Mehr CO₂ in der Atmosphäre lässt die Erde wärmer werden – der Zusammenhang hinter dem menschengemachten Klimawandel ist altbekannt. Der schwedische Physiker Svante Arrhenius belegte ihn bereits 1896. Ein Team um den Geophysiker Robin Wordsworth von der Harvard University hat nun aus den Quanteneigenschaften des Moleküls direkt errechnet, wie es die Atmosphäre erwärmt.
Der Knackpunkt ist, dass CO₂ außergewöhnlich schwingen kann. „Eine scheinbar zufällige Resonanz in einem ansonsten gewöhnlichen drei-atomigen Molekül“, schreiben die Autoren in ihrem Aufsatz. Dieses Verhalten ist aus der Molekülphysik bekannt. Aber was es für den Treibhausgaseffekt bedeutet, hatte bisher keine wissenschaftliche Arbeit klar hervorgehoben.
Die Erde gibt Wärme in Form von Infrarotstrahlung ab. Diese Wärmestrahlung verhält sich im Grunde genauso wie sichtbares Licht. Beide lassen sich als elektromagnetische Wellen beschreiben – sie schlängeln sich also durch den Raum. Was die eine Strahlung zu Wärme und die andere zur Farbe Blau macht, ist ihre Wellenlänge. So heißt der Abstand zwischen zwei benachbarten Wellenbergen. Bei thermischer Infrarotstrahlung beträgt er zwischen 8000 und 15 000 Nanometer. Blaues Licht liegt zwischen 430 und 490 Nanometern Wellenlänge.
Das CO₂-Molekül ist quasi auf Wärmestrahlung spezialisiert. Elektromagnetische Wellen in diesem Frequenzbereich absorbiert es besonders gut: Einzelne CO₂-Moleküle fangen eine Portion Energie, geben sie wieder ab, das nächste Molekül fängt sie ein, und so bleibt die Wärmeenergie länger in der Atmosphäre, statt ins Weltall abzustrahlen.
Das Geheimnis liegt im koordinierten Wackeln
Die meisten kleinen Moleküle fangen Wellenlängen aus einem sehr engen Bereich ein. Doch das CO₂-Molekül absorbiert nicht nur eine bestimmte Wellenlänge, sondern auch deren Nachbarwellenlängen, wenn auch etwas weniger gut. Wie schafft es das, diese besonders große Bandbreite an Wellenlängen zu absorbieren?
Wenn man ein CO₂-Molekül aus der Nähe betrachtet, sind die beiden Sauerstoffatome gleich weit vom Kohlenstoffatom in der Mitte entfernt. Die Energie von Wärmestrahlung speichert es in sogenannten Vibrations- und Rotationsquantenübergängen. Letztere kann man sich vorstellen wie eine geduldige Spielplatzbegleitung. Immer wieder schiebt diese ein Kind auf der Schaukel an, so wie die Wärmewelle das CO₂-Molekül immer im passenden Moment anschubst und dabei Energie überträgt. Nur schwingt das Molekül nicht dadurch hin und her, sondern rotiert in sich. Dieses Verhalten wird von Strahlung mit einer Wellenlänge von 15 000 Nanometern ausgelöst.
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Die Rotation allein kann aber noch nicht das komplette Absorptionsverhalten von CO₂ erklären, eben weil das Rotieren nur von einem kleinen Teil der Wärmestrahlung aktiviert wird. Auch andere Wellenlängen verfangen im Molekül – nämlich in sogenannten Vibrationsquantenübergangen. Das kann man sich so vorstellen, als würden die Atome wie an einer Feder aufgehängt rhythmisch gegeneinander schwingen.
Hier kommt die Besonderheit des CO₂-Moleküls zum Tragen: Die Frequenz einer Schwingungsart ist zufällig doppelt so groß wie die einer anderen. Die zwei Vibrationsrichtungen vermischen sich dadurch im Molekül. Die Kombination dieser angeregten Zustände braucht etwas weniger beziehungsweise mehr Energie als die einzelnen Zustände selbst und ist damit empfänglich für etwas kleinere und größere Wellenlängen. So kann ein CO₂-Molekül eine größere Bandbreite an Wärmestrahlung aufnehmen und deshalb so effektiv die Erdatmosphäre aufheizen.
Der Erstautor der Studie Robert Wordsworth sagte dem Quanta Magazine: „Es hat sich unglaublich angefühlt, als wir merkten, dass alles zusammenpasst. Das Ergebnis zeigt uns endlich, wie direkt die Quantenmechanik mit dem großen Ganzen verbunden ist.“
Hinweis: In einer früheren Version des Artikels hieß es, das Forschungsteam von der Universität Harvard habe den quantenmechanischen Effekt entdeckt, der das CO₂-Molekül befähigt, eine große Bandbreite an Infrarot-Frequenzen zu absorbieren. Das ist falsch, der Effekt war bereits bekannt. Dabei ist entscheidend, dass sich zwei Vibrationsquantenübergange vermischen. Der Text wurde dahingehend korrigiert.