Süddeutsche Zeitung

Afrikanische Schweinepest: "Das ist eine Gefahr für den Rest der Welt"

  • Seit August 2018 wütet das Virus in China, dem größten Schweinefleischproduzenten der Welt.
  • Wichtige Ursache für die rasante Ausbreitung ist die Praxis, verarbeitetes Schweinblut an Masttiere zu verfüttern.
  • China hat dies inzwischen verboten. Ob das allein genügt, um die Afrikanische Schweinepest zu stoppen, wird sich zeigen.

Von Hanno Charisius

Für Tierseuchenexperten begann der Albtraum am 3. August 2018 - und seitdem wurde es nur noch schlimmer. An dem Tag tauchte die erste Meldung über einen Ausbruch der Afrikanischen Schweinepest (ASP) auf einem Hof in China auf. Es war ein kleiner Betrieb mit kaum 400 Tieren, 47 davon hatte das Virus bereits getötet.

Das klingt für Laien zunächst nicht besonders besorgniserregend, doch der Epidemiologe François Roger vom Agricultural Research Center for International Development in Montpellier, sagte dem Wissenschaftsjournal Science kurz nach dem Ereignis: "Das ist eine Gefahr für den Rest der Welt." Bereits im Jahr zuvor hatte der Forscher vor einem solchen Ausbruch gewarnt. Mehr als eine Million Schweine wurden seither in China getötet, um ein Ausbreiten der Seuche zu verhindern, deren Erreger für den Menschen harmlos ist. Bislang vergeblich.

Jede Woche meldet das Land mit der global größten Schweinefleischproduktion neue Fälle. Die Hälfte aller Schweine auf dieser Welt lebt in China. In Asien breitet sich der Erreger besonders schnell aus. Das wirft die Frage auf, ob dort eine besonders üble Virusvariante grassiert. In Europa ist der Erreger zwar bereits im Jahr 2014 auftaucht, doch bislang sind überwiegend Wildschweine daran gestorben. Mast- oder Zuchtbetriebe waren bislang seltener betroffen.

"An dem Virus in China ist nichts Besonderes", sagt jedoch Sandra Blome, die am Friedrich-Loeffler-Institut arbeitet. "Die rasante Ausbreitung ist ausschließlich durch menschliches Verhalten verursacht." Die Fachtierärztin für Virologie war erst kürzlich in China, um Landwirte und Tierärzte dort im Umgang mit dem Erreger zu schulen. Als wichtigsten Verbreitungsweg des Virus hat sie die Verfütterung von Blutprodukten und Speiseabfällen ausgemacht. Die Blutprodukte werden am Schlachthof gewonnen und sind wichtige Eiweißquellen für die Mastbetriebe. China hat die Verfütterung dieser Materialien immerhin inzwischen verboten.

Von den Schlachthöfen werden verseuchte Blutprodukte verschickt

Auch in der EU werde etwa getrocknetes Blutplasma verfüttert, sagt Blome, das sei keine ungewöhnliche Praxis. "Hier kann man sich allerdings ziemlich sicher sein, dass ein Tier, das zum Schlachthof gebracht wird, gesund ist. In China ist das nicht unbedingt der Fall." Das liege auch daran, dass nicht immer nachvollziehbar sei, wann Landwirte eine Entschädigung bekommen, wenn sie ein infiziertes Schwein melden. Von den Schlachthöfen reisen kontaminierte Blutprodukte über weite Strecken zu den nächsten Mastbetrieben oder auch über die Landesgrenzen, nach Thailand etwa oder Vietnam.

Eigentlich wird die Seuche, die erstmals 1921 in Kenia von Tierärzten beschrieben wurde, durch Zeckenstiche zwischen Schweinen übertragen. Das Blut eines infizierten Schweines birgt massenhaft Viren. Fleisch, Kot und Urin sind hingegen weitaus geringer belastet. Wegen der hohen Viruslast im Blut sind die Futterzusätze daraus auch so gefährlich, obwohl die Viren einen anderen Weg in den Körper ihres nächsten Opfers nehmen, als den, auf den sie eigentlich spezialisiert sind - über das Maul und den oberen Verdauungstrakt statt von Blutbahn zu Blutbahn durch den Zeckentransfer.

In einem Experiment konnten amerikanische Forscher vor einiger Zeit zeigen, dass man 140 000-mal so viele Erreger braucht, um ein Schwein über den oralen Übertragungsweg zu infizieren, wie über den Blutweg, zum Beispiel per Injektion unter die Haut oder in die Blutbahn. Nichtsdestotrotz kann auch ein kontaminiertes Salamibrot ausreichen, wenn man auf ein sehr empfängliches Tier trifft oder den Kontakt oft genug wiederholt.

Die Wildscheine sind meist unschuldige Opfer

Die massive Ausbreitung des Erregers ist also eindeutig durch den Menschen beeinflusst. Die Wildschweine, die seit Monaten in Deutschland verschärft bejagt werden, um den Sprung des Erregers aus den Nachbarstaaten Belgien und Polen zu verhindern, in denen ASP bereits nachgewiesen wurde, sind demnach meist unschuldige Opfer. Wie sollte auch eine Zecke, die Blut von einem infizierten Wildschwein gesogen hat, in einem Schweinestall eines Mastbetriebes gelangen?

Dass der Erreger in absehbarer Zeit auch für Menschen gefährlich werden könnte, glaubt Blome nicht. Sie arbeitet mit den Viren zwar ausschließlich im Hochsicherheitslabor, doch nur um zu verhindern, dass sie das Labor verlassen. Sich selbst schützt sie nicht besonders, denn aus evolutionärer Sicht gebe es für das Virus überhaupt keinen Grund, sich an Menschen anzupassen. "Das heißt nicht, dass es nicht grundsätzlich passieren kann", sagt Blome, "ich rechne aber über sehr lange Zeiträume gesehen nicht damit."

Schneller wird es hoffentlich mit einem Impfstoff gegen die Seuche gehen. Es gebe bereits einige Wirkstoff-Kandidaten, doch jene, "die besonders effektiv sind, haben auch bedenkliche Nebenwirkungen", sagt Blome. Sie glaubt jedoch fest daran, dass es einen brauchbaren Impfstoff gegen die ASP geben wird, so wie er bereits gegen die Klassische Schweinepest (KSP) existiert.

Trotz des ähnlichen Namens, sind diese beiden Erreger biologisch nicht näher verwandt. Doch der Fall der Klassischen Schweinepest zeigt auch, dass ein funktionierender Impfstoff allein nicht ausreicht. Auch dieses Virus bereitet insbesondere den chinesischen Mästern noch immer massive Probleme. "Neben einem guten Impfstoff", so Blome, "braucht es auch sehr gutes Management."

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Quelle:
SZ vom 08.05.2019/fehu
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