Süddeutsche Zeitung

Erderwärmung:Diese Grafiken zeigen, wo die Welt beim Klimaschutz steht

Diese Woche endet in Glasgow die Klimakonferenz COP26. Welche Beschlüsse haben die Länder gefasst? Und wo versagen die Staaten bislang?

Von Markus Hametner, Sophie Menner, Sören Müller-Hansen und Lea Weinmann

Konkret wird es nicht, ganz und gar nicht. Der gemeinsame Entwurf, den die Teilnehmenden der diesjährigen Weltklimakonferenz am Montag veröffentlichten, bleibt hinter den Erwartungen von Klimaschützerinnen und Klimaschützern zurück. "Besonders schwach", kommentierte die Umweltschutzorganisation Greenpeace das Paper in einer Mitteilung.

Dabei starteten die Vertreterinnen und Vertreter der knapp 200 Länder ambitioniert in die Verhandlungen. Ausgangpunkt und Ziele sind klar umrissen: Jahr für Jahr steigt der Ausstoß von Treibhausgasen, die das Klima nachhaltig verändern. Das Paris-Abkommen von 2015 schreibt die Beschränkung der Erderwärmung auf unter zwei Grad Celsius im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter fest, ebenso wie den ernsthaften Versuch, sie unter 1,5 Grad zu halten. Davon sind die Länder immer noch weit entfernt. Im ersten Entwurf des Klimapaktes dieser Konferenz heißt es nun lediglich, man sehe die Notwendigkeit zur Handlung, um am 1,5-Grad-Ziel festhalten zu können. Obwohl alle wissen, wie knapp die Zeit ist.

Schon jetzt hat sich die Erde im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter im globalen Durchschnitt um 1,1 Grad Celsius erwärmt. 2016 kletterte das Jahresmittel bereits auf 1,3 Grad mehr als im Vergleichszeitraum zwischen 1880 und 1900.

Umgesetzte, angekündigte und nötige Ziele

Diese Klimaerwärmung ist menschengemacht: Seit dem Beginn der Industrialisierung im 18. Jahrhundert ist der globale Ausstoß von klimaschädlichen Treibhausgasen wie Kohlenstoffdioxid und Methan mit zunehmender Geschwindigkeit angestiegen. Wenn die Emissionen von heute an in den kommenden Jahrzehnten nicht drastisch gesenkt werden, lassen sich die Folgen der Klimakatastrophe wie extreme Dürreperioden, weitreichend geschmolzene Eisschilde in Arktis und Antarktis und ein gestiegener Meeresspiegel nicht mehr verhindern.

Die Versprechungen der Nationen, die sich nun in Glasgow zur Weltklimakonferenz versammelt haben, dürften Berechnungen der Umweltorganisation Climate Action Tracker zufolge nicht reichen, um die Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen (dargestellt durch die gelbe Linie in der Grafik). Die Beschlüsse steuern eher auf eine Temperatur von 2,1 bis 2,4 Grad Celsius mehr als im vorindustriellen Zeitalter im Jahr 2100 zu - wenn sich die Länder an ihre eigenen Zielvorgaben halten. Die bislang tatsächlich ergriffenen Maßnahmen würden sogar einen Temperaturanstieg um 2,5 bis 2,9 Grad Celsius zur nächsten Jahrhundertwende bedeuten.

Wie stark der Treibhausgasausstoß mit der Weltwirtschaft zusammenhängt, wurde vergangenes Jahr sichtbar, als nicht nur die Wirtschaftsleistung durch die Pandemie einknickte, sondern auch der CO₂-Ausstoß in vielen Ländern geringer war. Nachhaltig war diese Entwicklung jedoch nicht - laut vorläufigen Zahlen des Global Carbon Projects dürften die CO₂-Emissionen im Jahr 2021 wieder in etwa das Niveau von 2019 erreichen.

Pro Kopf stoßen kleine Länder mit großen Erdölvorkommen wie Katar (37 Tonnen) und Saudi-Arabien (18 Tonnen) am meisten CO₂ aus. Mit Australien (15,3 Tonnen), den USA und Kanada (jeweils 14,2 Tonnen) liegen aber auch große Industrienationen vor Russland (10,8 Tonnen). China ist mit Pro-Kopf-Emissionen von 7,4 Tonnen fast auf dem Niveau von Deutschland angelangt, während Indien (1,7 Tonnen) auch im Jahr 2020 pro Kopf weniger Emissionen hatte als China noch 1990.

Immerhin zeigt sich eine positive Entwicklung: Die meisten Regionen konnten ihre Wirtschaftsleistung seit dem Jahr 2000 stärker steigern als ihren CO₂-Ausstoß. Je Dollar Wirtschaftsleistung wurden zwischen 0,13 und 0,37 Kilogramm CO₂ ausgestoßen, wobei Europa diesen Wert zwischen 2000 und 2018 um ein Drittel verringert hat. Eine vollständige Entkopplung von Wirtschaftskraft und Emissionen ist aber noch nicht gelungen.

