Süddeutsche Zeitung

Corona-Schnelltests:Stäbchen rein, sicher sein?

Vor den Feiertagen ist die Nachfrage nach Corona-Schnelltests groß. Immer mehr Menschen besorgen sich die Tests einfach selbst. Warum das keine gute Idee ist.

Von Christina Kunkel

Über die Feiertage hat sich eine Szene in deutschen Wohnungen wohl oft wiederholt: Menschen stecken sich gegenseitig Stäbchen in die Nase, mal tiefer, mal nicht ganz so weit rein - autsch, ist ja wirklich alles andere als angenehm. Dann noch ein bisschen hantieren mit dieser Flüssigkeit und der kleinen Plastikkassette. Gespanntes Warten, welche Striche sich nach etwa einer Viertelstunde dort zeigen. Sie alle erhoffen sich davon die Antwort auf eine Frage: Kann ich meine Verwandten und Freunde treffen, ohne derjenige zu sein, der das Coronavirus mitbringt?

Seit Monaten stehen Corona-Schnelltests in jedem Strategiepapier zur Eindämmung der Pandemie, Politiker preisen sie als wichtigen Baustein, um Infektionen früh zu erkennen und vor allem besonders gefährdete Menschen vor einer Ansteckung zu schützen. Was spricht also dagegen, sich und andere Haushaltsmitglieder einfach selbst zu testen, bevor man etwa zu den Großeltern reist, wie jüngst über die Feiertage oder für das Treffen an Silvester?

In Köln warnten die Behörden vor privat gekauften Schnelltests

Zunächst einmal sollte es für Privatpersonen eigentlich gar nicht möglich sein, sich einen solchen Test zu besorgen - schon gar nicht, um sich dann selbst Proben zu entnehmen und auszuwerten. Die aktuelle gesetzliche Regelung sieht vor, dass nur Ärzte oder seit neuestem Bildungseinrichtungen oder Pflegeheime diese Antigentests ordern dürfen. Auch für die Anwendung der Tests machen nicht nur der Gesetzgeber, sondern auch die Hersteller klare Vorgaben: Nur geschulte Fachleute sollten die Stäbchen in die Nase der Probanden stecken und das Testergebnis auswerten.

Doch wie so oft, wenn der Bedarf groß ist, aber Termine in Arztpraxen oder Testzentren schon ausgebucht sind, machen sich viele dann doch selbst auf die Suche nach der vermeintlichen Absicherung der Familienzusammenkunft oder den Besuch im Pflegeheim. In Onlineshops ist es problemlos möglich, sich auch als medizinischer Laie Antigentests zu bestellen. Auf Nachfrage heißt es bei einem dieser Shops, das sei auch vollkommen ok, solange dann der Test selbst von einer geschulten Person durchgeführt werde. Dass man damit gegen die Abgabeverordnung für Medizinprodukte verstößt, scheint die Anbieter nicht zu interessieren. Genauso wenig wie die Kunden, die für die meist im Paket angebotenen Testkits oft mehr als hundert Euro hinlegen.

In Köln sahen sich die Behörden deshalb vor Weihnachten veranlasst, öffentlich vor privat gekauften Schnelltests zu warnen. Diese würden unter anderem an Tankstellen, in Supermärkten, Tierarztpraxen, Brauereien und vielen anderen Stellen verkauft. Die Tests seien laut der Kölner Bezirksregierung von einem Unternehmen in Frechen in Umlauf gebracht worden und für Privatkunden auch ohne Fachkenntnisse frei käuflich gewesen. Zwar seien die Tests zweier Hersteller "als dringende Sicherheitsmaßnahme" zurückgerufen worden, sie würden "derzeit aber noch teilweise offen - und aus der Originalgroßverpackung herausgenommen - auf dem Verkaufstisch angeboten."

Dabei stehen beide Tests auf der offiziellen Liste des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfAM) - sie sind also für den Gebrauch in Deutschland zugelassen. Auf Nachfrage bestätigt die Kölner Bezirksregierung auch, die Tests selbst seien "einwandfrei". Doch es gibt für Experten gute Gründe, warum die derzeit angebotenen Schnelltests eben nicht in Privathände gehören und man bei der Interpretation der Ergebnisse sehr vorsichtig sein sollte.

Wenn Laien die Tests selbst machen, kann es leicht falsch-negative Ergebnisse geben

Das liegt zum einen daran, dass die Schnelltests Infektionen mit dem Coronavirus nicht so zuverlässig erkennen wie PCR-Tests, die im Labor ausgewertet werden - auf deren Ergebnis man aber deshalb auch meist mindestens 24 Stunden warten muss. Wie zuverlässig - also wie sensitiv - die Antigentests eine Infektion erkennen, dazu gibt es bislang nur wenige unabhängige Untersuchungen. Für die Zulassung eines Tests als Medizinprodukt führen die Hersteller die erforderlichen Untersuchungen zur Zertifizierung selbst durch. In einer Stellungnahme des bundesweiten Forschungsnetzes "Angewandte Surveillance und Testung" (B-FAST) weisen Experten darauf hin, dass in noch unveröffentlichten, unabhängigen Untersuchungen verschiedener Sars-CoV-2-Antigen-Schnelltests in deutschen Laboren - abhängig vom Patientenkollektiv und den Abnahmebedingungen - nur in 30 bis 89 Prozent aller Fälle eine vorhandene Infektion korrekt erkannt wurde.

Wenn dann noch Laien bei der Probenentnahme am Werk sind, sei "bei einem Test mit per se niedriger Sensitivität das Risiko falsch-negativer Ergebnisse zusätzlich erhöht." Ein negatives Ergebnis im Schnelltest darf also kein Freifahrtschein sein, um danach sorglos zu Oma und Opa zu reisen und alle anderen Regeln zu vergessen - zumal das Resultat immer nur eine Momentaufnahme darstellt und einen Tag später schon anders ausfallen könnte. Andererseits kann natürlich ein positiver Schnelltest zumindest in einigen Fällen verhindern, dass sich ein Infizierter mit anderen trifft. Wobei jedes positive Schnelltestergebnis noch einmal mittels PCR überprüft werden sollte. Übrigens ist jeder verpflichtet, auch einen positiven Schnelltest beim Gesundheitsamt zu melden.

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