Es ist wie auf einem gelungenen Babyfoto. Alles so, wie man es sich vorgestellt hat, einfach perfekt. Dass es hier um ein Babyfoto des Universums geht, macht keinen Unterschied, außer dass es vergleichsweise aufwendig erstellt wurde. Am Mittwoch haben Astrophysiker Daten des seit 2009 im All kreisenden europäischen Satelliten Planck vorgestellt, zusammengefügt zu einem bunten Mosaik aus blauen, orangen und roten Flecken.
"Ein bisschen wie moderne Kunst - oder ein dreckiger Football", scherzte George Efstathiou, Kosmologe an der Universität Cambridge, bei der Präsentation der Bilder in Paris. Der Physiker sieht in den Aufnahmen aber etwas anderes: "ein fast perfektes Universum", das mit wenigen Abweichungen den theoretischen Vorhersagen entspricht. Ein paar Überraschungen wären den Forschern wohl lieber gewesen.
Gemessen haben die Kosmologen die sogenannte Kosmische Hintergrundstrahlung, eine Art Nachglimmen des Urknalls. Etwa 380.000 Jahre alt war das Universum zu jenem Zeitpunkt, den Planck nun festgehalten hat. Noch frühere Babybilder sind nicht möglich, denn direkt nach dem Urknall vor etwa 13,8 Milliarden Jahren war das Universum ein dichter, heißer Feuerball. Elektronen, die negativ geladenen Elementarteilchen, besaßen so viel Energie, dass sie sich nicht dauerhaft an ihre positiv geladenen Partner, die heutigen Atomkerne binden konnten. Sie flitzen frei durch die Gegend. Wie die Tröpfchen eines dichten Nebels streuten sie dabei das Licht und verhinderten dessen Ausbreitung.
Erst danach kühlte sich der junge Kosmos langsam ab. 380.000 Jahre nach dem Urknall, das Universum war auf ein Tausendstel seiner heutigen Größe angewachsen, fiel die Temperatur schließlich auf knapp 3000 Grad Celsius. Elektronen und Protonen konnten sich zu Wasserstoffatomen verbinden. Der Nebel lüftete sich, das erste sichtbare Licht machte sich auf den Weg durch die Äonen.
Heute, fast 14 Milliarden Jahre später, ist dieses ursprüngliche Licht noch immer vorhanden. Da sich das Universum aber ausgedehnt hat, sind auch die ersten Lichtteilchen "gestreckt" worden. Ihre Wellenlängen liegt heute im Bereich der Mikrowellen-Strahlung. Deren Signale konnte der knapp zwei Meter großer Hauptspiegel von Planck auffangen, der beim Raumfahrtkonzern Astrium in Friedrichshafen gefertigt wurde - mit einer zuvor unerreichten Genauigkeit. "Dadurch können wir nun Präzisionskosmologie machen", sagt Torsten Enßlin vom Max-Planck-Institut für Astrophysik und Leiter der deutschen Beteiligung an der Planck-Mission.
Dabei zeigt sich, dass das kosmische Hintergrundrauschen alles andere als gleichförmig ist. Kurz bevor die Photonen des Ur-Lichts den Feuerball verlassen konnten, waren manche der Lichtquanten in dichteren und wärmeren Regionen unterwegs gewesen, andere in dünneren und kälteren. Dieses Flackern ist bis heute in der aus allen Richtungen des Alls kommenden Mikrowellenstrahlung eingebrannt; es macht sich in den unterschiedlichen Farben des Babyfotos bemerkbar.
Die Flecken sind mehr als nur ein dekoratives Muster, sie sind ein Fingerabdruck von der Geburt des Kosmos: Gemäß den Modellen zur Entstehung des Universums gehen sie zurück auf Temperaturschwankungen, die durch zufällige Quantenprozesse etwa zehn Trillionstel einer Trillionstelsekunde nach dem Urknall entstanden sein müssen.
In dieser Phase hat sich das Universum schlagartig von der Größe eines Atomkerns auf die einer Apfelsine aufgeblasen - ein Vorgang, den Kosmologen Inflation nennen. " Planck bestätigt nun erstmals unser Bild, wie diese Inflation stattgefunden haben muss", sagt Enßlin.
Auch sonst kommen die Ergebnisse der 700 Millionen Euro teuren Mission, die bislang noch nicht wie sonst üblich von Kollegen begutachtet und in einer Fachzeitschrift veröffentlicht wurden, lediglich kleinen Korrekturen gleich: Das Universum ist demnach 13,82 Milliarden Jahre alt, also 80 Millionen Jahre älter als bislang gedacht, es dehnt sich etwas langsamer aus und es besteht zu 4,9 und nicht zu 4,5 Prozent aus sichtbarer Materie.
Verantwortlich für den Rest sind die Dunkle Materie (26,8 Prozent), die für die Bildung von Galaxien zuständig sein soll, und die ominöse Dunkle Energie (68,3 Prozent), die das Universum mit Wucht auseinander treibt. Beide Phänomene sind zwar im All eindeutig messbar, aber bislang unerklärlich. Planck hilft an diesem Punkt leider auch nicht weiter, die Kosmologie steckt weiterhin in einer Sackgasse.
Die Forscher klammern sich daher an einige Ungereimtheiten in ihren Messdaten, die nicht so recht zu den bisherigen Modellen passen. Zum Beispiel sind die Fluktuationen im Mikrowellenhintergrund ungleich über die beiden Hälften des Himmels verteilt, große Flecken sind nicht so häufig wie gedacht und tief im Süden findet sich eine kalte Region. "Das könnten Hinweise auf eine unbekannte Physik sein", sagt Torsten Enßlin. "Es könnte sich aber auch um statistische Fluktuationen handeln", also Zufall.
Bislang sind erst die Hälfte der Daten des Planck-Teleskops ausgewertet, das 30 Monate lang den Himmel gescannt und dabei fünf komplette Panoramas mit 50 Millionen Bildpunkten erstellt hat. Die Forscher haben daher die Hoffnung noch nicht aufgegeben, in den Daten noch den Schlüssel zu finden, der den Zugang zu den großen Rätseln des Universums öffnet.