Während Delegierte aus etwa 200 Ländern nach Glasgow kamen, fehlten beim "World Leaders Summit" die Staats- und Regierungschefs großer Emittenten. Xi Jinping aus China, 2020 immerhin Emittent fast eines Drittels der weltweiten CO₂-Emissionen, war nicht anwesend, genauso wenig wie Wladimir Putin (Russland, 4,5 Prozent) und Ebrahim Raisi (Iran, 2,1 Prozent).

Obwohl die Staatenlenker einiger Emissions-Spitzenreiter nicht nach Glasgow kamen, wurden dort bislang zumindest ein paar Beschlüsse zur Rettung des Klimas vorgelegt: Der Methanausstoß soll gesenkt, Abholzung verhindert und der Kohleausstieg in die Wege geleitet werden.

Methanemissionen um ein Drittel senken

Methan ist ein Treibhausgas, das pro ausgestoßene Tonne mehr Erderwärmung verursacht als CO₂, jedoch weniger lange in der Atmosphäre verbleibt. Schon im September haben die EU und die USA vorgeschlagen, eine Verringerung des Methanausstoßes um mindestens 30 Prozent bis 2030 anzupeilen. Dieser Initiative haben sich mehr als 100 Länder angeschlossen. Gemeinsam machen sie nach eigenen Angaben 70 Prozent der globalen Wirtschaft aus. Die Länder mit den höchsten Methanemissionen - China, Russland und Indien - haben sich der Initiative allerdings bisher nicht angeschlossen.

Die Umsetzung dieser Initiative wäre eine wichtige Kurskorrektur, denn trotz einer Verweildauer von Methan in der Atmosphäre von etwa neun Jahren steigen die Methan-Werte dort seit 2006 wieder. Ob es daran liegt, dass mehr Methan ausgestoßen wird, oder ob das Treibhausgas in der Atmosphäre derzeit nur noch langsamer abgebaut werden kann, ist unklar.

Jedoch: Laut einem Bericht des Umweltprogramms der Vereinten Nationen wäre für die Erreichung des 1,5-Grad-Ziels eine Reduktion um 40 bis 45 Prozent noch in diesem Jahrzehnt nötig. Der Beschluss in Glasgow war weniger ambitioniert.

Abholzung verhindern

Im Jahr 2020 gingen laut Global Forest Watch weltweit 25,8 Millionen Hektar Wald verloren. 25,8 Millionen Hektar, das ist eine Fläche fast so groß wie Neuseeland, wie mehr als 36 Millionen Fußballfelder, oder, wenn Sie wollen, mehr als 100-mal das Saarland. Natürlich ist auch Wald nachgewachsen, wurde wiederaufgeforstet; Natur, die in den Jahren davor zerstört wurde, erholte sich wieder. Doch unterm Strich ist der Trend deutlich: Die Wälder schrumpfen - und damit auch der erhebliche Umfang an CO₂, den sie binden könnten.

Dem wollen zahlreiche Staaten nun entgegentreten. Die Verpflichtung von mehr als 100 Ländern, spätestens bis 2030 die Zerstörung von Wäldern und anderen wertvollen Ökosystemen zu stoppen, ist bisher eine der vielversprechendsten Meldungen der diesjährigen Weltklimakonferenz. Ein ähnliches Versprechen gab es allerdings mit der "New York Declaration of Forests" schon 2014. Auch sie sah ein Ende der Abholzung bis 2030 vor. Ihr Zwischenziel, die Abholzung bis 2020 zu halbieren, wurde nicht erreicht. Die diesjährige Neuauflage wird allerdings von wichtigen Ländern wie Brasilien und Russland unterstützt, die nicht Teil der New Yorker Deklaration waren.

Wichtig ist das deshalb, weil sie zu den Ländern mit den weltweit größten Waldflächen gehören. Neben Brasilien haben auch Kolumbien, Indonesien und die Demokratische Republik Kongo unterzeichnet. Damit sind auf dem Papier auch die Staaten mit im Boot, in denen der meiste Urwald zu finden ist.

Urwälder sind einer der wichtigsten Schutzschilde gegen den Klimawandel, weil sie wesentlich mehr CO₂ speichern als andere Wälder. Sie zu verbrennen, bedeutet neben dem enormen Artenverlust, der damit einhergeht, eben dieses CO₂ freizusetzen. Dennoch wird weiterhin Regenwald abgeholzt, es gibt weiter Brandrodungen, oftmals illegal. Allein im vergangenen Jahr ging laut Global Forest Watch weltweit eine Fläche an Urwald verloren, die in etwa so groß ist wie die gesamte Schweiz - 1,7 Millionen Hektar davon allein in Brasilien. Immerhin: Der Schwund der Urwälder verlangsamte sich in den vergangenen Jahrzehnten, das ergab eine Analyse der FAO, der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen.

