Covid-Impfstoffe:Paul-Ehrlich-Preis für Biontech-Team

Biontech-Gründer Uğur Şahin (rechts) und Özlem Türeci

Werden nun mit Ehrungen überhäuft: Özlem Türeci und Uğur Şahin entwickelten mit ihrer Firma Biontech einen Corona-Impfstoff.

(Foto: Federico Gambarini/dpa)

Für die Entwicklung des mRNA-Impfstoffs gegen Covid-19 erhalten die beiden Biontech-Gründer Türeci und Şahin sowie eine Biochemikerin den renommierten deutschen Wissenschaftspreis. Auf diesen folgt häufig der Nobelpreis.

Von Christina Berndt

Die Jurys der großen Wissenschaftspreise haben es in diesem Jahr leicht und zugleich unendlich schwer. Denn die Wahl des Themas, für das sie ihre Preise vergeben, fällt leicht - oder wofür sonst sollte man Forschende in diesem Jahr auszeichnen als für die Entwicklung der mRNA-Impfstoffe, die als innovatives Produkt einen unermesslichen Beitrag zum Beherrschen der Covid-19-Pandemie leisten? Das Problem ist nur: Wer genau soll die Preise dann erhalten?

Die Paul-Ehrlich-Stiftung hat sich soeben für die beiden Ärzte und Biontech-Gründer Özlem Türeci, 54, und Uğur Şahin, 56, sowie die Biochemikerin Katalin Karikó, 66, entschieden, die ebenfalls für Biontech arbeitet. Sie erhalten den Paul-Ehrlich-und-Ludwig-Darmstaedter-Preis 2022, wie der Stiftungsrat am Dienstag bekannt gab. "Dank ihrer beharrlichen Grundlagenforschung, ihrer ausdauernden Entwicklungsarbeit und ihrer entschlossenen und richtigen Reaktion auf das Auftauchen von Sars-CoV-2 schufen sie einen Impfstoff zur Bekämpfung der Pandemie und führten der Scientific Community wie der Weltöffentlichkeit das enorme Potenzial des präventiven und therapeutischen Einsatzes von mRNA vor Augen", schreibt die Stiftung zur Begründung.

April 23, 2021, Philadelphia, Pennsylvania, USA - File Photo: March 8, 2021, Philadelphia, Pennsylvania, USA - Dr. KATAL

Katalin Karikó wird für den Nobelpreis gehandelt. Schon seit den 80er-Jahren forscht die Ungarin an mRNA-Impfstoffen.

(Foto: imago images/ZUMA Wire)

Der mit 120 000 Euro dotierte Preis gehört zu den wichtigsten deutschen Wissenschaftspreisen, viele spätere Nobelpreisträger haben ihn erhalten. Und das könnte sich auch diesmal wieder bewahrheiten, wenn Anfang Oktober die Nobelpreisträger bekanntgegeben werden. Denn dass auch bei der Vergabe der Nobelpreise gerade intensiv über die Erfinder der mRNA-Impfstoffe nachgedacht wird, davon ist auszugehen.

Sollte sich die Nobelversammlung ebenfalls für das Thema mRNA entscheiden, könnte sie am Ende aber durchaus andere Personen auszeichnen. Denn so sehr die mRNA-Impfstoffe in diesem Jahr als besonders preiswürdig gelten, so schwierig ist es für die Jury, auszuwählen, wer genau bedacht wird. Schließlich haben wie bei vielen anderen Erfindungen auch sehr viele Menschen daran mitgewirkt - ob sie nun erste Entdeckungen gemacht haben, erstmals Ideen formuliert oder Ergebnisse der Grundlagenforschung in die klinische Praxis überführt haben. Nur ist die Zahl der Preisträger bei vielen Auszeichnungen beschränkt. Und sowohl beim Paul-Ehrlich-Preis als auch bei den Nobelpreisen dürfen es maximal drei sein.

