Raumfahrt:Chinesische Rakete trudelt unkontrolliert zur Erde

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Vor wenigen Tagen startete eine Rakete vom Typ "Langer Marsch 5B" in Hainan. Bald dürften Reste von ihr unkontrolliert zur Erde stürzen. (Foto: CHINA DAILY/VIA REUTERS)

Die Oberstufe einer Rakete vom Typ "Langer Marsch 5B" wird in den nächsten Tagen ungesteuert in die Atmosphäre eintreten. Könnten Trümmerteile auf der Erde einschlagen?

Von Christoph von Eichhorn

Der rote Punkt CZ-5B bewegt sich wie eine Sinuskurve über die Weltkarte, und das ziemlich schnell. Ein paar Minuten braucht er, um Nordamerika zu überfliegen, schon ist er über dem Atlantik, dann Afrika, Asien, gelegentlich streift er Europa. Was die Website "Orbiting Now" anzeigt, ist die Flugbahn eines Überbleibsels einer chinesischen Rakete vom Typ Langer Marsch 5B. Mit mehr als 27 000 Kilometer pro Stunde umkreist es derzeit die Erde. Die Höhe hingegen beträgt schon weniger als 200 Kilometer und nimmt stetig ab. Vermutlich am Wochenende wird die 18 Tonnen schwere Raketenstufe in die Erdatmosphäre eintreten und unkontrolliert abstürzen.

Tiangong, "Himmelspalast", heißt die Raumstation, die Chinas Weltraumbehörde gerade in der Umlaufbahn zusammenbauen lässt. Das Kernmodul, genannt "Himmlische Harmonie", brachte die jetzt außer Kontrolle geratene Langer- Marsch-Rakete am 29. April in den Orbit, alles schien zunächst planmäßig zu laufen. Ein großer Erfolg für das chinesische Weltraumprogramm, der in den Staatsmedien entsprechend gefeiert wird. Über den gescheiterten Wiedereintritt schweigen sich die chinesischen Behörden dagegen bislang aus. Auf der Erde sorgt das Manöver jedenfalls nicht für Harmonie. Die Esa spricht vom "schwersten unkontrollierten Wiedereintritt" seit mehr als 20 Jahren.

Ein Einschlag in Deutschland ist ausgeschlossen, Südeuropa liegt dagegen innerhalb der Risikozone

Ursprünglich sollte die Raketenoberstufe so manövriert werden, dass sie kontrolliert zur Erde zurückkehrt. Dabei muss jedoch etwas schiefgegangen sein. Aus der Bahn des Objekts lässt sich zumindest grob abschätzen, wann der Wiedereintritt in die Atmosphäre erfolgt. Die Esa schätzt, dass es am Sonntagvormittag 11 Uhr deutscher Zeit so weit sein könnte, amerikanische Quellen geben den Zeitpunkt einige Stunden früher an. "Das ist jedoch mit großen Unsicherheiten behaftet", sagt Manuel Metz vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt. In sehr großer Höhe sei die Dichte der Atmosphäre nicht genau bekannt, sagt Metz. Auch werde die äußerste Lufthülle ständig beeinflusst, etwa von der Sonneneinstrahlung. Das macht es schwierig vorherzusagen, wie sich hindurchfliegende Objekte verhalten. So ist ein Wiedereintritt auch einen Tag früher oder später möglich.

Zudem hängt der Luftwiderstand stark von Konstruktionsdetails der Raketenstufe ab, die aber weitgehend unbekannt sind. Ihre Länge wird auf 33 Meter geschätzt, bei einem Durchmesser von fünf Meter. "Das ist schon ziemlich groß", sagt Metz. Werden einzelne Trümmer auch die Erde erreichen? "Davon muss man mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgehen." Als Faustformel gilt zwar, dass ein Satellit beim Wiedereintritt etwa zu 80 Prozent verglüht. Bei einer Raketenstufe kann sich das jedoch anders verhalten. Sie hat meist hitzebeständige Triebwerke und Tanks, die "relativ beständig gegenüber einem Wiedereintritt sein können", sagt Metz.

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Schon vergangenes Jahr waren Teile einer Rakete vom Typ Langer Marsch unkontrolliert zur Erde gestürzt. Trümmer gingen damals in der Elfenbeinküste nieder, darunter ein zwölf Meter langes Rohr.

Allerdings lassen sich jetzt zumindest einzelne Regionen als mögliche Einschlagsstellen ausschließen. Da die Bahnachse von CZ-5B gegenüber dem Äquator etwas geneigt ist, fliegt die ausgebrannte Raketenstufe nie nördlicher als 41,5 Grad auf der Nordhalbkugel, oder südlicher als 41,5 Grad auf der südlichen Hemisphäre. In Europa verläuft die Grenzlinie über Südeuropa, ein Einschlag in Deutschland ist also ausgeschlossen. Theoretisch getroffen werden könnten laut Esa Teile von Portugal, Spanien, Italien und Griechenland. Aber auch weite Teile Nord- und Südamerikas und Asiens liegen innerhalb der Risikozone, außerdem ganz Afrika und Australien. Erst einige Stunden vor dem Aufprall wird sich die Zone wohl näher eingrenzen lassen.

Dennoch braucht man sich eher nicht den Kopf zu zerbrechen, falls man sich gerade innerhalb dieser Zone aufhält. Drei Viertel der Erdoberfläche seien von Wasser bedeckt und große Teile der Landmassen unbewohnt, erklärt die Esa in einer Mitteilung. Alltagsrisiken, etwa beim Autofahren, seien weitaus größer als die Gefahr, von Weltraumschrott erschlagen zu werden.

Anmerkung: In einer früheren Version des Artikels hieß es, die chinesische Raumstation heiße Tianhe, "Himmlische Harmonie". So wird jedoch nur das Kernmodul bezeichnet. Die gesamte Raumstation trägt den Namen Tiangong, "Himmelspalast".

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