gorleben-Gutachter Klaus Duphorn den Medien.

Das Gas könne sich bei Sauerstoff-Zufuhr schon ab 20 Grad Celsius entzünden, die Atommüllbehälter aber könnten 200 Grad warm werden. Selbst wenn es nicht zur Explosion komme, würde sich der Druck im Salzstock erhöhen. Das könnte Risse im Bergwerk auslösen zu Hebungen von mehreren Metern führen - und so den Stofftransport im Salzstock beschleunigen.

Als Gorleben 1977 zum Standort eines Endlagers gekürt wurde, stand es keinesfalls weit oben auf der Prioritätenliste von Geologen. Kritiker fordern daher seit langem, die Suche nach einem Endlager in Deutschland komplett neu zu beginnen. Vorher festgelegte, verbindliche Kriterien sollten hinterher einen Vergleich verschiedener Standorte zulassen.

Die Wissenschaft weiß seit einiger Zeit, dass es den idealen Platz sowieso nicht gibt. Auch die verschiedenen Wirtsgesteine haben Vor- und Nachteile, wie schon der sogenannte Synthesebericht des BfS von 2005 feststellte.

Außer Salz kommen noch Granit und Tongestein in Frage; ersteres haben Schweden und Finnland ausgewählt, letzteres Frankreich und die Schweiz. Granitvorkommen gibt es nach dem aktuellen Gutachten der BGR in Deutschland nicht ausreichend. Tongestein hingegen findet sich in einem breiten Band von Niedersachsen nach Brandenburg sowie westlich des Bodensees und entlang der Donau an der Grenze von Baden-Württemberg und Bayern in der Gegend von Ulm. Für Hessen weist die Karte keine "untersuchungswürdigen Wirtsgesteinsformationen" aus.

© SZ vom 12.11.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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