Hoerr gehörte zu den Ersten, die das Potenzial von mRNA erkannt haben

So ist aus deutscher Sicht beim wichtigen Paul-Ehrlich-Preis vor allem ein Mensch schmerzlich leer ausgegangen: Ingmar Hoerr, 53, der Mitbegründer der Tübinger Firma Curevac, die im Rennen um den ersten mRNA-Impfstoff gegen das Mainzer Unternehmen Biontech und auch die US-Firma Moderna verloren hat. Bis heute hat das Vakzin aus Tübingen keine Zulassung erhalten - als zu gering hat sich seine Wirksamkeit bislang in der Praxis erwiesen. Dabei gehörte Ingmar Hoerr zu den Ersten, die das Potenzial von mRNA für Impfungen erkannt haben.

Hoerr hatte in den 1990er-Jahren erstmals erfolgreich RNA in die Körperzellen von Mäusen eingeschleust und dadurch eine Immunantwort ausgelöst. Die RNA hatte in den Zellen zur Produktion von Proteinen geführt, für die sie den Bauplan lieferte und tatsächlich das Immunsystem der Mäuse auf den Plan gerufen. Genau so, wie dies nun mit den Covid-Impfstoffen milliardenfach genutzt wird: Hier liefert die mRNA den Bauplan für das Stachelprotein des Coronavirus, sodass der Körper seine Immunwaffen gegen das Virus in Stellung bringt, um bei einer eventuellen Infektion gewappnet zu sein.

Dabei musste Hoerr eine große Portion Beharrlichkeit beweisen, denn am Anfang stießen seine Ergebnisse auf Zweifel, sein Plan galt als kaum umsetzbar. Zu instabil sei RNA, hieß es damals, mit ihr lasse sich nur schwer arbeiten. Auf ähnliche Widerstände stieß auch die nun mit dem Paul-Ehrlich-Preis geehrte Katalin Karikó etwa zur selben Zeit in den USA. Die gebürtige Ungarin setzte unbeirrt auf mRNA als mögliches Heilmittel. Doch die Wissenschaftswelt beschäftigte sich lieber mit deren Schwestermolekül DNA. Karikó erhielt kaum Forschungsgelder, sie wurde von ihrem Arbeitgeber, der University of Pennsylvania, 1995 sogar degradiert und verlor ihre Professorenstelle. Dennoch entwickelte sie ein besonders wirkungsvolles Verfahren zur RNA-Aufbereitung und nahm 2013 die Einladung von Uğur Şahin und Özlem Türeci an, neben ihrer Stelle an der University of Pennsylvania bei Biontech mitzuwirken.

Auch Uğur Şahin und Özlem Türeci beschäftigen sich schon seit Jahrzehnten mit der mRNA. Seit Mitte der 1990er-Jahre arbeiten sie daran, mit Hilfe dieses Moleküls Impfstoffe gegen Krebs zu entwickeln und gründeten 2008 Biontech. Als Sars-CoV-2 die Welt in den Klammergriff nahm, setzten sie sofort darauf, ihre Technologie gegen dieses Virus zu nutzen.

So sind Şahin, Türeci und Karikó zweifelsohne verdiente Träger des Paul-Ehrlich-und-Ludwig-Darmstaedter-Preises 2022. Hätte es vier Plätze auf dem Treppchen gegeben, wäre Hoerr vielleicht dabei gewesen. Und leicht ließe sich auch eine ganze Gruppe von Wissenschaftlern auszeichnen, die auf diesem Feld mit Fleiß und Visionen gearbeitet haben und trotzdem bei den nun anstehenden Preisvergaben rund um die mRNA-Impfstoffe leer ausgehen werden.

Auch Katalin Karikó sieht das so. Im Juni schrieb sie eine Mail an Robert Malone, einen amerikanischen Kollegen, der Ende der 1980er-Jahre Zellen erstmals dazu brachte, Proteine herzustellen, deren Bauanleitung er ihnen mit mRNA lieferte, die er in Fettkügelchen verpackte. Es war der erste Beweis für das Prinzip, das der Biontech-Impfstoff heute nutzt. "Ich habe viele Reporter zu dir, zu Ingmar (Hoerr), zu Uğur Şahin, Stéphane Bancel (Moderna) und all den anderen Wissenschaftlern auf diesem Gebiet geschickt", schrieb sie, angesichts des vielen Lobs und der großen Aufmerksamkeit, die sie derzeit erfährt, fast etwas zerknirscht.

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