Süddeutsche Zeitung

Artenschutz:Das Milliarden-Geschäft mit exotischen Arten

  • Auf der Weltartenschutz-Konferenz in Genf ringen die Staaten um den Handel mit bedrohten Tieren und Pflanzen.
  • Einige Staaten wollen die Regeln aus wirtschaftlichen Gründen aufweichen.
  • Der Schmuggel von Trophäen ist auch in Deutschland ein massives Problem.

Von Jan Willmroth und Tobias Herrmann

Am frühen Morgen kommen die Maschinen aus Afrika: Kapstadt, Nairobi, Addis Abeba. Zollamtsinspektor Guido Nikl spricht von seinen "Klassikermaschinen". Oft, sagt er, ist schon in der Frühschicht etwas dabei. Elfenbeinschnitzereien, präparierte Reptilienhäute, Schmuck mit den Federn seltener Vögel. Hat sich Nikl eine Maschine ausgeguckt, fordert er das Gepäck an, holt Schäferhündin Nela aus dem Auto und lässt sie schnüffeln, 300 Koffer in ein paar Minuten. Leistungssport für die Hündin, Routine für Nikl. Nela ist sein zweiter Artenschutzspürhund. "Der gängige Tourist weiß viele Dinge nicht", das habe sich in all den Jahren nicht geändert, sagt Nikl. "Das schützt ihn aber nicht." Wer am Strand geschützte Muscheln gesammelt hat, wird üblicherweise mit einem geringen dreistelligen Betrag belangt. Gelingt es, dem Schmuggler Vorsatz nachzuweisen, sind auch mehrjährige Haftstrafen möglich - je nach Schwere der Tat.

Von welchen Tieren und Pflanzen Reisende besser die Finger lassen sollten, legt das Washingtoner Artenschutzabkommen fest. Diese internationale Konvention, Convention of International Trade in Endangered Species of Wild Fauna and Flora, kurz CITES genannt, wurde 1973 in Washington verabschiedet und mittlerweile von 183 Staaten unterzeichnet. Sie regelt den globalen Handel mit geschützten Tier- und Pflanzenarten.

Momentan schützt CITES etwa 5800 Tiere und 30 000 Pflanzen. Je nach Einstufung ist der Handel mit einer jeweiligen Art durchaus ohne Einschränkung möglich, manchmal auch nur teilweise erlaubt oder eben generell verboten.

Das Problem: Schutz und Profit stehen meist im Konflikt, auch in jenen Ländern, die den Vertrag einst unterzeichneten. Während Tierschutzorganisationen noch strengere Verbote fordern, sehen viele Händler ihr lukratives Geschäft bedroht und setzen sich für eine Lockerung bestehender Regelungen ein. Es könnte also hitzig werden, wenn die Unterzeichnerländer zur 18. Vertragsstaatenkonferenz vom 17. bis 28. August in Genf zusammenkommen.

Manche Staaten fordern laxere Regeln - das solle angeblich die Tiere sogar besser schützen

Einen der wichtigsten Stimmenblöcke dort bilden die 28 EU-Staaten, die sich bereits vor der Konferenz auf eine gemeinsame, artenschutzfreundliche Position geeinigt haben. Diese Allianz contra Wildtierhandel dürfte damit einen wichtigen Gegenpol zu jenen Staaten bilden, die sich für eine Lockerung einsetzen. Besonders Länder im südlichen Afrika könnten versuchen, den Handel mit Elfenbein, Nashörnern oder Jagdtrophäen zu erleichtern - fürchten Tierschutzorganisationen.

Es geht schließlich um eine Menge Geld: Das Umweltprogramm der Vereinten Nationen und Interpol schätzen laut einer gemeinsamen Untersuchung, dass Händler mit dem illegalen Handel geschützter Tier- und Pflanzenarten jährlich sieben bis 23 Milliarden US-Dollar umsetzen. Erst im Juli haben Zollbeamte in Singapur knapp neun Tonnen Elfenbein und zwölf Tonnen Pangolin-Schuppen im Wert von 43,6 Millionen Euro beschlagnahmt.

Manche Staaten rechtfertigen ihre Forderung nach einer Lockerung sogar damit, dass der kommerzielle Handel mit Elfenbein oder Nashorn-Horn besser zu kontrollieren sei - und somit sogar zum Artenschutz beitrage. "Das sehen wir nicht so", sagt Daniela Freyer von der Tierschutzorganisation Pro Wildlife. Zwar klinge diese These zunächst plausibel, in der Praxis habe es bisher aber keinerlei Belege dafür gegeben, sagt Freyer. Tatsächlich stellten Tierschützer 2008 einen Anstieg an Wilderei fest - just in dem Jahr, in dem es Ländern wie Südafrika, Namibia oder Simbabwe kurzzeitig erlaubt war, ältere Elfenbeinbestände zu verkaufen. Trotzdem pochen gerade diese Länder weiterhin auf eine Lockerung des Handelsverbots. Auch Botswana entwickelt sich mehr und mehr zu einem Jägerparadies. Besonders gefährdet sind dort Elefanten.

