Raumfahrt:Volltreffer in den Schutthaufen

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Unmittelbar nach dem Aufprall zeigt dieses Bild der Sonde "Liciacube" gewaltige Staubschwaden rund um den Asteroiden Dimorphos (oben). (Foto: Asi/Nasa/AFP)

Der Einschlag der "Dart"-Sonde hat den Asteroiden Dimorphos deutlicher als erwartet von seiner Bahn abgelenkt. Was sagt das über solche Objekte aus - und was bedeutet es für den Schutz der Erde?

Von Marlene Weiß

Es ist ein historischer Erfolg der Nasa: Erstmals hat die Menschheit den Lauf eines Himmelskörpers verändert. Rund zwei Wochen nach dem Einschlag der Dart-Sonde auf dem Asteroidenmond Dimorphos haben Analysen mit Teleskopen auf der Erde ergeben, dass sich dessen Umlaufbahn um seinen Zentralkörper Didymos erheblich verkürzt hat, viel stärker als erwartet. Vor dem Auftreffen der Dart-Sonde brauchte Dimorphos elf Stunden und 55 Minuten für eine Runde. Nun sind es nach Nasa-Angaben nur noch elf Stunden und 23 Minuten, mehr als eine halbe Stunde weniger.

Vor der rund 330 Millionen Dollar teuren Asteroiden-Abwehr-Mission war schwer abzusehen, wie groß die Wirkung sein würde, weil man Zusammensetzung und Konsistenz des Ziels nicht kannte. Wäre Dimorphos - der weder vor noch nach dem Einschlag jemals eine Bedrohung für die Erde dargestellt hat - ein maximal harter Felsbrocken, hätte die Sonde beim Aufprall nur ihren eigenen Impuls übertragen können. Eine Sonde im Kleiderschrankformat allein hat aber selbst bei der hohen Einschlagsgeschwindigkeit von mehr als sechs Kilometern pro Sekunde nur eine begrenzte Auswirkung auf einen Asteroiden, der etwa die Ausmaße einer großen ägyptischen Pyramide hat - nur um rund 73 Sekunden hätte ein frontaler Einschlag ohne Krater die Umlaufzeit verkürzt.

Doch Dimorphos ähnelt offenbar noch viel weniger als erwartet einem harten Felsklotz. Vor dem Aufschlag hatten die Nasa-Experten angenommen, dass die Sonde einen ordentlichen Krater hinterlassen würde. Das dabei herausgeschleuderte Material, so die Berechnungen, sollte Dimorphos weit mehr ablenken als die Sonde allein, mit einer um einige Minuten verkürzten Umlaufzeit hatte man gerechnet.

Erste Bilder hatten eine gewaltige Staubwolke gezeigt

Doch schon kurz nach dem Einschlag hatten die Bilder der ebenfalls zur Dart-Mission gehörenden Begleitsonde Liciacube gezeigt, dass der Einschlag gewaltige Spuren hinterlassen hat: Eine riesige Staubwolke war entstanden. "Überraschend war, dass durch den Einschlag offenbar so viel Material herausgeschleudert worden ist", sagt Stephan Ulamec vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR).

Das war wohl auch ein Grund, warum es nun so lange gedauert hat, die Veränderung der Umlaufzeit präzise zu messen. Prinzipiell ist das mit bodenbasierten Teleskopen relativ einfach, denn bei jedem Vorbeiziehen von Dimorphos verdunkelt sich das von Didymos reflektierte Sonnenlicht etwas, sodass man aus dieser periodischen Schwankung die Umlaufzeit ablesen kann. Aber durch die große Staubwolke war das offenbar etwas schwerer zu erkennen als sonst.

Dass ein Umlauf nun eine gute halbe Stunde weniger braucht als vor dem Einschlag, ist für die beteiligten Forscher enorm spannend. "Dimorphos scheint sehr lose gebunden zu sein, eher wie ein Schutthaufen als ein homogener Felsbrocken", sagt Ulamec. Zwar weiß man nicht, ob das bei allen kleineren Asteroiden so ist, womöglich ist Dimorphos ein Einzelfall. "Aber bereits von Sonden besuchte Asteroiden wie Bennu oder Ryugu sehen ähnlich aus, man kann vermuten, dass ein Ablenken ihrer Bahn durch einen Einschlag auch bei ihnen besser funktionieren würde als zunächst angenommen." Das sind prinzipiell gute Nachrichten, was den Schutz der Erde vor einem Asteroiden auf Kollisionskurs angeht.

Vermutlich, sagt Ulamec, sei auch ein entsprechend großer Krater entstanden. Genau wird man das allerdings erst wissen, wenn die europäische Hera-Mission, die 2024 starten soll, im Jahr 2026 das Asteroidensystem erreicht und neue Aufnahmen von Dimorphos machen kann.

"Diese Mission zeigt, dass die Nasa versucht, auf alles vorbereitet zu sein, was das Universum uns entgegenwirft. Die Nasa hat bewiesen, dass wir die Verteidigung des Planeten ernst nehmen", sagte der Chef der Weltraumbehörde, Bill Nelson. Er nannte den Erfolg der Mission einen "Wendepunkt" für den Schutz der Menschheit vor dem Einschlag eines Asteroiden.

Derzeit ist unter den rund 10 000 bekannten erdnahen Asteroiden mit einem Durchmesser von mehr als 140 Metern keiner, der in absehbarer Zeit direkt auf die Erde zurasen könnte. Aber es gibt noch unzählige weitere, die erst mit neuen Teleskopen wie dem Vera-Rubin-Observatory in Chile oder dem Neo Surveyor im Weltraum erfasst werden dürften. Umso relevanter wird es zu wissen, was man im Falle eines Falles unternehmen könnte.

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