Das Ende der Spaceshuttles:Ein bemerkenswerter Fehlschlag

Ohne die US-Raumfähren hätte es weder die Internationale Raumstation ISS noch das Weltraumteleskop "Hubble" gegeben. Doch das Spaceshuttle-Programm konnte Raumfahrt nicht zur Routine machen, sondern ist an Sicherheitsproblemen und Kostengründen gescheitert.

Alexander Stirn

Zum Abschluss hat die Nasa ihren betagten Raumtransportern noch einmal einen bunten Werbefilm spendiert. Achtzig Minuten lang werden darin bildgewaltig, pathetisch und patriotisch die Erfolge der "unglaublichsten technologischen Heldentat unserer Zeit" aufgelistet. Erzählen darf all das William Shatner, der Darsteller des Captain Kirk aus der TV-Serie "Raumschiff Enterprise".

Das Vermaechtnis des Space Shuttles

Die Wende der Shuttle-Ära: das Challenger-Unglück von 1986. Bei der Explosion der Raumfähre kurz nach dem Start starben alle sieben Besatzungsmitglieder.

(Foto: dapd)

Es hätte kaum eine passendere Kombination geben können: Beide, Shatner und der Shuttle, genießen Kultstatus. Beide haben sich in den vergangenen Jahren noch einmal an einem Comeback versucht. Und beide - sorry, Mr. Shatner - haben ihre beste Zeit längst hinter sich.

"Der Shuttle war eine bemerkenswerte Maschine, ohne ihn hätte es weder die Internationale Raumstation ISS noch das Weltraumteleskop Hubble gegeben", sagt John Logsdon, ehemaliger Direktor des Instituts für Raumfahrtpolitik der George Washington University. "Gleichzeitig hat der Shuttle die in ihn gesetzten Erwartungen eines sicheren, günstigen, routinemäßigen Flugs ins All aber nie erfüllt." Logsdons Fazit fällt eindeutig aus: Der Shuttle war zu riskant, zu teuer, zu komplex. Er hätte schon längst ausgemustert werden müssen.

Anfang der 1970er Jahre, als die Nasa ihre Pläne für einen wiederverwendbaren Raumgleiter vorstellte, klang das noch ganz anders. Die Verantwortlichen sprühten vor Optimismus. Im Wochenrhythmus sollten die Shuttles starten, zu Kosten von 50 Millionen Dollar pro Mission.

Doch allzu schnell erwies sich ausgerechnet die Wiederverwendbarkeit als besonders großes Problem; zu teuer und zu langwierig war es, Triebwerke und Orbiter jeweils auf einen neuen Start vorzubereiten.

Wenn am heutigen Freitag die Atlantis zum allerletzten Flug eines Shuttles abhebt, werden es 135 Missionen in mehr als 30 Jahren geworden sein. Geschätzte 120 Milliarden Dollar wird die Nasa dafür ausgegeben haben - deutlich mehr als ursprünglich veranschlagt. Aber auch zu viel?

John Shannon, Spaceshuttle-Programmmanager in Diensten der Nasa, will das Kostenargument nicht gelten lassen: "In meinen Augen war das Shuttle-Programm von unschätzbarem Wert. Wie soll man an so etwas ein Preisschild kleben?"

Doch es waren nicht nur die immensen Kosten, die das Programm belastet haben. Es war vor allem dessen mangelnde Sicherheit. Im Januar 1986, nicht einmal fünf Jahre nach dem Erstflug eines Spaceshuttles, verwandelte sich die Challenger kurz nach dem Start in einen todbringenden Feuerball. Niemand hatte die defekten Dichtungsringe an einer der beiden Feststoffraketen beachtet.

Erfolg oder doch ein Fehlschlag?

"Spätestens damals hätte man den Shuttle durch ein Nachfolgemodell ersetzen sollen", sagt Logsdon. Die Blöße, viele Jahre ohne ein bemanntes Raumfahrzeug auskommen zu müssen, wollten sich die USA aber nicht leisten - ganz besonders nicht zu einer Zeit, in der das Pentagon den Raketenabwehrschirm SDI durchzusetzen versuchte.

Spaceshuttle

Darstellung der Spaceshuttle-Pläne aus dem Jahre 1972.

(Foto: Nasa)

Der Shuttle flog weiter - bis im Februar 2001 die Columbia beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre auseinanderbrach. Doch selbst der eilig einberufene Untersuchungsausschuss erwog nicht das Ende der Shuttle-Flüge.

Während der verordneten Zwangspause musste er allerdings mitansehen, wie russische Sojus-Kapseln Amerikas Astronauten sicherer und billiger ins All brachten. "Wäre da nicht der nationale Stolz gewesen, wir hätten auf ewig mit den Russen fliegen können", sagt Logsdon.

Neben dem Stolz war es aber auch eine Art Pflichtgefühl, das die Raumfähren - trotz großer Sicherheitsbedenken - am Leben hielt: Ohne die gut 80 Kubikmeter große Ladebucht des Shuttles wäre der weitere Ausbau der Raumstation, auf den sich die USA zusammen mit 15 internationalen Partnern verständig hatte, nicht möglich gewesen.

"Wir werden zu Ende bringen, was wir angefangen haben", sagte US-Präsident George W. Bush Anfang 2004 in Washington. "Wir werden unsere Verpflichtungen erfüllen."

2010, mit der geplanten Fertigstellung der ISS, werde aber endgültig Schluss sein, verfügte jedoch der damalige Präsident. Nun ist es der Juli 2011 geworden, einmal mehr waren technische Probleme der alternden Raumfähren für die Verzögerung verantwortlich.

War das Shuttle-Programm letztlich ein Erfolg oder doch ein Fehlschlag? "Seine Leistungen waren durchwachsen", sagt John Logsdon.

John Shannon ist ganz anderer Meinung. "Ein 30 Jahre andauernder Fehlschlag? Das ist lächerlich", sagt der Nasa-Manager. "Wir waren es dem Shuttle-Programm vielmehr schuldig, nicht nach Columbia aufgehört zu haben, sondern jetzt, mit dem Ausbau der ISS, einen würdigen Schlusspunkt zu setzen".

Diesen Satz könnte auch William Shatner in dem Nasa-Werbefilm aufsagen.

(Der Film: Documentary auf der Seite http://www.nasa.gov/externalflash/the_shuttle/)

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