Süddeutsche Zeitung

Gentechnik:Die Väter der Crispr-Babys

  • Im November verkündeter der chinesische Forscher He Jiankui, er habe das Erbgut von Babys so verändert, dass sie immun gegen das Aidsvirus seien.
  • Zumindest ein alter Mentor wusste über die Menschenversuche bescheid, bevor die Öffentlichkeit davon erfuhr.

Von Kathrin Zinkant

Im Fall um die Geburt chinesischer Babys, deren Erbgut gentechnisch verändert worden sein soll, zeichnet sich ab, dass auch Wissenschaftler aus dem Ausland an den ethisch fragwürdigen Experimenten beteiligt waren. Nach Recherchen der New York Times war der Physiker Stephen Quake von der Stanford University recht detailliert in die Planung und Umsetzung der Versuche eingeweiht, was die Fachwelt verstört hatte.

He Jiankui von der Southern University of Science and Technology in Shenzhen, ein chinesischer Biophysiker und ehemaliger Post-Doktorand von Quake, hatte im November die Geburt der ersten genetisch manipulierten Babys verkündet, kurz vor einem internationalen Kongress zum sogenannten Genome Editing in Hongkong. Demnach waren die Zwillinge Nana und Lulu mit künstlicher Befruchtung gezeugt und ihr Erbgut mit der Genschere Crispr-Cas9 verändert worden. Ziel der Manipulation war es laut He, die Mädchen immun gegen HIV zu machen.

An der Stanford University sollen drei Forscher in engem Kontakt mit He Jiankui gestanden haben

Zwar war seit der Entwicklung der neuen Methode klar gewesen, dass ein solcher Eingriff möglich ist. Die Nachricht schien die internationale Forschercommunity jedoch unvorbereitet zu treffen: Man hatte solche Versuche öffentlich unter ein freiwilliges Moratorium gestellt und zeigte sich entsetzt über den Alleingang des Chinesen. Auch in China distanzierten sich Universität, Regierung und Hunderte Wissenschaftler von dem Menschenversuch. Im Januar stellte eine staatliche Untersuchungskommission fest, dass sich der Forscher des Betrugs und des wissenschaftlichen Fehlverhaltens schuldig gemacht hatte - vor allem aber, dass er im Verborgenen mit ausländischen Wissenschaftlern kooperiert haben soll.

Dabei ist bekannt, dass neben chinesischen Beteiligten tatsächlich auch Wissenschaftler im Ausland von den Plänen He Jiankuis gewusst haben. Allein an der Stanford University sollen drei Forscher in engem Kontakt mit dem Chinesen gestanden haben - darunter auch der ehemalige Vorgesetzte Hes, Stephen Quake. Die Universität in Shenzhen hat offenbar eine Untersuchung in dem Fall eingeleitet.

Quake wehrt sich gegen die Vorwürfe. Der New York Times hat er den nach eigener Aussage vollständigen E-Mail-Verkehr mit He aus den vergangenen Jahren vorgelegt. Daraus geht hervor, dass er hauptsächlich kommentierte, was ihm der Chinese über die geplanten und dann durchgeführten Versuche an Menschen berichtete. So hat er sowohl auf die Notwendigkeit einer Genehmigung durch eine Ethik-Kommission und die umfassende Aufklärung der möglichen Eltern, als auch auf die Bedeutung einer sorgfältigen Publikation der Resultate hingewiesen.

Aus den E-Mails geht laut New York Times jedoch nicht hervor, dass Quake seinem ehemaligen Schützling den entscheidenden Rat gegeben hat: die Versuche nämlich umgehend zu stoppen oder sie gar nicht erst zu beginnen.

Quake bestreitet das, er will He bereits 2016 auf einer Konferenz gesagt haben, dass das Experiment an künstlich befruchteten Embryonen eine "schlechte Idee" sei. Später jedoch wünschte der Physiker und Unternehmer dem Chinesen in E-Mails "viel Glück" und, nachdem He ihn über die erste erfolgreiche Schwangerschaft informiert hatte, dass die Mutter "das Kind nicht verlieren" werde. Quake tauschte sich unterdessen mit einem namentlich nicht genannten Experten für Gene Editing aus, der nach dem Empfinden des Physikers irritierend gelassen auf seinen Bericht über die Experimente reagierte. Offenbar sah der Stanfordprofessor jedoch keinen Anlass, die Öffentlichkeit über die eklatante Grenzüberschreitung des Chinesen zu informieren.

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Quelle:
SZ vom 17.04.2019/hach
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