Noch stellt das Land mit etwa 130 000 Tieren den größten verbliebenen Elefantenbestand Afrikas, wie großflächige Luftaufnahmen der NGO "Elephants Without Borders" in einer kürzlich veröffentlichten Untersuchung zeigen. Allerdings sollen in Botswana alleine 2017 und 2018 mindestens 385 Elefanten der Wilderei zum Opfer gefallen sein. Die Dunkelziffer schätzen die Studienautoren als noch höher. Erst vor wenigen Monaten vollzog Botswana eine Kehrtwende und annullierte das 2014 verabschiedete Jagdverbot auf Elefanten.

Andererseits aber lehnt die Mehrheit der afrikanischen Staaten die Elfenbein-Handelspläne von Botswana und Co. vehement ab. Insgesamt 32 Länder haben sich zur "African Elephant Coalition" zusammengeschlossen und fordern, den Handel mit Elfenbein dauerhaft zu verbieten. Gleiches soll auch für Giraffen gelten, deren Bestand in ganz Afrika in den vergangenen 30 Jahren um fast 40 Prozent eingebrochen ist. Die Weltnaturschutzunion IUCN hat die Tiere bereits auf die Rote Liste der vom Aussterben gefährdeten Arten gesetzt. Weil sie bisher jedoch nicht durch CITES geschützt sind, ist der Handel weiterhin erlaubt. Deswegen beschlagnahmen Zollbeamte regelmäßig Trophäen, Messergriffe und andere Artikel, die aus Knochen oder Fell von Giraffen hergestellt wurden.

Zu Hause hält der Frankfurter Zöllner Nikl selbst Schlangen und Schildkröten

Diese landen nicht selten in der Asservatenkammer des Zolls - unter anderem auch in Frankfurt. Während dort eine Etage höher der Flugbetrieb an Terminal 2 läuft, betritt Zollbeamter Guido Nikl einen kleinen Raum im Keller des Flughafens. In der Luft liegt der Muff von Tierfellen, auf dem Boden liegt eine Krokodilhaut als Teppich. Der Zoll hat den Raum eingerichtet, um seine Funde vorzuführen, Elfenbeinketten und chinesischer Schlangenwein, ein ausgestopfter Gepard aus der Luftfracht, ein komplettes Eisbärenfell mit Kopf. Manche der hier ausgestellten Dinge hat Nikl mit Hündin Nela aufgespürt und beschlagnahmt.

Natürlich werden nicht nur große Wildtiere wie Elefanten oder Nashörner Opfer von illegalem Schmuggel. Im Vorfeld der diesjährigen Artenschutzkonferenz haben zahlreiche Vertragsstaaten auffallend viele Anträge gestellt, die den Handel mit Schildkröten, Echsen, Spinnen oder Zwergottern entweder erlauben oder verbieten sollen. "Für einige Arten stellt der Heimtierhandel sicherlich eine große Bedrohung dar", sagt Markus Baur, Leiter der Münchner Auffangstation für Reptilien. Baur betont jedoch, dass viele in Europa gehandelte Reptilien mittlerweile auch hierzulande gezüchtet werden. Dies habe den illegalen Heimtierhandel in den vergangenen Jahren entschärft. Dennoch werden nach wie vor Tausende Tiere der Natur entnommen und landen in Wohnzimmern - auch in Deutschland. Es sei denn, Guido Nikl kommt ihnen zuvor, denn der Zöllner kennt sich aus.

Zu Hause hält er selbst Schlangen und Schildkröten, er hat ein großes Fachwissen über exotische Arten. Als der Zoll im Jahr 2006 in einem Pilotprojekt nach australischem Vorbild erstmals Artenschutzhunde ausbilden ließ, fiel die Wahl schnell auf ihn, Rauschgift-Spürhundeführer seit 1998, mit Reptilien als Hobby. Er brachte Ideen für das Trainingsprogramm mit ein, baute Kontakte auf zum Bundesamt für Naturschutz und zu Tierärzten. Nikls größter Erfolg waren die befruchteten Eier von Meeresschildkröten vor ein paar Jahren. Die Tiere schlüpften im Frankfurter Zoo und wurden in der Karibik wieder ausgesetzt.

Doch das reicht nicht, wie die Zahlen zeigen: Im vergangenen Jahr hat das Hauptzollamt Frankfurt am Main zahlreiche Korallen beschlagnahmt, Schildkröten, Spinnen, tropische Fische und 162 lebende Leguane, insgesamt 710 Sicherstellungen von 21 423 artengeschützten Einzelexemplaren, fast doppelt so viel wie 2017.

Mit anderen Worten: Es wird immer noch zu viel übersehen. Die Asservatenkammer in Frankfurt ist ein kleiner Ausschnitt aus einem weltumspannenden Problem, dem Millionengeschäft mit seltenen und besonders geschützten Arten, dem Schmuggel von Tigerfellen, Stoßzähnen oder - in Frankfurt häufig zu finden - Haifischflossen.

Auch wenn Hündin Nela diesmal keine Überreste von Haifischen gefunden hat, endet jeder ihrer Einsätze mit einem Erfolgserlebnis: Ein mit Tierhaaren präparierter Koffer und ihr Lieblingsball als Belohnung für ihren Dienst im Kampf für besseren Artenschutz.

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SZ vom 17.08.2019
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