Anlässlich der Weltklimakonferenz veröffentlichte die FAO in dieser Woche eine Studie, die sich mit den Gründen für Waldrodung beschäftigte und dafür zahlreiche Satellitenbilder analysierte. Demnach hatten zwischen 2000 und 2018 fast 90 Prozent der Abholzungen den Zweck, neue Flächen für die Landwirtschaft zu schaffen. In mehr als der Hälfte der Fälle entfernte man Wald für die Erweiterung von Ackerland, vor allem in Afrika und Asien. Aus 37,5 Prozent der gerodeten Wälder wurden Weideflächen für Vieh. Ein Pakt zum Schutz der Wälder müsste also vor allem da ansetzen, wo es wirtschaftlich wehtun könnte. Bis 2025 sollen dafür etwa 12,5 Milliarden US-Dollar (rund 10,3 Milliarden Euro) fließen.

Ausstieg aus der Kohle

Die Zahl der weltweit stillgelegten Kohlekraftwerke nimmt jedes Jahr zu. Gleichzeitig gehen aber weiterhin viele neue Kraftwerke mit immer größerer Leistung ans Netz. Wie viele Kohlekraftwerke es gibt und welche Leistung diese jeweils haben, wird auf globaler Ebene nicht erfasst. Wissenschaftler und Umweltorganisationen tragen beim US-amerikanischen Thinktank Global Energy Monitor deshalb aus zahlreichen Quellen die Kraftwerke inklusive ihrer Eckdaten zusammen. Der Monitor ermittelt eine Nettobilanz der globalen Kohlekapazität - und die ist seit Jahren ungebrochen: Zwar verlangsamt sich ihr Wachstum, weil sich immer mehr Länder aus der Kohle zurückziehen - unterm Strich bleibt aber dennoch ein Plus, die Netto-Veränderung ist weiterhin positiv.

Aus Glasgow hörte man in Bezug auf den Kohleausstieg in der vergangenen Woche zunächst Erfreuliches: Nach Angaben der Klimarahmenkonvention der UN unterzeichneten mindestens 23 Länder, darunter zum Beispiel Indonesien, Vietnam und Polen, eine Verpflichtung zum Auslaufen der Kohlekraft. "Das Ende der Kohleenergie ist in Sicht", bestätigte Alok Sharma, Präsident der COP26. Allerdings halten sich einige Länder wie China und die USA zurück: Einen Kohleausstieg sicherten sie nicht zu.

Dabei ist insbesondere China immer noch einer der größten Treiber der Kohleindustrie. Laut einem Bericht des Global Energy Monitor glich die umfassende Inbetriebnahme von chinesischen Kraftwerken im Jahr 2020 (Gesamtkapazität: 38,4 Gigawatt) die Stilllegungen im Rest der Welt wieder aus - was insgesamt erneut in einem Anstieg der globalen Kohlekapazität mündete. Dabei wurden im vergangenen Jahr Kraftwerke mit einer Gesamtkapazität von 37,8 Gigawatt stillgelegt, mehr als je zuvor, vor allem in den USA (11,3 Gigawatt) und der EU (10,1 Gigawatt).

Immerhin: Im September hat China angekündigt, die Finanzierung von Kohleprojekten im Ausland einzustellen. Nach Angaben des Global Energy Monitor bezieht sich das auf 44 Kraftwerke, die durch chinesische Gelder finanziert werden sollten. Anders als vermutet finden fossile Brennstoffe jedoch keine Erwähnung im ersten Entwurf des Klimapaktes, der am Montag veröffentlicht wurde.

Schifffahrt bis 2050 CO₂-neutral

Die internationale Schifffahrt ist die Quelle von etwa 2,2 Prozent der globalen CO₂-Emissionen. Noch 2008 wurde projiziert, dass ihr Beitrag bis zur Mitte des Jahrhunderts um 50 bis 250 Prozent wachsen wird. Im selben Jahr hatten 173 Staaten beschlossen, die Schifffahrtsemissionen bis 2050 zu halbieren. Eine dänische Initiative versucht in Glasgow nun zu erreichen, dieses Versprechen zu erweitern - mit dem Ziel einer CO₂-neutralen Schifffahrt bis 2050. Die USA und zwölf weitere Länder haben diese Initiative vergangenen Montag unterstützt, fixe Entscheidungen wird die Internationale Schifffahrtsorganisation (IMO) jedoch erst 2023 treffen.

Taten müssen folgen

Die EU befindet sich gerade auf einem Kurs, der einer Erderwärmung zwischen zwei und drei Grad entspricht. Dies geht aus Daten des Climate Action Trackers hervor. Darin wird berücksichtigt, dass Industrieländer ihre Wirtschaft schneller von Emissionen unabhängig machen können als andere und deswegen mehr Klimaschutz (einen "fair share") leisten können.

Einige der oben genannten Initiativen sind noch nicht umgesetzt - beispielsweise nicht in Gesetze gegossen - und nicht in dieser Einschätzung enthalten.

Schlussendlich müssen sich die vorgebrachten Versprechen nicht an ihrer möglichen CO₂-Reduktion, sondern an ihrer Umsetzung messen lassen.

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