Süddeutsche Zeitung

Umweltschutz:Zurück in die Natur

In Zeiten der Pandemie fanden wieder mehr Menschen Gefallen an der Natur - höchste Zeit, ihr etwas zurückzugeben.

Kommentar von Tina Baier

Gefühlt waren auf den Straßen und in den Parks nie so viele Jogger unterwegs wie während des ersten Lockdowns im Frühjahr. Ganze Familien waren bei der morgendlichen Runde zu beobachten. Ältere Ehepaare und junge Pärchen schienen plötzlich die Freuden des Spazierengehens für sich entdeckt zu haben. Und Naturschutzverbände berichteten über eine nie da gewesene Beteiligung an sogenannten Citizen-Science-Projekten: Fleißig halfen Menschen, Vögel zu zählen, Schmetterlinge zu beobachten oder Kröten und Frösche zu retten.

Klar - es war Frühjahr, das Wetter war schön und für die Jahreszeit war es vielerorts in Deutschland schon recht warm. Trotzdem war auffällig, wie groß und ungewöhnlich der Drang der Menschen erschien, Zeit in der Natur zu verbringen.

Im Frühjahr 2020 begannen viele Menschen plötzlich damit, Wildtiere zu beobachten

Zwei kürzlich in der Fachzeitschrift Plos One erschienene Studien stützen jetzt diesen subjektiven Eindruck. Beide Untersuchungen wurden zwar in den USA gemacht, doch die Ergebnisse dürften mehr oder weniger auf Europa übertragbar sein. Demnach waren 26 Prozent der Menschen, die sich während der ersten Pandemiemonate in Parks aufhielten, im Jahr zuvor kein einziges Mal in der Natur gewesen. 57 Prozent der Befragten gaben an, mehr im Garten zu arbeiten als im Vorjahr, 54 Prozent verbrachten mehr Zeit in der Natur, um zu fotografieren oder sich sonst irgendwie künstlerisch zu betätigen. Ganze 64 Prozent beobachteten im Pandemiefrühjahr 2020 öfter Wildtiere als sonst.

Das ist einerseits schön, andererseits auch traurig. Offenbar bedurfte es erst einer Katastrophe wie Corona, um den Menschen bewusst zu machen, wie erholsam und beruhigend es ist, sich draußen aufzuhalten. Und es ist paradox. Schließlich war es auch der rücksichtslose Umgang mit der Natur, der den Ausbruch der Pandemie begünstigt hat. Nicht von ungefähr ist das Coronavirus von Tieren auf Menschen übergesprungen; wahrscheinlich auf einem Markt, auf dem Wildtiere in engen Käfigen zusammengepfercht werden.

Viele der in den beiden Studien befragten Menschen gaben an, die Natur nun mehr wertzuschätzen als früher. Darin liegt eine große Chance. Dieses Gefühl, dass intakte Natur nicht gratis und unbegrenzt zur Verfügung steht, muss unbedingt auch nach der Pandemie bewahrt bleiben.

Es ist ein erster Schritt hin zur Einsicht, dass der Schutz der Natur eine Notwendigkeit ist, um das Überleben der Menschheit zu sichern. Gesellschaftliches Umdenken, wie es etwa der Weltbiodiversitätsrat fordert, ist unbedingt erforderlich, um weitere Pandemien zu verhindern und die beiden anderen großen Krisen, das Artensterben und den Klimawandel, erfolgreich zu bekämpfen.

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SZ/fehu
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