SZ-Klimakolumne:Und das Haus brennt immer noch

Lesezeit: 3 Min.

"WEF-Leute heizen Zerstörung des Planeten an", wirft Greta Thunberg am Donnerstag den Teilnehmern des Weltwirtschaftsforums vor. (Foto: Arnd Wiegmann/Reuters)

Vier Jahre ist es her, dass Greta Thunberg in Davos dazu aufrief, in Panik zu verfallen und endlich das Klima zu schützen. Was seitdem geschehen ist? Eine Frage der Interpretation - und der Haltung.

Von Vivien Timmler, Davos

"Hast du schon gehört, Greta ist hier": An jeder Ecke war dieser Satz am Donnerstagvormittag beim Weltwirtschaftsforum in Davos zu hören. Die Spanier am Nebentisch hatten es mitbekommen, die Italienerinnen an der Kaffeebar, die Nigerianer in der Schlage vor der Garderobe. Kein Wunder: Jedes Mal, wenn die schwedische Klimaaktivistin bislang in Davos sprach, konnten sich die Mächtigen der Welt auf etwas gefasst machen. Viele hier erinnern sich noch an ihre fulminante "Our house is on fire"-Rede im Jahr 2019.

Dieses Jahr hält Thunberg keine Rede. Schwere Vorwürfe macht sie den Teilnehmern des Weltwirtschaftsforums trotzdem. Bei einer Pressekonferenz wirft sie den Wirtschafts- und Politeliten vor, "Gier" und "kurzfristige wirtschaftliche Gewinne über die Menschen und über den Planeten" zu stellen. Das Weltwirtschaftsforum sei dominiert von genau jenen Menschen, die die Zerstörung des Planeten vorantrieben.

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Gemeinsam mit den Klimaaktivistinnen Luisa Neubauer aus Deutschland, Vanessa Nakate aus Uganda und Helena Gualinga aus Ecuador hat sie einen offenen Brief geschrieben, in Davos werben sie dafür. Die jungen Frauen fordern darin das sofortige Ende der fossilen Expansion. Mehr als 900 000 Menschen haben den Brief bereits unterzeichnet. "Es kann keine neuen fossilen Projekte geben und keine fossilen Expansionen, übrigens auch nicht von Kohleminen", sagt Neubauer. Die Industrie selbst aber werde diesen Weg nicht weisen. "Jemand anderes muss sagen: Genug ist genug."

Die vier Klimaaktivistinnen Thunberg, Nakate, Gualinga und Neubauer (von rechts nach links) gemeinsam mit Fatih Birol, dem Chef der Internationalen Energieagentur. (Foto: Markus Schreiber/AP)

In Davos schlägt sich eine ganze Reihe der Wichtigen und Mächtigen auf die Seite von Neubauer und Thunberg. Natürlich reicht ihnen das nicht, beide betonen immer wieder, dass es Taten brauche und nicht Worte. Und doch ist es bemerkenswert, wie viel Raum der Klimaschutz mittlerweile in Davos einnimmt. Bundeskanzler Olaf Scholz widmet ihm große Teile seiner Rede, auch für UN-Generalsekretär Antonio Guterres ist es hier in Davos das bestimmende Thema.

Am deutlichsten aber wird John Kerry. Deutschland traue er ja noch zu, das 1,5-Grad-Ziel einzuhalten, sagt der Klimabeauftragte von US-Präsident Joe Biden. "Global aber steuern wir gerade eher auf zweieinhalb Grad zu", so Kerry. "Das müssen wir dringend ändern." Er glaube jedoch, dass das Engagement und der absolute Wille fehlten, sagt Kerry weiter. Mit ihm auf der Bühne sitzt der Ikea-Geschäftsführer Jesper Brodin. "1,5 Grad ist kein Ziel", sagt er, "das ist ein planetarisches Limit".

Die Ambivalenz im Hinblick auf das Klima ist hier allen bewusst

In Davos bekommt man von diesem planetarischen Limit in dieser Januarwoche gar nicht mal so viel mit. Fast jeden Tag schneit es, die Teilnehmer stapfen in schweren Stiefeln oder Anzugschuhen mit umgeschnallten Spikes durch die Gegend, beim Smalltalk klagt mindestens jeder Zweite über die Temperaturen von bis zu minus acht Grad. Die Ambivalenz dieser Veranstaltung im Hinblick auf das Klima ist hier allen bewusst, klar, wird sie ja auch Jahr für Jahr thematisiert. Dass viele Emissionen entstehen, wenn 2700 Teilnehmer aus 130 Ländern einfliegen (die wenigsten fahren), liegt auf der Hand. Und doch schaffen es Menschen, die sich natürlich nicht öffentlich zitieren lassen möchten, die Auswirkungen für das Klima herunterzuspielen. "Ich mache hier Speed-Dating, treffe an zwei Tagen 25 wichtige Leute, für die ich sonst drei Monate lang durch die Welt reisen müsste", sagt etwa ein deutscher Topmanager.

Deutschlands Sonderbeauftragte für internationale Klimapolitik im Auswärtigen Amt Jennifer Morgan, die beim Weltwirtschaftsforum ihre Chefin Annalena Baerbock (Grüne) vertritt, erklärt, sie komme seit Jahren nach Davos, auch und vor allem in der Zeit, zu der sie die Weltchefin der Umweltschutzorganisation Greenpeace war. Einfach weil es wichtig sei, dort zu sein, wo die Entscheider seien. Auf der Bühne mit John Kerry drückt sie ihre Wertschätzung für "Fridays for Future" aus. "Wir haben in Deutschland und auf der ganzen Welt eine sehr aktive Jugendbewegung, die unglaublich wichtig ist", sagt sie. Und noch wichtiger: Diese werde so schnell nicht weggehen, nicht verstummen. Auch nicht in Davos.

(Dieser Text stammt aus dem wöchentlichen Newsletter Klimafreitag, den Sie hier kostenfrei bestellen können.)

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