Bislang ging man davon aus: Wer einmal mit dem Coronavirus infiziert war, der muss sich zumindest eine Zeit lang keine Sorgen um eine erneute Ansteckung mit dem Erreger machen. Doch jetzt bringen Meldungen aus Hongkong, Belgien und den Niederlanden diese vermeintliche Gewissheit ins Wanken. Forscher der Uniklinik in Hongkong haben demnach zum ersten Mal einen Fall dokumentiert, bei dem sich ein Patient ein zweites Mal mit dem Coronavirus angesteckt hat. Zudem gibt es auch aus Belgien und den Niederlanden Berichte über sogenannte Reinfektionen.
Die Uniklinik der University of Hong Kong schrieb am Montag in einer Pressemitteilung, dass Mikrobiologen der Hochschule bei einem 33-Jährigen mehrere Monate nach der ersten Erkrankung mit Sars-CoV-2 eine erneue Infektion bestätigt hätten. Die Erkenntnisse deuteten darauf hin, dass "Immunität nach einer natürlichen Infektion von kurzer Dauer sein kann". Die Uniklinik verwies auf einen Bericht des öffentlichen Hongkonger Senders RTHK über die neuen Forschungsergebnisse. Ein vollständiges Manuskript der Studie, die im Fachjournal Clinical Infectious Diseases veröffentlicht werden soll, ist bislang nicht öffentlich einsehbar. Auf Twitter sind lediglich einige Ausschnitte der ausführlichen Untersuchung zu finden.
Demnach hatte sich ein Mann aus Hongkong im Frühjahr mit dem Virus infiziert. Nachdem er sich von der Corona-Infektion erholt hatte, sei das Virus bei ihm vier Monate später nach einer Spanienreise im August erneut nachgewiesen worden. Bereits im Frühjahr hatten Berichte aus Südkorea für Aufsehen gesorgt, die von Fällen einer möglichen Reinfektion sprachen. Damals stellte sich allerdings heraus, dass die nach Wochen gefundenen Viruspartikel höchstwahrscheinlich noch von der ersten Infektion herrührten.
Im Hongkonger Fall soll das jedoch anders sein. Erbgutuntersuchungen hätten gezeigt, dass es sich um verschiedene Varianten von Sars-CoV-2 handelte. Das spricht gegen ein Wiederaufflammen der ersten Infektion. Maria van Kerkhove, Covid-19-Beauftragte der Weltgesundheitsorganisation (WHO), nahm am Montagabend in einer Pressekonferenz Bezug zu den Meldungen aus Hongkong und sagte: "So wie wir die Pressemitteilung verstehen, könnte das ein Beispiel für eine Reinfektion sein." Allerdings müsse man diesen einzelnen Bericht in einem Gesamtkontext betrachten und weitere Langzeitstudien durchführen.
Auch Ulrike Protzer, Leiterin des virologischen Instituts an der TU München, hält es für möglich, dass Menschen sich erneut infizieren können. Das sei auch schon bei anderen Coronaviren nachgewiesen worden. Allerdings müsse man wegen der neuesten Meldungen nicht in Panik geraten: "Im Moment sieht es danach aus, dass solche Fälle sehr selten sind." Für einen möglichen Impfstoff könnte das bedeuten, dass man eine Immunisierung gegen Sars-CoV-2 nach einer bestimmten Zeit auffrischen muss - wie es auch bei anderen Vakzinen nötig ist.
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Am Montagabend bestätigte der belgische Virologe Marc Van Ranst von der Universität Leuven in der Sendung Terzake im flämischen Sender VRT, dass auch bei einer Belgierin nach drei Monaten eine erneute Corona-Infektion nachgewiesen wurde. Es würde sich nach dem Bericht aus Hongkong um den zweiten dokumentierten Fall einer Reinfektion handeln. Auch bei der Frau sollen zwei unterschiedliche Virenstämme gefunden worden sein. Die Symptome während der zweiten Infektion sind demnach die gleichen gewesen wie bei der ersten - unter anderem Fieber, Kopfschmerzen, Kurzatmigkeit und Husten - hätten jedoch bei der zweiten Erkrankung nicht so lange angehalten. Eine schriftliche Dokumentation zu dem belgischen Fall gibt es bislang nicht.
Auf einer Reise nach Spanien steckte sich der Mann aus Hongkong zum zweiten Mal an
In den Niederlanden gehe es um einen älteren Patienten mit einem schwachen Immunsystem, sagte die Virologin und Beraterin der niederländischen Regierung, Marion Koopmans, am Dienstagmorgen im niederländischen Radio. Einzelheiten zum Krankheitsverlauf des Patienten nannte sie nicht. Über eine erneute Infektion ist die Virologin nicht überrascht. "Von anderen Infektionen der Atemwege wissen wir, dass man nicht lebenslang geschützt ist, und das erwarten wir auch nicht von Covid-19."
Doch was bedeutet das für die Pandemie-Bekämpfung? Laut einem Bericht der South China Morning Post folgern die Studienmacher von der Uniklinik in Hongkong unter anderem, es sei nach diesem Nachweis unwahrscheinlich, dass eine Herdenimmunität die Pandemie beseitigen kann, obwohl eine erneute Infektion milder verlaufen könnte als die erste Erkrankung. Im Fall des 33-Jährigen sei dessen erste Infektion im März symptomatisch gewesen, allerdings nicht besonders schwer. Die zweite Ansteckung, die offenbar bei einer Urlaubsreise in Spanien passierte und durch einen Test am Flughafen entdeckt wurde, hätte bei dem IT-Fachmann dagegen gar keine Symptome mehr verursacht. Sämtliche Untersuchungen in einem Krankenhaus seien negativ verlaufen.
Zwischen den beiden Infektionen lagen laut der Wissenschaftler 142 Tage. Allein deshalb sei es unwahrscheinlich, dass das zweite positive Testergebnis noch ein Nachwirken der ersten Infektion sei. Zudem habe man bei der zweiten Infektion Sequenzen eines anderen Virenstamms nachgewiesen. Während Untersuchungen des Virusgenoms im März noch auf einen Virentyp schließen ließen, der hauptsächlich in Asien grassiert, habe man nach der Rückkehr des Mannes aus Spanien Sequenzen eines Stammes gefunden, der in erster Linie in Europa verbreitet ist.
Im Blut des Patienten habe man nach dessen erster Infektion keine Langzeit-Antikörper nachweisen können, was laut der Wissenschaftler mit dem vergleichsweise milden Verlauf zusammenhängen könnte. Zuletzt hatten mehrere Studien gezeigt, dass die Immunantwort des Körpers nach einer Sars-CoV-2-Infektion sehr unterschiedlich ausfallen kann. Besonders bei Patienten, die keine oder nur leichte Symptome entwickelten, bildeten sich in einigen Fällen keine Antikörper im Blut oder diese nahmen bereits nach kurzer Zeit wieder ab.