Corona-Pandemie:Warum das Vertrauen in Wissenschaft sinkt

Jahreswechsel

Da hat sich einiges angestaut - auch Wut auf Politik und Medien: Demonstration gegen die Corona-Politik Mitte November in Schwerin.

(Foto: Jens Büttner/dpa)

Es liegt nicht nur an ein paar Querköpfen, sondern am fehlendem Rückhalt in der Politik, dass das Vertrauen in die Wissenschaft schwindet.

Kommentar von Hanno Charisius

In Deutschland vertrauen 60 Prozent der Menschen der Wissenschaft. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Befragung Anfang November. Es klingt nach bitter wenig, ist aber mehr als in den drei vorherigen Jahren. Wirklich bitter aber wird es, wenn man einen Blick auf die Zustimmungswerte im Frühjahr wirft: Im April gaben 81 Prozent der Befragten an, Wissenschaft und Forschung zu vertrauen. Ein Rekordwert - der seitdem um 20 Prozentpunkte in Richtung durchschnittliches Misstrauen erodierte. Woran liegt das - ausgerechnet im ersten Jahr der Pandemie?

Neunmalkluge, die glauben, durch einen Abend Googeln ein Studium ersetzen zu können

Viele Gründe sind denkbar. Ziemlich sicher liegt es nicht an den vielen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die neben ihrer Kernarbeit als Virologen, Epidemiologen, Soziologen, Psychologen, Medizinern oder Ökonomen auch noch Öffentlichkeitsarbeit in Form von Vorträgen, Twitterthreads und Interviews leisten. Und ja, sie vertreten manchmal unterschiedliche Ansichten. Doch ausgerechnet die Bereitschaft, über Wissenslücken zu sprechen, bewerteten die Befragten im Frühjahr sogar als vertrauensbildend.

Mittlerweile aber werden die oft ziemlich einstimmigen Botschaften der Experten in der Öffentlichkeit Stück für Stück zersetzt: Von den Neunmalklugen, die glauben, durch einen Abend Googeln ein Studium ersetzen zu können. Von den Pseudowissenschaftlern mit einem Doktor- oder Professorentitel vor dem Namen, die oft erst auf den zweiten Blick als Schwurbler und Nebelbombenwerfer zu erkennen sind. Ihre scheinbar wissenschaftlichen Argumente entpuppen sich dann als Desinformationskampagnen. Sie säen Zweifel und ziehen Menschen mit echter Expertise in den Schmutz.

Besonders stark am Vertrauen aber nagt das politische Maßnahmen-Hin-und-Her. Politiker, die öffentlich fälschlicherweise behaupten, dass eine zweiten Welle lange nicht zu erkennen war. Oder die, die wissenschaftliche Arbeiten nur dann hervorholen, wenn die Ergebnisse in ihre Argumentationslinie passen.

Dabei hätten politische Entscheidungen, die auf wissenschaftliche Erkenntnisse gründen, alleine in Deutschland bislang viele Tausend Menschenleben retten können. Es gab eine Chance, Wirtschaft und Gesundheitssystem zu schonen, ja sogar halbwegs entspannt Weihnachten feiern zu können. Stattdessen hoffte so mancher Länderchef wie Bundestagspolitiker, es werde schon nicht so schlimm kommen, vielleicht, wer weiß, täuschen sich ja die Mahner aus den Kliniken und Universitäten?

Diese Haltung sickerte auch in Teile der Bevölkerung ein. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die sich unermüdlich in der Öffentlichkeit engagieren, werden nun von Querköpfen diffamiert und bedroht. Es wird Zeit, dass sich nicht nur einzelne Politiker hinter die Wissenschaft stellen, sondern alle.

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