Süddeutsche Zeitung

Tierschutz:Die Natur schlägt zurück

150 Tierschutzorganisationen fordern einen respektvolleren Umgang mit den anderen Lebewesen. Nur so könne die nächste Pandemie verhindert werden.

Von Tina Baier

Tierwohl ist ein Thema, über das sich mitten in der Corona-Pandemie kaum jemand Gedanken macht. Die Herausforderung, die Krise in den Griff zu bekommen, ist so groß, dass alle anderen Probleme dagegen verblassen. Allerdings würde es die Coronakrise vielleicht gar nicht geben, wäre die Menschheit respektvoller mit der Natur und anderen Lebewesen umgegangen. "Die Menschheit führt Krieg gegen die Natur. Das ist selbstmörderisch. Die Natur schlägt immer zurück und zwar mit voller Kraft und Wut", sagte UN-Generalsekretär Antonio Guterres diese Woche bei einem Treffen der Vereinten Nationen.

Um das zu unterstreichen, haben 150 Tierschutzorganisationen jetzt zusammen mit der Primatenforscherin Jane Goodall ein Statement veröffentlicht, in dem sie einen anderen Umgang mit Tieren fordern, um Pandemien künftig zu verhindern. "Es ist ein Schock, wenn man sich darüber klar wird, dass wir selbst schuld sind", schreibt Goodall in einem Vorwort, "wegen unserer Respektlosigkeit gegenüber der Natur und gegenüber Tieren".

Auch der Erreger der Schweinegrippe ist in der Massentierhaltung entstanden

Warnschüsse, dass Krankheitserreger häufiger auf den Menschen überspringen und Epidemien oder gar Pandemien verursachen können, gab es bereits genug: HI-Viren zum Beispiel stammen von Schimpansen und Gorillas und auch die Erreger von Ebola und Sars sind Beispiele für solche Zoonosen. "Wir haben Situationen geschaffen, in denen es für ein Virus oder einen anderen Krankheitserreger relativ einfach ist, von einer Art auf eine andere überzuspringen", schreibt Goodall.

In dem Statement der Tierschützer werden verschiedene Bereiche genannt, in denen sich der Umgang mit Tieren verändern müsste, um das Risiko solcher Übertragungen künftig zu verringern. Einer davon ist der Handel mit Wildtieren. Auf Tiermärkten, wie dem, auf dem womöglich Sars-CoV-2 auf den Menschen übergesprungen ist, seien die Bedingungen "erschreckend grausam und meist sehr unhygienisch", schreibt Goodall. Nach einer oft langen Reise ohne Futter und Wasser würden dort verschiedene Tierarten in engen Käfigen zusammengepfercht - zusammen mit ihren Krankheitserregern. "Sie sind gestresst und oft krank. Diejenigen, die als Haustiere verkauft werden, bringen ihre Krankheitserreger dann direkt in die Häuser der Menschen."

Auch die Massentierhaltung in der intensiven Landschaft ist dem Statement zufolge nicht nur eine Quälerei für die Tiere, sondern auch eine Gefahr für die Gesundheit der Menschen. Schweine, Rinder und Hühner für die Massenhaltung seien so gezüchtet, dass sie möglichst viel Ertrag bringen; auf Gesundheit und Widerstandskraft gegen Krankheitserreger werde dagegen kaum geachtet. Diese anfälligen und gestressten Tiere werden dann auch noch auf engem Raum gehalten. Ideale Bedingungen für Viren, "ansteckender und tödlicher zu werden, oder sogar auf den Menschen überzuspringen", schreiben die Tierschützer. Wie real diese Gefahr ist, hat die Schweinegrippe gezeigt, die in der Massentierhaltung entstanden ist und im Jahr 2009 eine Pandemie auslöste. Zwischen 151 000 und 575 000 Menschen sind Schätzungen zufolge weltweit daran gestorben.

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Als Konsequenz fordern die Tierschützer unter anderem, die menschliche Ernährung umzustellen und den Bedarf an Proteinen künftig stärker durch pflanzliche als durch tierische Lebensmittel zu decken. Nach einem aktuellen Bericht der Umweltorganisation der Vereinten Nationen ist die Produktion von Fleisch in den vergangenen 50 Jahren um 260 Prozent angestiegen, die von Milch um 90 Prozent und die von Eiern sogar um mehr als 340 Prozent.

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