Datenschutz:Zeuge am Handgelenk

Fernseher belauschen ihre Besitzer, Sportler zeichnen ihre Leistungen mit Geräten auf und aus Herzschrittmachern lässt sich auslesen, was der Patient in den vergangenen Wochen getan hat. Gerichte in den USA nutzen solche Daten längst als Beweismittel.

Von Hanno Charisius

Alexa hat immer ein offenes Ohr. Der digitale Assistent, den der Onlinehändler Amazon seinen Kunden anbietet, hört jedes Geräusch in seiner Umgebung. Ein Schlüsselwort weckt die mit Mikrofonen gespickte Lautsprecherbox aus ihrer Passivität; auf Wunsch des Besitzers bestellt Alexa dann neues Waschmittel, dimmt das Licht in der Küche oder dreht die Heizung im durchdigitalisierten Haushalt etwas runter. Aber auch wenn Alexa gerade nichts zu tun hat, hört der Assistent manchmal zu - und kann so Zeuge eines Mordes werden. Dies zumindest vermutet ein Gericht im US-Bundesstaat Arkansas und fordert von Amazon die Freigabe der Daten des Gerätes, das an einem Tatort sichergestellt wurde. Vor einigen Tagen gab der Konzern die Dateien schließlich frei.

Digitale Assistenten, smarte Fernseher, Fitnessarmbänder, sogar Herzschrittmacher zeichnen Daten auf, die in den USA bereits vor Gericht Beweiskraft bekamen. So hatte ein Mann behauptet, er sei beim Brand seines Hauses durch ein Fenster geflüchtet. Die aufgezeichneten Messungen seines Herzschrittmachers konnten die Behauptung nicht belegen. Der Herzpatient wurde stattdessen der Brandstiftung verdächtigt. Und in Pennsylvania widersprachen die Daten des Fitnessarmbandes einer Frau ihrer Behauptung, angegriffen worden zu sein. Die Behörden ließen den Fall deshalb fallen.

Datenschützer warnen vor den allgegenwärtigen Spionen. Erst kürzlich demonstrierte Digitalforensiker John Sammons von der Marshall University auf einem Kongress in New Orleans, was man heutzutage aus dem Speicher eines modernen Autos auslesen kann: das Adressbuch des angeschlossenen Mobiltelefons, Anrufliste und Textnachrichten, außerdem die Position des Autos, wann gebremst und wann die Türen geöffnet wurden. Sammons bezeichnet die heutigen Möglichkeiten als "Spitze des Eisbergs". Mit dem Trend, Alltagsgegenstände ans Internet anzuschließen, gerate die Privatsphäre zunehmend in Gefahr.

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